Trinken

Trinken und Getränke in Literatur und Kunst

Ale

Das englische Ale, das sich in den Braukulturen des slawisch- und germanischsprachigen Raums nicht durchzusetzen vermochte, in Frankreich hat es zeitweise eine gewisse Beliebtheit unter Literaten genossen, wie ein Charles Baudelaires an Alfred de Vigny bezeugt, in dem Baudelaire einem Gespräch brieflich Einiges über das in Paris erhältliche Ale nachschiebt: "Wenn man mit Ihnen zusammen ist, vergißt man sich so sehr, Monsieur, daß ich es gestern versäumt habe, Ihnen Genaueres über das gute Ale und das schlechte Ale zu sagen. Da Sie es mit dieser Dlät versuchen wollen, hüten Sie sich wie vor der pest (das ist keine Übertreibung; ich war krank davon) vor jeder Flasche mit dem Etikett Harris. Das ist das reinste Gift!".

 

Angostura

Angosturabitter wird aus der Rinde des Angosturabaums (Cusparia febrifuga) sowie aus Bitterorange, Gewürznelken, Kardamom, Enzianwurzel und Chinarinde hergestellt. Von Johann Gottlieb Benjamin Siegert, im venezolanischen Befreiungsheer mitkämpfend, ursprünglich als Tropenmedizin für die Truppen Simón Bolívars erfunden, wurde Angostura nach der Einführung in London (1862) auch in Europa populär - wegen seiner Bitterkeit allerdings nur zu Würzzwecken. Erwähnt wird er in Carl Zuckmayers Cognac im Frühling: der Sprecher erscheint als Wasserleiche im Cognac-See und als "Ein Freund der bittren Angostura-Unken."

 

Bier

Mythos Bier, Bier im Mythos. In der von Griechenland und Rom geprägten mythologischen Überlieferung des Okzidents kommt das Bier kaum zur Sprache: Bakchos und Dionysos beherrschen das Feld. Anders im altorientalischen Epos: im Epos des Hochkönigs von Uruk, Lugalbanda, auf die Biergöttin Ninkasi werden die Wirkungen des Getränks überschwänglich geschildert: "Ninkasi, die Kluge, Zierde ihrer Mutter, / Ihr Maischbottich ist aus grünlichem Lapislazuli / Ihr Krug für das Bier ist aus geläutertem Silber und Gold. / Wenn sie beim Bier steht, wird es prächtig, / Wenn sie neben dem Bier sitzt, bereitet es Freude." Einen Mythos zur Erfindung des Biers bringt auch Hans Sachs, der seinem "Schwanck" ein wegweisendes Argumentum vorausschickt: "Wer erstlich hat erfunden bier / Und der vollen brüder thurnier." Dieser Kulterheros und König von Flandern und Braband, Jamprinius mit Namen und ein Zeitgenosse Jakobs, lehrt also seine Untertanen die Bereitung des Biers vom "acker-pawn, / dungen, ackern unnd beseen" über das "maltzen und wenden, / Derren und malen" zum "prewen". Der Grund dafür ist einleuchtend: in "Niederland" sei der Weinanbau schlicht nicht möglich. Doch, so verkünde die "Chronica", habe Bacchus bald nach der Begründung des Weinanbaus in Griechenland die Deutschen das Bierbrauen gelehrt, zuerst in "Liefland, Sachsen, Meichsen und Hartz".

Bierzucht. Mit der oft gerühmten Eigenschaft des Biers, Durst zu stillen und Durst wieder zu wecken, geht die Verführung zum Übertrinken einher. Den närrischen Brauch, Unmengen Biers ohne Sinn und Verstand in sich hineinzuschützen, ihn beklagt schon Sebastian Brant in seinem Narrenschiff: "Die Biersäufer dazu ich meine, / Wenn einer trinkt 'ne Tonne alleine / Und wird dabei so toll und voll - / Man stieß mit ihm die Türe auf wohl. ein Narr muss saufen erst recht viel, / Ein Weiser trinkt mit Maß und Ziel / Und ist dabei doch viel gesunder, Als wer's mit Kübeln schüttet runter."

