Friedhelm Bütow: Paradigmenwechsel im Zeitgeistwechsel

Zum Autor

Friedhelm Bütow kommt 1940 in Stettin zur Welt. Nach der Flucht am Ende des Krieges gelangt er 1946 mit den Eltern und den drei Geschwistern nach Wernigerode (Harz). Dort wächst er auf. Im neu entstehenden städtischen Sinfonieorchester wird Bütows Vater Erster Oboist. Bütow beginnt nach dem Schulabschluss ein Violinstudium in Erfurt. Nach der Flucht aus der DDR über West-Berlin nach Stuttgart studiert er in West-Berlin und später in München Musik. Nach seiner beruflichen Umorientierung beginnt Bütow daraufhin eine Ausbildung im Klett-Verlag in Stuttgart. Das führt zunächst zur Aufnahme eines Lehramtsstudiums in Ludwigsburg und Schwäbisch Gmünd (Geschichte und Deutsch). Bütow plant, danach in den Verlag zurückzukehren und arbeitet weiterhin an Schulbüchern mit. Sein ursprüngliches Vorhaben, ins Verlagswesen zurückzukehren, gibt er jedoch auf – der pädagogische Kontakt zu jungen Erwachsenen bedeutet ihm mehr. Sein beruflicher Mittelpunkt wird Waiblingen, wo er in der Erwachsenenbildung tätig ist, an der Berufsfachschule und am Berufskolleg. Nach Fernstudien an der Universität Tübingen und der Beförderung ist Bütow an der Einführung des Faches Ethik / Philosophie im Beruflichen Gymnasium beteiligt. Er engagiert sich außerdem für das schulische Theaterspiel, organisiert die Solartage und setzt sich 2003 für die Installation einer Solaranlage auf dem Schuldach ein („die Zukunft in der Gegenwart gestalten“). Bütow macht die Bekanntschaft mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer, den er in den Unterricht und zu den Solartagen einlädt. Bütow wird in diesem Zusammenhang Mitglied von „Eurosolar“. In seiner Liebe zur Philosophie als Lebensform spielt die Pädagogik immer eine besondere Rolle, wie das Buchprojekt „Zeitgeistwandel“ zeigt. Es wird nach langen Jahren der Schulbegleitung erst im Ruhestand abgeschlossen und 2014 veröffentlicht.

Bezug zu Winnenden

Friedhelm Bütows erste pädagogische Anstellung führt das Ehepaar Bütow nach Winnenden, wo ihn der damalige Schulleiter Pflüger willkommen heißt. Auch Ellen Bütow unterrichtet: An Winnender Schulen und an der VHS gibt sie Kurse in Stenografie und Maschinenschreiben. Im Schelmenholz lassen sie sich nieder, die Kinder besuchen das Lessing-Gymnasium. Bald beginnt sich der ausgebildete Violinist auch für das Musikleben einzusetzen, erteilt Geigenunterricht an der Musikschule und begleitet Konzerte mit seinen Musikkritiken in der „Winnender Zeitung“. Gemeinsam mit seiner Frau engagiert er sich 2009 im Winnender Marktbrunnenstreit zugunsten des Winnender Bildhauers Martin Kirstein. Zu dessen „Epitaph für einen Mops“ schreibt er eines der Vorworte.

Zum Werk

Bütows „Zeitgeistwandel“ versammelt philosophische Essays zu kulturphilosophischen Themen, mit denen Bütow die Zeitgeschichte seit den Siebzigern begleitet. Sie entstehen parallel zu seiner Tätigkeit als Berufsschullehrer. Auch im Lehramt ist Bütow literarisch tätig: Für seine Theaterkurse schreibt er eigene Stücke und adaptiert Klassiker für den Schulgebrauch.

