Performance auf der Bühne

Als künstlerisches Ausdrucksmittel steht bei einer Performance die Distanz zum Alltagserleben im Vordergrund – um aufzurütteln, um Reflexion anzustoßen. Sie findet deswegen gerade nicht in einem theatralen Kontext statt. Dennoch erfüllt die Performance alle Anforderungen, die man im postdramatischen Theater einer Inszenierung stellt.

Was ist Performance?

Performance ist…

… die künstlerische Inszenierung

… von Akteuren vor Publikum,

… in einem gegebenen Zeitrahmen,

… jedoch meist ohne Ablaufkonzept, stattdessen mit knappen Handlungsanweisungen,

… daher meist unvorhersehbar in Ablauf und Ergebnis,

... oft mit Bezug zu einem bestimmten Raum,

… immer über die bloße Handlung hinausweisend,

… mit dem Ziel, Distanz zum Alltag, zur Regelästhetik oder zum Kunstbetrieb herzustellen,

… Irritationen herbeizuführen

… und Erfahrungen zu ermöglichen,

… wobei die Agierenden keine Rolle einnehmen,

… sondern als körperlich Ausführende wahrnehmbar sind.

Formen der Performance sind …

… die futuristischen Schleiertänze der Valentine de Saint-Point in Paris (1913) und andere Veranstaltungen der Futuristen;

… Aufführungen bei den Soiréen der Dadaisten im Cabaret Voltaire in Zürich (1916), etwa die Sonate in Urlauten von Kurt Schwitters;

… die Biomechanik Wsewolod Emiljewitsch Meyerholds und seines Ensembles Die blauen Blusen in Moskau (seit 1923);

… das Merztheater von Kurt Schwitters in Hannover (seit 1921);

… als Action Painting bei Jackson Pollock;

… die Einbeziehung alltäglicher Bewegungen und Zufallsmomente in den Neuen Tanz bei Merce Cunningham (seit 1957);

musikalische Experimente wie das Stück 4`33 von John Cage, bei dem der Pianist in der Maverick Concert Hall in New York (1952) vier Minuten und 33 Sekunden am Flügel sitzt, ohne zu spielen;

… die Happenings Alan Kaprows und anderer Künstler seit 1957, bei der die Betrachter zu Akteuren und Zuschauern werden;

… die Aktionskunst der Gruppe Fluxus, in Deutschland vor allem durch Joseph Beuys, Nam June Paik, Wolf Vostell und Dieter Roth;

… Performance als soziale Plastik bei Joseph Beuys (z. B. Wie man einem toten Hasen die Bilder erklärt, 1965; oder der Vortrag Jeder Mensch ein Künstler – Auf dem Weg zur Freiheitsgestalt des sozialen Organismus, 1978); 

… die Performance-Anweisungen Yoko Onos in Grapefruit (1964);

… die Durational Performances des britischen Kollektivs „Forced Entertainment“;

.. die Performance Poets im Gefolge von Marc Kelly Smith in Chicago, 1974; 

… die Grenz- und Schmerzerfahrungen Marina Abramovićs (z. B. Relation in Time, 1977);

… die Fotoperformances von Yves Klein und Rudolf Schwarzkogler;

... die Videoperformances von Joan Jonas, Alex Bag und Alex McQuilkin;

… die theatralen Performances von She She Pop; 

… die Musikperformances von Gruppen wie Die Tödliche Doris, Etant Donnés oder Minus Delta t.;

… die Aktionskunst der Wiener Aktionisten und der Neo-Dadaisten, als Live Art, Action Art; Intervention oder auch Manoeuvre;

.. politische Performances von György Galántai in Ungarn, Zhang Huan in China oder der „Collective Action Group“ in Russland;

Re-Performances wie Marina Abramovićs Performanceserie Seven Easy Pieces im Solomon R. Guggenheim Museum in New York (2005) oder The Artist is Present im Museum of Modern Art (MoMa) (2010).

Ideen

  • Re-Performance: Die Spielenden übernehmen eine klassische Performance und eignen sie sich an.
  • Intervention: Es wird im öffentlichen Raum gespielt; das Publikum wird einbezogen.
  • Radioballett: Die Spielenden hören über anzusteuernde Kopfhörer Handlungsanweisungen, die sie im öffentlichen Raum vollziehen.
  • Kamera: Die Spielenden werden während des Spiels von einer Live-Kamera auf Leinwände übertragen.
  • Blumentanz: Die Spielenden stehen im Kreis und entwickeln spontan zu Musik eine gemeinsame Choreographie.
  • Performance-Vortrag: Die Spielenden wählen ein Thema, das sie einem Publikum mit theatralischen Mitteln vorstellen.

Zur Auswertung einer Performance

  • Was tun die Vollziehenden? Inwiefern erleiden sie etwas?
  • Inwiefern werden auch die Zuschauenden eingebunden?
  • Welches Bild vom Vollziehenden ergibt sich für die Zuschauenden?
  • Inwiefern ist der Körper das Material, mit dem gearbeitet wird?
  • Inwiefern werden andere Materialien eingesetzt?
  • Welche Klänge und Geräusche entstehen dabei?
  • Welche weiteren Medien werden eingesetzt? Wie? Wozu?
  • Inwiefern ist der Ort selbst Gegenstand der Performance?
  • Welche Handlungsbögen entstehen?
  • Wo stehen Elemente der Performance im Konflikt?
  • Welche Risiken und Schwierigkeiten macht die Performance deutlich?
  • Wie nehmen die Vollziehenden Zeit wahr? Welche Zeitwahrnehmung ergibt sich für die Zuschauenden?
  • Welche Folgen ergeben sich aus der Gesamtdauer der Performance?
  • Wie dynamisch oder statisch sind einzelne Elemente? Wie rasch entwickelt sich die Performance? Wo gibt es Tempowechsel?
  • Wie wird die Aufmerksamkeit der Zuschauenden gelenkt?
  • Welche Bilder entstehen beim Vollzug?
  • Wie wirken diese Bilder?
  • Auf welche Kontexte verweist die Performance? Inwiefern sind die Handlungen symbolisch? Welche Assoziationen lösen sie aus?
  • Worauf zielt die Performance?
  • Wie könnte die Performance weiterentwickelt werden?

Bibliographie

  • Siegmund, Gerald: Theater- und Tanzperformance zur Einführung. Hamburg: Junius, 2020
  • Dreher, Thomas: Performance Art nach 1945 : Aktionstheater und Intermedia. München: Fink, 2001 (Das Problempotential der Nachkriegsavantgarden; 3)
  • Goldberg, RoseLee: Die Kunst der Performance: Vom Futurismus bis heute. Berlin: Deutscher Kunstverl., 2014 (dkv Kunst kompakt; 8)
  • Peters, Sibylle: Der Vortrag als Performance. Bielefeld: transcript-Verlag, 2011
  • Meyer, Petra Maria (Hg.): Performance im medialen Wandel. Paderborn: Fink, 2006