Bierlyrik. Im Angesicht der anakreontischen Lyrik, dem Wein gewidmet, verblasst die dem Bier zugeeignete Dichtung. Das gilt inbesondere für das bekannteste deutsche Bierlied, das mit seiner Fülle hinterer Vokale dem angeschlagenen Trinker das Gröhlen zu erleichtern scheint: "Bier her! Bier her! oder ich fall' um, juchhe! / Bier her! Bier her! oder ich fall um! / Soll das Bier im Keller liegen / Und ich hier die Ohnmacht kriegen? / Bier her! Bier her! oder ich fall' um!". Im Gegensatz zum Wein, der in seiner Geistigkeit den Sänger erhebt und beflügelt, wirft das Bier den Trinker nieder und lässt ihm Harfe, Lyra oder Gitarre entgleiten - die Zunge macht es schwer, die Liebe zu Laura oder Philomele schäumt es weg. In einer satirischen Ode Eduard Mörikes, hinterlistig An Philomele überschrieben, bekommt der Sänger beim Singen Durst und verabschiedet sich von der Geliebten: "Verzeih! im Jägerschlößchen ist frisches Bier / Und Kegelabend heut: ich versprach es halb / Dem Oberamtsgerichtsverweser, / Auch dem Notar und dem Oberförster.". Ein Trinklied Carl Michael Bellmans, das Rezitative mit liedhaften Strecken kreuzt, lässt den Sprecher in der Mitte der Trinkbrüder auftreten: "Siehe, ich bin es, der die Kanne leer macht, und du bist es, die sie füllt. Und ihr, geliebte Brüder, seid es, die das Bier bestellt, auf daß es uns am Saft nicht fehle." Das Motiv des lebens- und kraftspendenden Tranks nimmt Bellman in der zweiten Liedstrophe auf: "Ohne einen Tropfen / kann es [das Herz] nicht mehr klopfen. / Hopfen / wär verloren und Gefecht."

Bierlokale. Im Gegensatz zu den Restaurationen und Cafés der Oberschicht ist in den Bierkellern, Wirtshäusern, Kneipen und Pinten die Unterschicht zuhause - im Gegensatz zum Biergarten, der ein Schnittpunkt unterschiedlicher Schichten ist. Ein Berliner Bierlokal als Inbegriff der Gemütlichkeit schildert Robert Walser in seiner Erzählung Aschinger - der bunt gemischte Verkehr in dieser Lokalität lädt ebenso zum verweilenden Betrachten ein wie die Schlaraffenhaftigkeit der zum Bier gereichten Speisen: "Immer wimmelt es ein und aus von eßlustigen und satten Menschen. Die Unbefriedigten finden rasch an der Bierquelle und am warmen Wurstturm Befriedigung, und die satten springen wieder an die Geschäftsluft hinaus, [...]." Das Bierlokal erscheint im Großen und im Kleinen als Bühne: die Wurstdame erscheint als "junge Königin", als "Beherrscherin der Würste", die belegte Stulle als "Brotbett mit einer schlafenden Sardelle darauf". Die geistige Mitte und Mitte der Behaglichkeit einer Bierstube ist der Stammtisch, an dem - Ludwig Speidel formuliert es - "der Wunsch, sich bei einem Glase Bier behaglich zu unterhalten ... vielerlei Leute" zusammenführt. Das Getränk, das die Unterschiede mehr als jedes andere einebebnet, ist das Bier: "Man braucht das Bier nicht zu überschätzen, um ihm gut zu sein. Wasser ist unvergleichlich, und Wein, der Wärmer Leibes und Geistes, steht unendlich höher, Bier aber (von bibere, trinken) ist das geistige Getränke, schlechthin. Es ist bürgerlicher, geselliger Natur und kann, wie unsere nächsten Brüder, die Altbayern, beweisen, ohne bestimmte Grenzen getrunken werden. Es ist weich, einschleichsam, süffig und besitzt die Eigenschaft, den Durst zu stillen und ihn wieder zu wecken, so daß seine dialektische Begabung, Widersprüche abwechselnd hervorzurufen und zu schlichten, die natürlichere Widersacherin einer frühen Polizeistunde ist (Ludwig Speidel: Ein Wiener Stammtisch, in: Schriften, Bd. 2: Wien, S. 272).) Dem Stammtisch wiederum ist im deutschsprachigen Raum unwiderruflich das Urteil angehängt worden, hier werde gleichsam auf Stammtisch-Niveau debattiert: Weltpolitik wird perspektivisch verkürzt und verkleinert, bis das im Gespräch erzeugte Bild politischen Lebens in seiner Verzerrtheit nicht mehr viel Wahrheit besitzt. Literarisch wird das schnell-unbedachte Hin und Her der Argumente und Belege oft durch lakonische Kürze und durch die Vermengung mit Handreichungen ironisiert. Dem Tod des Realitätenbesitzers Josef Seilinger lässt Ludwig Thoma in seiner Erzählung Der letzte Abendschoppen aus den Kleinstadt- und Künstlergeschichten ein Stelldichein am Stammtisch vorangehen: "Er war wie alltäglich beim Sternbräu zum Abendschoppen eingekehrt, trank mit sichtlichem Behagen seine drei Maß Bier und sprach sich mit gewohnter Lebhaftogkeit über die Schlechtigkeit der preußischen Zustände aus.".