Bütow eröffnet seinen Essayband mit der Klärung des Begriffs „Zeitgeist“, wobei er fünf „Euphorien“ unterscheidet, deren Auswirkungen die Neuzeit prägen (S. 18-26). Auf sie kommt Bütow in „Das Werden des Neuzeitgeists“ ausführlicher zu sprechen. Nach dieser einleitenden Begriffsbestimmung entwickelt Bütow das Werden des Zeitgeists in Antike (S. 27-36), Mittelalter (S. 37-45) und Renaissance (S. 46-62). Einen Schwerpunkt der Darstellung bildet die Figur Giordano Brunos und deren Interpretation durch nachfolgende Generationen. Im Essay „Aufbruchsbewegungen der Neuzeit“ (S. 144‑160) befasst sich Bütow mit den Emanzipationsbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts, der bürgerlichen Emanzipation, der Arbeiterbewegung, der Frauenbewegung und der Jugendkultur der Jahrhundertwende. Amerikakritisch ist der Essay „Vom mittelalterlichen Sendungsglauben zum neuzeitlichen Sendungswahn“ (S. 192-197), der sich mit dem Missionsgedanken und seinen Folgen beschäftigt. Die Bedeutung von Orientierungsmitteln wie Globus und nautischer Karte für das Weltbild analysiert Bütow im folgenden Essay mit dem Titel „Das Globus-Zeitalter und die Macht der Karten“ (S. 198-213). Auch dem Blick kommt eine wesentliche Bedeutung zu: Bütow entwickelt eine Entwicklungslinie vom „Blick nach oben“ (S. 213) zum „Blick von oben“ (S. 218), an den schließlich der Blick des Astronauten „von außen“ (S. 223) anschließt. Es liegt nahe, sich mit dem Begriff der „Weltanschauung“ zu befassen (S. 233‑239). Hier unterscheidet Bütow Ideologie („Weltanschauung“) vom verstehenden Blick auf die Erde als Ganzheit („Welt-Anschauung“). Es entsteht damit eine neue Metapher: das Sinnbild des „Raumschiffs Erde“, das sich von der ersten Außenaufnahme der Erde am 24.12.1968 ableitet. Am Beginn dieser neuen Wahrnehmung der Erde als „Gestalt“ steht also die Raumfahrt: Aus den Beobachtungen von Raumfahrern entwickelt Bütow die Idee des „astronautischen Imperativs: „Nimm die Erde in dein Bewusstsein auf, und sie wird dein Leben verändern“ (S. 253). In welcher Form diese Veränderung stattfinden soll, zeigt Bütow in „Revolution der Wahrnehmung“ (S. 260-278). Die Erde soll als emotionale „Heimat“ begriffen werden; ein solches Umdenken kann der Zerstörung der Erde Einhalt gebieten. Konkrete Möglichkeiten der Veränderung hebt Bütow in „Paradigmen im Zeitgeistwechsel“ hervor (S. 287-319). Er behandelt ausführlich die Ressourcenfrage – ähnlich wie Hermann Scheer sieht er in der Solartechnik ein wichtiges Hilfsmittel, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Zwei Essays widmet Bütow beispielhaften Initiativen engagierter Bürger: dem Tübinger Zukunftsseminar junger Wissenschaftler im Jahr 2006 (S. 329) und den „Stromrebellen von Schönau“ (S. 333). Solche kollektiven Anstrengungen belegen für Bütow, dass sich die „Ohnmacht des Einzelnen“ (S. 329) überwinden lässt. Bütow zufolge liegt es in den Händen der Bürger, der Zivilgesellschaft, die Grundrechte der Erde zu schützen (S. 343-371). Ansätze zu zivilgesellschaftlichem Engagement sieht Bütow unter anderem in der Erd-Charta und im Generationenvertrag zum Klimaschutz. Es sei, so folgert Bütow in „Die zweite Aufklärung“, eine Vollendung der Aufklärung nötig. Der Motor dieser Aufklärung könne die Jugend sein, die ihrerseits als Teil einer weiter gefassten Bürgerbewegung wirke. Ihr Ethos kann ein „Ethos der Ehrfurcht vor dem Leben“ sein, das Bütow als höchste Stufe ethischer Orientierung begreift. Im Gegensatz dazu sieht Bütow Wirtschaft und Wissenschaft als kompromittiert an, was er in den folgenden Essays deutlich macht: „Menschenrechte und Wirtschaftsweltkrieg“ (S. 457-462), „Das endgültige Ende der Unschuld von Wissenschaft und Technik“ (S. 463-471) und „Gigantomanisches Denken“ (S. 472). Die folgenden Essays behandeln verstreute Themen im Kontext des bisher dargestellten: Die Kritik an der Realität europäischer Politik verbindet Bütow mit der Hoffnung auf eine „europäische Kehre“, die letztlich einen supranationalen Humanismus ermöglicht.

