Weihnachtstheater - Theaterweihnachten

Weihnachten – und sein Potenzial für das Theater

Advent und Weihnachten eignen sich aus verschiedenen Gründen für Theaterexperimente: Das Brauchtum zur Weihnachtszeit ist dabei besonders anregend.

  • Zum einen treffen bei Familientreffen unterschiedliche Charaktere aufeinander, was starke Gefühle auslöst – ein reichhaltiger Fundus für Charakterdarsteller.
  • Überdies ist Weihnachten emotional aufgeladen, was Schauspielern ein aufnahmebereites Publikum ermöglicht.
  • Zum dritten sind die Motive der Weihnachtszeit weithin bekannt, ebenso die Figuren im Umkreis der biblischen Überlieferung: Maria, Josef, Jesus, Hirten und Engel, Herodes und die Heiligen Drei Könige. Feste Handlungssequenzen und stereotype Figuren eröffnet den Raum für Variation und Parodie.
  • Zu Weihnachten gibt es eine Vielfalt von Texten, die sich für eine szenische Umsetzung eignen.

Gattungen weihnachtlicher Spiele

  • Krippenspiele (engl. nativity plays) sind seit dem 10. Jahrhundert bekannt; die Einführung durch Franz von Assisi ist als legendär anzusehen. Aufgeführt wurden (und werden) Krippenspiele meist an Heiligabend (24.12.) im Rahmen des Gottesdiensts. Krippenspiele werden allerdings auch schon in der Adventszeit aufgeführt, etwa die von Laiendarstellern gespielte „Lebende Krippe“ auf dem Andernacher Weihnachtsmarkt aufgeführt oder Schulspiele wie das niederdeutsche Krippenspiel des Lübecker Katharineums.
  • Lebende Krippe (presepe vivante, frz. crêche vivante): Eine lebende Krippe ist eine bildhafte Umsetzung des Weihnachtsgeschehens mit Darstellern und Tieren, es hat jedoch nicht zwingend szenischen Charakter.
  • Dreikönigsspiele werden meist am 6. Januar aufgeführt. Sie befassen sich mit der Gabenspende der Heiligen Drei Könige (Caspar, Melchior, Balthasar).
  • Hirtenspiele werden meist im Umkreis der Feierlichkeiten zu Heiligabend aufgeführt. Sie inszenieren die Anbetung des neugeborenen Christkinds durch die Hirten.
  • Pantomime: Die englische Tradition des Pantomime-Spiels entwickelt sich zum Ende des 18. Jahrhunderts aus der Harlekinade, die sich ihrerseits aus der Commedia dell’arte herleitet. Die Themen sind überwiegend weltlich, lediglich der Aufführungszeitpunkt fällt mit der Weihnachtszeit zusammen.

Geschichte des Weihnachtstheaters

1080

In der Freisinger Domkirche wird das Freisinger Weihnachtsspiel uraufgeführt.

1162

Erstmals ist in Gerhoch von Reichersbergs De investigatione Antichristi der Brauch des Christkindlwiegens bezeugt.

1223

In Greccio soll Franz von Assissi mit einer lebenden Krippe das Weihnachtsspiel begründrt haben.

1500c

Das mittelenglische Krippenspiel The Second Shepherds’ Play des Wakefield-Meisters wird uraufgeführt.

1602

Shakespeares Twelfth Night wird an Christi Darstellung (2.2.) zum Abschluss der Nachweihnachtszeit uraufgeführt.

1654

Das Ischler Krippenspiel wird kodifiziert.

1902

Laurence Housmans verfasst das Weihnachtsspiel Bethlehem.

1904

Der polnische Autor Lucjan Rydel schreibt Betlejem polskie.

1921

In Pommern wird das Labeser Krippenspiel eingeführt.

1922

Cicely Hamiltons The Child in Flanders: A Nativity Play entsteht.

1938

Dorothy L. Sayers veröffentlicht das Weihnachtsspiel He That Should Come.