Der Brauer. Wie viele andere dem Bier verbundene Personenkreise ist das Geschlecht der Bierbrauer in der Literaturgeschichte fast ausnahmslos eine Reihe versoffener, verfressener, großspuriger und handfester Gesellen. Eine beißende Satire auf diesen Typus hat Carl Zuckmayer formuliert in Der Seelenbräu - eingeführt wird von der Kontrastfigur des mageren Schneiders Matuschek, der bekannt macht, er verbrauche gut das "doppelte Maß an Bockshaut", wenn er Herrn Bräu, so heißt der Bierlöwe, eine Hose zu fertigen habe. Damit nicht genug: "Er konnte fluchen wie ein Viehtreiber, rülpsen wie ein Walroß, das man mit Bier und Radi gefüttert hat, und seine Sprache war nur für geborene Köstendorfer verständlich. Er liebte die derbsten Witze und den unartikulierten, lallenden Gesang der angetrunkenen Bauern, ihr Schreien, wenn sie den Tanz 'einsprangen' [...]. Mit all seinen noblen Passionen und ihren üppigen Auswüchsen war er kein grobian, kein Kaffer, kein ordinärer Mensch." So kommt es, dass er mitnichten sein eigenes Bier trinkt, das 'Köstendorfer Spezial', sondern für sich und seinen Stammtisch das zart-bittere Pilsener aus Böhmen kommen lässt.

Bier, Hefe, Temperament. Nicht selten wird Bier in der Literatur als das Getränk derer dargestellt, deren seelische Hefe schnell überschäumt. Der Biertrinker ist vierschrötig, untersetzt, grob, ausfällig, aber auch ehrlich, treu und in seiner Ungeschlachtheit liebenswert. Nicht selten dominiert eine dieser Seiten, wie man an Oskar Maria Grafs Neithart erkennt, dessen großspuriger Spott über die mäßig erfolgreiche Wirtschaft die Wirtsleute und die Bedienung in Verlegenheit stürzt: "Wie Schulkinder trumpfte er sie nieder." (Bierstüberl zu verkaufen). Auf Bier als Mittel der Kontrastbildung spielt auch Franz Werfels Ich-Erzähler aus dem Stern der Ungeborenen an: der reichlich mit Dollars ausgestattete Reisende gelangt ins "Brauhaus zum Mittelpunkt", in dem "die Gäste ringsum braunes Bier aus steinernen Krügen tranken". Der Erzähler bestellt sogleich selbst ein Bier und bemerkt: "Es dauerte nicht lange, und das schaumgekrönte dunkle Bier im Steinkrug stand vor mir auf dem Tisch. Ich tat einen langen leidenschaftlichen Zug. Die wilde Befriedigung, die der Trunk in mir auslöste, war nicht zu vergleichen mit derjenigen, welche ich gestern nach dem Genuss der heidnischen Mahlzeit von Wasser und Käse, der christlichen von Wein und Brot und der jüdischen von Milch und Honig genossen hatte."

Bier, das Getränk der Deutschen. Mehr als jedes andere Getränk steht das Bier für die Deutschen; im alten Bild von der überkochenden Völkerküche hat man den deutschen Bietrinker hinzugefügt. Aber auch in der nationalen Literatur wird das Bier bald zum Ausweis deutscher Kultur. In Karl Mays Im Lande des Mahdi kehrt der deutsche Erzähler in ein Bierlokal ein, in dem neben englischem auch deutsches Bier ausgeschenkt wird: "Bira, ingliziji we nimsawiji". Nach einer Burleskenszene, in der einem älteren Osmanen der Bart angesengt wird, erkennt man den Erzähler als Deutschen und lädt ihn zu einem österreichischen Bier ein: "Der Mann trank jedenfalls nicht zum ersten Mal mit einem Abendländer, denn er stieß ganz regelrecht mit mir an. Es war Pilsener Bier, ja wirklich Pilsener, und wenn ich mich nicht irre, aus der bürgerlichen Brauerei! Liebster Orient, es wird mir langsam angst um dich! Aber trinke nur weiter, trinke immer Bier; das ist besser als der scharfe Araki, der dir das Blut vergiftet und die Nerven tötet, obgleich Mohammed ihn nicht so wie den Wein verboten hat!". Ein sarkastisch politisches Gedicht hat Georg Herwegh 1866 dem Nürnberger Bierkrieg gewidmet. In Nürnberg waren den Brauern nach einer Preisanhebung für Bier die Fensterscheiben zertrümmmert worden. Herwegh meint spöttisch: "Heil uns, daß noch ein deutscher Mann / Steht auf der Freiheit Wache! / Daß er sich noch begeistern / kann / Für eine große Sache!" (Der Nürnberger Bierkrieg).

Bier, das Männergetränk. Zumindest im Deutschland der Gegenwart gilt das Bier als ein Getränk, dessen Genuss den Trinker vermännlicht - physiologisch sicher zu Unrecht, enthält Hopfen doch einige in ihrer Wirkung noch umstrittene Phytoöstrogene. Bertolt Brecht spielt darauf an, wenn er im Liedchen aus alter Zeit (nicht mehr zu singen!) den familiären Bierkonsums als Abzählvers vorstellt: "Eins. Zwei. Drei. Vier. / Vater braucht ein Bier. / Vier. Drei. Zwei. Eins. / Mutter braucht keins."