Bütows Werk stützt sich auf eine Vielzahl von Quellen. Neben Klassikern der Kulturgeschichte wie Jacob Burckhardt greift er auf die die Vordenker der ökologischen Bewegung zurück: James Lovelock, der Begründer der Gaia-Hypothese, der Solarpionier Hermann Scheer, aber auch Al Gore, Fritjof Capra und Jean Ziegler. Dabei verbindet Bütow geisteswissenschaftliche Hermeneutik mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften. Besondere Faszination geht für Bütow vom Blick aus dem All aus, den er seit der Mondmission 1968 untersucht: „Zeitgeistwandel“ unternimmt den Versuch, die Folgen dieses Erlebnisses für die Mentalität der Jahrtausendwende in ihr historisches Werden einzubinden. Darüber hinaus hat Bütow jedoch auch ein pädagogisches Anliegen: Er wirbt für ein „planetarisches Denken“, das sich die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen zum Ziel setzt.

Zum Erscheinen des Buchs verfasst Peter Schwarz eine Buchvorstellung und Besprechung in der „Waiblinger Zeitung“. Eine Autoren­lesung findet in der Buchhandlung Kreh statt. Die Umschlaggestaltung geht auf den Winnender Computerdesigner Siggi Beck zurück.

Bibliographie

Werk

  • Bütow, Friedhelm: Vom Aufbruch der Neuzeit zum Aufbruch ins planetarische Zeitalter. Norderstedt: BoD, 2014
  • Bütow, Friedhelm: Bismarcks Kulturkampf: „Nach Canosa gehen wir nicht!“. In: Damals, Heft 6 / Juni 1977
  • Bütow, Friedhelm: Giordano Bruno und sein Weltbild: „Dass die Erde nicht Mittelpunkt des Weltalls ist …“. In: Damals, Heft 9 / Sept. 1977
  • Bütow, Friedhelm: Der Tod des Sokrates: Der unbequeme Denker schuf die Grundlagen der
    abendländischen Philosophie
    . In: Damals, Heft 3 / März 1978
  • Bütow, Friedhelm: Der Fall Slánsky: Ein stalinistischer Schauprozeß in der ČSR im Jahre 1952. In: Damals, 1. Teil, Heft 9 / Sept. 1979, 2. Teil: Heft 10 / Okt. 1979
  • Bütow, Friedhelm: Den Entdeckern der Sonnenflecken: Der frühe Blick durchs Teleskop (David und Johannes Fabricius). In: Damals, Heft 1 / Jan. 1984
  • Bütow, Friedhelm: Unter der Perücke fehlte der Kopf: Joseph Haydns Schädel auf makabrer Odyssee. In: Damals, Heft 3 / März 1988
  • Bütow, Friedhelm: „Der größte Skandal der Christenheit“: Galileo Galilei und sein Prozess. In: Damals, 1. Teil: Heft 1 / Jan. 1992, 2. Teil: Heft 2 / Febr. 1992
  • Bütow, Friedhelm: Was ist Aufklärung II? Frei nach Immanuel Kant. In: „Solarzeitalter“ – Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien, Heft 4 / 2006, 18. Jahrgang
  • Bütow, Friedhelm: Die kopernikanische und die solare Revolution – eine erhellende Parallele. Zur Kultur der Erneuerbaren Energien aus historisch-politischer Perspektive. In: Solarzeitalter – Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien, Heft 3 / 2007, 19. Jahrgang
  • Bütow, Friedhelm: Von der subversiven Macht der Sprache und Aufklärung. In: Solarzeitalter – Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien, Heft 3 / 2010, 22. Jahrgang
  • Bütow, Friedhelm: Kopernikus, Hermann Scheer und die Energierevolution. In: Solarzeitalter – Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien Heft 3/4 2019, 31. Jahrgang

Sekundärliteratur und Quellen