1940

Jean-Paul Sartres Bariona, ou le Fils du tonnerre wird während Sartres Kriegsgefangenschaft in einem deutschen Stalag zu Weihnachten aufgeführt.

1959

Albrecht Goes veröffentlicht bei S. Fischer in Frankfurt seine Bearbeitung des Sankt Galler Spiels von der Kindheit Jesu.

1966

Antony Brown publiziert das Weihnachtsspiel David and the Donkey.

1862

Karl Julius Schröer gibt bei Braumüller in Wien Deutsche Weihnachtsspiele aus Ungarn heraus. Das von ihm wiederentdeckte Oberuferer Weihnachtsspiel wird besonders an Waldorfschulen aufgeführt.

2013

Die moderne Chinder Wiehnacht in alemannischer Mundart von Roland Zoss wird in Huttwil uraufgeführt.

2014

Die Stadtverwaltung Worms untersagt ein Krippenspiel der evangelischen Luther-Gemeinde auf dem Weihnachtsmarkt, das sich mit dem Thema Flucht befasst und auf die Lage von Flüchtlingen hinweist.

Ideen zum Weihnachtstheater

  • Ruprecht-Varianten: Theodor Storms Ruprecht-Sätze aus Knecht Ruprecht werden mit verschiedenen Zustandsbeschreibungen variiert: „Von drauß vom Walde komm ich her; / ich muß Euch sagen es weihnachtet sehr! / Allüberall auf den Tannenspitzen / sah ich goldene Lichtlein sitzen“. Varianten: Ruprecht steht vor der Tür und muss dringend aufs Klo, findet aber den Schlüssel nicht; Ruprecht ist wahnsinnig geworden; Ruprecht ist ein Entertainer mit eigener Gala im ZDF; Ruprecht hat eine radikale Partei gegründet und übt seine große Brandrede; Ruprecht hat sich von Nikolaus getrennt und trauert…!
  • Zug nach Rowaniemi: Bei dieser Improvisation treffen sich nach dem Prinzip des Ausschneidens und Einfügens jeweils drei Personen auf der Bahnhofsbank: Ein alkoholisierter Nikolaus, ein Weihnachtsroboter, eine flirtende Christkind-Darstellerin, ein niedergeschlagener Paketbote…!
  • Geschenk: Bei dieser Improvisation kommt ein Darsteller mit einem imaginären Geschenk herein, das gut verpackt ist. Ein anderer Darsteller packt aus. Es darf nicht verraten werden, worum es sich bei dem Geschenk handelt.
  • Singende Weihnachten: Die Darsteller gehen im Raum umher. Durch gegenseitiges Handauflegen können sie andere zum Singen bringen. Wenn sie sich gegenseitig die Hand auflegen, singen sie beide dasselbe Lied.
  • Weihnachtslieder raten: Die Darsteller stehen einander an den gegenüberliegenden Wänden des Raums gegenüber. Dann singen sie tonlos ein bekanntes Weihnachtslied und tanzen dazu. Es muss erraten werden, um welches Lied es sich handelt.
  • Weihnachtslied-Dialoge: Die Darsteller entwickeln aus den Wörtern einer Weihnachtsliedzeile einen Dialog („Morgen, Kinder, wird’s was geben“ – „Schneeflöcklein, weiß Röcklein“).
  • Storytime: Bekannte englische Weihnachtslieder („Last Christmas“, „Leit it snow“, „Jingle Bells“ werden als Monolog interpretiert.
  • Auf dem Weg zum Weihnachtsbaum: Auf dem Weg zum Weihnachtsbaum folgt man dem Partner mit geschlossenen Augen, zu dem man nur über Fingerspitzen Kontakt hält – dann lobt man den Anblick, als stünde man vor einem prächtigen Weihnachtsbaum.
  • Zinnsoldaten-Schlacht: An Heiligabend ist die Armee der Zinnfiguren erwacht. Auf das Signal „Attacke!“ kämpfen sie mit ausgestreckten Armen. Jede Berührung führt zu einem Metallgeräusch („Ding!“, „Dang!“), jede Berührung am Körper führt zum Theatertod. Der letzte Überlebende erhält den Lebkuchen.