Suff und Komment. Mehr als andere Getränke hatte das Bier seinen festen Sitz im Leben des studentischen Lebens, und man darf sagen: es hat ihn noch, wo Verbindungen und Burschenschaften unterschiedlicher Couleurs ihre Trinkbräuche pflegen und erneuern. Arnold Zweig beschreibt in seiner Erzählung Allah ein solches Zusammenkommen von jungen Studierenden beim Kneipen: "Der Präside schlug mit dem Säbel - einem langen krummen Säbel mit großem Korb - schmetternd auf den Tisch, bedeitungsvoll, wie ein Häuptling wilder Völkerschaften mit dem Speer den dröhnenden Schild schlägt, rief, das männliche Zeichen auslegend: 'Silentium ex! Ein Schmollis den Sängern und der famosen Kapelle!' und verschlang das Bier in seinem Glase. 'Prost!' schrien alle und hoben ihm ihre Krüge entgegen, freudig und anerkennend, 'Prost, Allah!', und lautes Reden brach allgemein aus." Biermimik: erheiternde Anekdoten politischen Inhalts, zeitgeschichtlich!

Bier her, Bier her! Im Gegensatz zu manch anderem geistigen Getränk sagt man dem Bier nach, es trübe den Verstand und verderbe die Sitten. Der Wein sättigt, vor allem, wenn er recht trocken ist - das Bier jedoch regt den Durst weiter an, und so herrschen im überzechten Bierlokal bald die schlimmsten Sitten. Die Bauern auf niederländischen Genreszenen, bei Adriaen Brouwer und anderen, prosten einander mit schäumendem Hefeweizen zu, ein Bild, das auch in Schwänken der frühen Neuzeit nicht selten ist. Ein anschauliches Bild solcher Bierunseligkeit zeichnet Hans Sachs in einem seiner Schwänke - er bedient sich der in seiner Zeit nicht seltenen Katalogtechnik. Jedem Laster, das der Biergenuss hervorbringt, ist eine von insgesamt zwölf Figuren zugeordnet, die den verschiedenen Lastern fröhnen. Der erste "hindter dem tisch endschlieff", der zweite war "stüdvol", der dritte lässt sich "Bey dem ofen auff die leckpenck" sinken: "Der vierdt mit farten macht ein gstenck. / Dem fünfften thet das bier auffstosen. / Die thür, das er pfercht in die hosen. / Der sechst grölzt, thet den sewen locken. Der sibend warff ein hauffen procken. Der achte thet nach spielen schreyen, / Man solt im würffel und karten leyen. / Der neundt pruntzt undterm tissch herfür, / Das es run zu der stuben-thür." / Der zehend juchtzet, schray und sang. / Der aylfft saß und sach leichnam strang / Unnd auch nur immer palgen wollt. / Der zwelfft der schrey, man rechen solt." Kurz und gut: sie "glotzten all wie die gaißböck." Bemerkenswert ist, dass Sachs seinem Saufgelage, das freilich zur Mäßigkeit erziehen soll, die Form eines Turniers gibt. Jeder der Bierhelden führt eine Devise, die er vor dem "Anreiten" auf den jeweiligen Gegner als Blason zum Besten gibt: "Gut gsell, es gilt dir."; "Frisch her zu mir!". "Schenck, lieber, schenck ein!"; "Bring frisch bier herein.".

 

Chicha, Maisbier

Chicha, Verbuschung. In Thornton Wilders Die Brücke von San Luis Rey verfällt die kastilische Adelige Doña Maria dem Chichagenuß. Nachdem sie der Pflicht nachgekommen ist, ihren Verwandten in der spanischen Heimat einen Brief zu schicken, schließt sie sich mit einigen Karaffen des süßen Maisbiers ein und betrinkt sich bis der nächste Brief ansteht.

 

Cognac

Cognac mit seinem rauchig herben Geschmack erscheint bei Carl Zuckmayer (Cognac im Frühling) als magische Giftbrühe, die den Trinker zu einer Arcimboldo-Figur des Frühlings umformt, der Seidelbast aus dem Herzen wächst und dem der "wilde Rebstock ohne Rast" aus "allen Poren / Sproßt". Der Sprecher erscheint als Wasserleiche: "Ich bin im braunen Cognac-See ertrunken." Die Bräune des Cognacs ist hier zugleich das gewohnte Braun der Melancholie.

 

Enzianschnaps

Enzianschnaps, hergestellt aus der Wurzel des gelben Enzians (Gentiane hutea) ist aufgrund seiner enormen Bitterkeit nur als Heilmittel oder Getränkezusatz zu gebrauchen. Dennoch wird er auch getrunken. Den selbstquälerischen Genuss des Enzianschnapses schildert Carl Zuckmayer in seinem Gesang vom bitteren Enzian: "Bedenk, o Mensch, wenn du aus kleinen eckigen Gläsern / Den klaren Enzianschnaps in deine Gurgel sprengst: / Wie zwischen Felsgeschrot und mageren Alpengräsern / Die Wurzel wuchs , von der du (eh' du's denkst) / Den großen Oberbootsmannsrausch empfängst." Beim Trinken des Enzianschnapses, so Zuckmayer weiter, spüre man, "Wie kieselhart der gelbe Enzian ringt" und auch im Leib des Trinkers weiterkämpft.

 

Gin

Gin, Getränk der Abenteurer. Gin ist das Getränk der Soldaten und der Seefahrer. Gebraut aus Getreide oder Melasse, angesetzt mit Koriander oder Wacholderbeeren, kann er Wunden desinfizieren oder die Tageslast vergessen machen. Von "Käptn Byebye aus Shanghai" sagt Fritz Grasshoff in Käpn Byebye, er sei zwar ein "Lumpenstrumpf", ein "Satanskloß", und steche schon mal einen nieder, aber das habe seine Gründe: "Das kam vom Gin, der saß ihm im Blut, / Der gab ihm den Rest. / Aber sonst war er von Herzen gut / und fromm und bibelfest."

 

Ginger Beer, Ingwerbier

Für viele deutsche Englandreisende ist der erste Genuss von Ingwerbier eine Offenbarung - für manche eine lustvolle, für andere eine mit Unlust gepaarte. Auch Franz Grillparzer erwähnt das Getränk in seinen Reisetagebüchern: "Da ich keines der hiesigen geistigen Getränke vertragen kann und Wasser am Brunnen auch nicht zu schöpfen wußte, so trank ich ein Glas Ginger-Bier, was mich erquickte, und mir sehr wohl bekam. Will dieses Zeug zu meinem Getränke machen."

 

Sake (Reiswein)

Der Genuss von Reiswein wird bei Ootomo Tabito zum Gegenbild kopflastigen, einseitigen Disputs. Er ist beib Tabito ein Symbol der Lebensfreude: mit "Reiswein in allen Poren" lebt es sich besser als mit "Tiefsinn". Auch beim Wein in der chinesischen Dichtung handelt es sich oft um Reiswein; wegen der symbolischen Gleichwertigkeit des Getränks zu seinem europäischen Gegenstück wird es hier meist unter "Wein" behandelt. Von Du Fu gibt es ein Gedicht (Heimkehr zur kleinen Strohhalle am Ort meines Exils), in dem er den Wunsch ausspricht, in einer kleinen Strohhalle am Fluss langsam Wein schlürfend zu altern. Du Fu fragt an anderer Stelle (Bei sinkender Sonne), wer den "Reis vergoren" habe und fügt hinzu: "Ein Schluck, und die Gedanken sind dahin, die mich verwirrn."

 

Schnaps, Branntwein

Schnaps, Getränk der Unterschicht. Schnaps, rein genossen, ist in der Dichtung nicht selten ein Getränk zweifelhafter und elender Gesellen - ein Unterschichtentrank. "Nicht immer diese hellen Schnäpse saufen" möchte etwa der Sprecher in Franz Josef Degenhardts Weintrinker, der in dubiosen Kneipen seine Zeit vertut. Auch in Theodor Kramers Gedicht Die Schnapshütte versammeln sich zum "höllischen Schnaps" die Unehrlichen, die Tunichtgute: "Wer hier herkommt zu trinken, der kommt schon am hellichten Tag, / und der Durst, der den Brenner, den Häusler, den Schinderknecht plagt, / ist ein Durst, der den Schlund so lang würgt und den Gaumen zerbeißt, / bis der Rausch ihm die Hirnschale füllt und zu Boden ihn schmeißt." Zum Schnaps wird in dieser Welt deftige Hausmannskost gereicht: "Schweigsam hocken sie alle am Tisch in der Rund / und sie stopfen mit Lauch und gepfefferter Roßwurst den Mund [...]". Bertolt Brecht stellt in seiner Ballade Vorbildliche Bekehrung eines Branntweinhändlers die Wandlung eines ins Ekelhafte verzerrten Branntweiners vor: "in seinem schwammigen Gehirne / Sucht ein böser Traum ihn heim." Von sieben Kinderengeln umringt, sieht er plötzlich die Leichen von vierzehn Waisenkindern flussab treiben, deren Zahl er - die Trunkenheitslogik umkehrend - auf wiederum sieben verringert; hilflos blickt er umher, sieht sich aber von Schnapssäufern umgeben, die sich "voll Schnaps und blind" um ihre Seligkeit singen. Vor dem himmlischen Gericht, so endet der Traum des Branntweinhändlers, kann er nicht bestehen. Der Erwachende schwört, künftig mit seinem Vermögen, dem "segenlosen Schmutzgeld" nur noch "für Waisenkinder / Säufer, Greis und Dulderin" zu wirken.