Bibliographie

Theoretische Darstellungen

  • Mosen, Gustav: Die Weihnachtsspiele im sächsischen Erzgebirge. Zwickau: Verein zur Verbreitung guter und wohlfeiler Volksschriften, 1861
  • Müller, Alfred: Die sächsischen Weihnachtsspiele nach ihrer Entwicklung und Eigenart. In: Sächsisches Volkstum – Beiträge zur Volkskunde des Freistaates Sachsen und seiner Grenzgebiete. Heft 7. Leipzig: Brandstetter, 1930
  • Vogt, Friedrich: Eine Aufführung Schlesischer Weihnachtsspiele. In: Mitteilungen der Schlesischen Gesellschaft für Volkskunde. Heft 6, 1899, S. 17–25
  • Vogt, Friedrich: Die Schlesischen Weihnachtsspiele. Leipzig: Teubner, 1901
  • Weinhold, Karl: Weihnacht-Spiele und Lieder aus Süddeutschland und Schlesien. Mit Einleitungen und Erläuterungen. Graz: Leuschner & Lubensky, 1870
  • Stühlmeyer, Ludger: Liturgische Spiele in den Hofer Gemeinden. Das Hofer Weihnachtsspiel. In: Curia sonans. Die Musikgeschichte der Stadt Hof. Bamberg: Heinrichsverlag, 2010, S. 54–67.
  • Ruhdorfer, Luise Maria: Geboren zum Leiden und Sterben. Kärntner geistliche Volksschauspiele. Remscheid: Verlag Re Di Roma, 2015
  • Schmidt, Laura: Weihnachtliches Theater: Zur Entstehung und Geschichte einer bürgerlichen Fest- und Theaterkultur. Bielefeld: Transcript, 2017

Praktisches Schrifttum und Textsammlungen

  • Tomberg, Markus: Zur Krippe her kommet: Neue Hirten- und Krippenspiele. Freiburg im Breisgau: Herder, 2001
  • Mack, Cornelia (Hg.): Praxisbuch Weihnachtsanspiele: Anspiele, Sprechmotetten, Krippenspiele und weitere Ideen. Holzgerlingen: Hänssler, 1999
  • Witt, Dieter: Kommt mit nach Betlehem! Gottesdienste, Krippenspiele, Impulse; kreative Bausteine für die Advents- und Weihnachtszeit. Stuttgart: Katholisches Bibelwerk, 2011
  • Krahl, Christamaria (Hg.): Neue Advents- und Krippenspiele: St. Martin, St. Nikolaus, Advent, Weihnachten, Dreikönig. Leipzig: St. Benno Buch- u. Zeitschriftenverl.-Ges., 2001
  • Willers-Vellguth, Christine: Uns ist ein Kind geboren: Neue Hirten- und Krippenspiele. Freiburg im Breisgau: Herder, 2000
  • Krenzer, Rolf: Wer geht mit nach Bethlehem? Theaterstücke und Lieder für die Advents- und Weihnachtszeit. Limburg: Lahn-Verl., 1992
  • Hitzelberger, Peter (Hg.): Was sucht die Maus in Bethlehem? Neue Weihnachtsspiele für Gemeinde, Kindergarten und Schule. Stuttgart: Junge Gemeinde, 2000
  • Cratzius, Barbara: Theaterstücke zur Weihnachtszeit. Ravensburg: Maier, 1990
  • Cratzius, Barbara; Suetens, Clara: Kommt zu unserem Weihnachtsspiel: Kurze Spielstücke für Kindergarten, Grundschule und Familie. Freiburg im Breisgau: Christophorus, 2001