Schnaps, das Betäubungsmittel. Häufig erscheint der Schnaps als Gegenstück zum stärkenden Bier und zum berauschenden Wein als harter Weg zum Vergessen. Theodor Kramer fasst es in Wer zum Branntweiner kommt so: "Wer zum Branntweiner kommt, der will seinen Frieden, / will nichts von sich wissen, als wär er verschieden; / da hilft ihm kein Bier, da hilft ihn kein Wein, / drum schenkt ihm sein Spitzglas der Branntweiner ein." Im Gebet für Trinker erfleht Malcolm Lowrys Sprecher von Gott selbst, er möge den Elenden Schnaps bescheren: "Gott, gib duesen Säufern Schnaps, wenn sie beim ersten Licht / in Satans Armen lallend um sich spähen / und einmal mehr mit trübem Auge durch die Fenster sehen / den Tag, der furchtbar auf sie niederbricht." Christian Friedrich Daniel Schubart feiert in seiner Hanswurstiade auf den Branntwein (Branntewein eines Schusters) den Wein als Freudenbringer und Sorgenvertreiber: "Beim Gläschen Branntwein, / Fällt keine Schuld mir ein." Nach einem einführenden Strophenteil, der den Anlass zum Trinken und dessen Frommen bietet, folgt eine lautmalende Wortkaskade ("Gluck, gluck ---"), am Ende der Strophe steht ein pointierter Zweizeiler zum Lob des Branntweins.

 

Tee

In der Literatur Ostasiens. Schon früh haben sich chinesische Literaten mit der Kunst des Teetrinkens (chá dào) befasst: das illustrierte Teebuch des Lu Yü stammt aus dem 8. Jh. und hat zahlreiche Nachfolger gefunden bis hin zu Xu Zishu Von Lo Tung gibt es ein Gedicht, das die sich steigernde Wirkung des Tees an der Anzahl der getrunkenenen Tassen misst: vom Befeuchten zum Verscheuchen der Einsamkeit, gefolgt von der Durchdringung des ganzen Leibes; auf die vierte Tasse folgt leichter Schweiß, auf die fünfte die Läuterung; die sechste ruft den Teetrinker ins "Reich des Unvergänglichen". Nach der siebten fliegt der Sprecher mit dem Horaisan hinweg. In der japanischen Lyrik ist insbesondere der Weg zum Teeraum, weniger das Teegerät von Bedeutung. So schreibt Sen Sôeki Rikyû: "Ob es vorhanden, / ob nicht, gutes Teegerät, / wie unwesentlich! Der allein wahre Tee-Weg bedarf nicht dieser Dinge.

Tee und Fremde. Die fremdländische Herkunft des Tees mit ihren vielfältigen Wirkungen ist immer wieder Gegenstand europäischer Literaten geworden. Im Gold des Tees oder im Dampf, der sich aus der Kanne erhebt, erkennt man die fernen Länder Ostasiens. So, wie der Kaffee das Getränk der Orientalen ist, ist der Tee ein Symbol des fernen Ostens. Überdeutlich ist das im Liebesduett Lisas und des chinesischen Prinzen in Franz Léhars Das Land des Lächelns, wo sich die "Europäerin" und der "Mandarin" beim Teetrinken näherkommen. Der Prinz beteuert zunächst, dass ihm Tee weit besser schmecke als Sekt; der Teegeruch vermische sich, komplimentiert der Prinz, mit dem Hauch aus dem Haar des Fräuleins, und beide singen: "Aus dem silberweißen Rauch / Steigt ein duftig weißer Hauch." Auch der Tee, von Fremden auf befremdliche Art in der Fremde getrunken, kann zum Spiel mit Nähe und Entfernung einladen. In der deutschen Literatur über Russland sind Anspielungen auf die russische Teekunst unvermeidlich. Auch Ernst Egon Kisch widmet eine Stelle aus Zaren, Popen, Bolschewiken der russischen Tschainaja, in dem man "aber oh weh", so der spöttelnde Binnenreim, tatsächlich nur Tee bekommt. Der sich künstlich verwundernde Erzähler der Reportage bezieht die schweißtreibende Teetrinkerei auf die ebenso unverständliche Tradition des Saunierens und schließt: "So etwas muß es sein, was sie zum Teetrinken veranlaßt. Oder aber, sollt es möglich sein?, schmeckt es ihnen, auf einem Sit viele Liter heißes Wasser in sich hineinzuschütten?".

Teezeremoniell und Liebesreigen. Wer anderen eine Tasse Tee reicht, der tut dies, was die alten Griechen mit dem Wurf eines Apfels ausdrückten: er macht ihm - oder ihr - Avancen. Gerade die Grazie der Frau beim Auftragen des Tees wird wiederholt zum Gegenstand literarischer Darstellung, so etwa in Honoré de Balzacs Tante Lisbeth: "Von der im kalten Tone ausgesprochenen Frage an: 'Nehmen Sie Tee? Wünschen Sie Tee? Eine Tasse Tee?', von dem der Dienerin erteilten Auftrag, Tee zu bringen, an - bis zum gewaltigen Gedicht der vom Teetisch kommenden Odaliske, die dem Pascha ihres Herzens mit unterwürfiger Miene und zärtlich zitternder Stimme, mit Blicken voll wollüstiger Versprechungen eine Tasse Tee anbietet -- aus dieser Skala der Nuancen im Benehmen könnte ein geschickter Psychologe alle Empfindungen des Weibes herausanalysieren [...] geringschätzig bis zur Beleidigung oder demütig bis ins Sklavenhafte des Orients." Doch kann der Teegenuss den Liebesgenuss auch verzögern, hinausschieben, und im Verzögern steigern, wie es Katherine Mansfield in ihrer Erzählung Psychologie vorführt. Vergleichbar der Stelle in Balzacs Erzählung wird die den Tee bereitende Frau zur Orientalin, zur "vollendeten kleinen Chinesin". Auf das Ziel der Konversation ist alles bezogen, auch das Pfeifen des Teekessels wird als Liebesduett gedeutet: "Zwei Vögel sangen in dem Kessel: [...]". Auch Mr. Cleveland, der Dozent aus Barbara Pyms Roman Tee und blauer Samt, führt seine Lieblingsschülerin Barbara zum Tee aus, um das Verhältnis zu vertiefen.

Tee als Symbol der Weile. Die Zubereitung von Tee erfordert Ruhe; Tee zieht, und in dieser Zeit bedarf der Teetrinker der Ruhe. In Karl Krolows Band Deutschland, deine Niedersachsen wird die friesische Teestunde und die Behaglichkeit, die sie herbeiführt, zum Symbol nördlichen Seelenfriedens: "[...] die Teestunde hat mehr als sechzig Minuten. Sie scheint überhaupt nicht metronomisch begrenzt. Man trinkt Tee in Ruhe. Man trinkt ihn gründlich. Wie man hier gründlich arbeitet und lebt. Geduld gehört dazu." Den Teegenuss als vorbereitende Handlung einer familiären Aussprache, die ja gleichfalls Zeit braucht, setzt Thomas Mann in Die Betrogene vor das Gespräch zwischen Tochter und Mutter.

Tee, Erinnerung, Weissagung. Aus der Gestalt und Lage des Teesatzes wird verschiedentlich die Zukunft gelesen. Aber auch das Schweben der sich ins heiße Wasser entfaltenden Teeblätter wird in der Dichtung zum Bild: das Kreiseln der Blättchen wird etwa zur Allegorie des menschlichen Getriebenseins. In Prousts Swanns Welt aus der Recherche du temps perdu wird der Ich-Erzähler nicht nur durch den Geschmack des mit Kuchen zusammenkommenden Tees an seine Jugend erinnert, die ganze Vergangenheit bildet sich im Schillern des Teewassers, im Treiben der Blättchen ab. Das Teeglas, in dem die Stürme des Lebens sich im Kleinen abbilden, regt zur Betrachtung der Verhältnisse im Großen an: "Und wie bei den Spielen, bei denen die Japaner in eine mit Wasser gefüllte Porzellanschale kleine, zunächst ganz unscheinbare Papierstückchen werfen, die, sobald sie sich vollgesogen haben, auseinandergehen, sich winden, Farbe annehmen und deutliche Einzelheiten aufweisen, zu Böumen, Häusern, zusammenhängenden und erkennbaren Figuren werden, ebenso stiegen jetzt alle Blumen unseres Gartens und die aus dem Park von Monsieur Swann, die Seerosen auf der Vivonne, die Leutchen aus dem Dorfe und ihre kleinen Häuser und die Kirche und ganz Combray und seine Umgebung, alles deutlich und greifbar, die Stadt und die Gärten auf aus meiner Tasse Tee."

Tee und Häuslichkeit. Wo im Eigenheim Tee kredenzt wird, da ist - zumindest in der europäischen Erzählliteratur - die Welt in Ordnung; oder sollte es sein. Marlene Haushofers Bibliothekarin Johanna, "eine sehr ordentliche kleine Person", die sich die Titel von Büchern nur mit Mühe merken kann, entzieht sich dem bibliothekarischen Alltag beim Tee: "Sie trank den Tee in kleinen Schlucken und spürte den Geschmack der Brötchen auf der Zunge. Manchmal schmeckte die Butter etwas ranzig, und Johannja konnte sich auf den nächsten Tag freuen, wenn sie wieder frisch sein würde."(Das kleine Glück, Erzählung). Auch bei Dickens, in Oliver Twist, lädt die Bereitung eines Schwarztees und das Hantieren mit der "Zwei-Unzen-Teebüchse" und dem kleinen, nur zwei Tassen fassenden Teetopf zum Räsonieren über die menschlichen Verhältnisse ein. Die Teezeremonie, die Mrs. Corney inszeniert, steht im krassen Widerspruch zu der von Kälte und Unerbittlichkeit geprägten Welt des Waisenhazses, dem sie vorsteht.

Tee und seine (Neben-)Wirkungen. Von den überaus starken Wirkungen unverdünnten Tees erzählt Tolstoj in der Kreuzersonate: "Er steß wieder ein paar seltsame Töne hervor und griff dann nach seiner Teekanne. Der Tee war sehr stark, und es war kein Wasser mehr da, ihn zu verdünnen. Ich fühlte, daß die zwei Gläser, die ich gwetrunken, meine Nerven sehr stark erregt hatten." Gerade deshalb, weil der Tee den häuslichen Frieden veranschaulicht, wird er leicht zum Mordmittel. Dazu trägt bei, dass er mit Milch und Zucker verdächtige Beigeschmäcker zu unterdrücken vermag. In Claire Golls Roman Arsenik etwa vergiftet die Hauptfigur Susanne die kleine Malou mit Arsenik: "Ein eventueller verdächtiger Geschmack wird durch den Zucker versüßt, die Milch aber macht den Tee wolkig, so daß Gaby nicht auf den Grund der Tasse sehen kann [...]." Eigenartige Nebenwirkungen zeitigt auch der Tee, den bei Friedrich Glauser drei alte Damen gewohnheitsmäßig trinken und auch ihren Gästen verabreichen: "'Ja, ich flog also, es war ein richtiger Flugtraum, und sicher hatte der Tee daran Schuld." (Der Tee der drei alten Damen, S. 238). Als Mittel der Inspiration benötigt Tschechovs Krasnuchin aus der Erzählung Pst! Tee - den er mit einem Beefsteak bei seiner Frau Nadja ordert: "'Tee - das ist das einzige, was mich bei der Arbeit erquickt.'"

Tee und Müßggang. Tee trinken die, die Zeit haben. Zeit aber ist ein kostbares Gut und denen vorbehalten, die Geld haben. So wird der Tee, spricht man in der Vergangenheit über die Upper Tenthousand Englands, zum Ausweis ihrer Kultur wie der "stiff little finger", einer Kultur, die bei George Tabori in Ein guter Mord eine veräußerlichte Genusskultur ist: "Man konnte hören, wie der Toast zwischen den Zähnen krachte; ihre Körper entspannten sich, als sie sich der Lust des Teetrinkens hingaben. Noch weiter treibt es Joris Karl Huysmans, dessen Marquis zum Tee ebenfalls Toast mit Butter gereicht wird. Wie das ganze Erscheinen des Marquis einem Höchstgrad an Erlesenheit zustrebt, so trinkt er nur Erlesenes, erste Lese, und das auch nur beiläufig, appetitlos: "eine makellose Mischung aus Hsia Fan Yun, Mo Yu Tan und Chanskij, gelbe Teesorten, die von Sonderkarawanen aus China und Rußland gebracht worden waren. Er schlürfte diesen flüssigen Duft aus Chinaporzellan mit der Bezeichnung 'Eierschalen', so durchsichtig uned leicht ist es; und ebenso, wie er nur diese entzückenden tassen duldete, benutzte er als Besteck nur echt feuervergoldetes Silber, dessen Gold etwas abgeblaßt war [...]." (A rebours). Auch ein deutscher Dandy, Peter Altenberg, feiert beim Trinken den Vorgang der Teebereitung als sinnlich-kostbares Erlebnis: "Schon das Eingießen des guten Hochquellwassers in mein schönes weites Halblitergefäß aus Nickel macht mir Freude. Dann warte ich das Sieden ab, den Sang des Wassers. Ich habe eine riesige halbkugelige tiefe Schale aus ziegelrotem Wedgewood. Der Tee ist aus dem 'Café Central', duftet wie Almwiese, wie Kohlröserl und Gräser im Sonnenbrande. Der Tee ist goldgelb-strohgelb, niemals bräunlich, leicht und unbedrückend." Die Wirkung der Frau, stellt Altenberg bedauernd fest, steht hinter dem täglichen Sechsuhrtee weit zurück (Ich trinke Tee, aus: Sonnenuntergang im Prater).

Tee und höfische Artigkeit. Seit Heines berühmtem Teerunden-Gedicht ist der Begriff vom Teetisch mit der Vorstellung gezierter Salonkonversation verbunden. Insbesondere die Geräte des hochadligen oder bourgeoisen Umtrunks erfahren besondere Aufmerksamkeit: zum einen, weil sie auf Zierlichkeit angelegt sind und auf dem Teetisch zum Inbegriff der Eleganz werden, führt sie die ausgebildete Hand; zum anderen, weil sie materiell wertvoll sind, aus Porzellan bestehen und in ihrer Weiße das Silberbesteck unterstreichen; zum dritten, weil sie an China und die als überzarte Schicklichkeit des kaiserlichen Hofes erinnert. Damit ist zu rechnen, wenn Tolstojs Alexej Alexandrowitsch "chinesische Tassen und eine silberne Teekanne" vor sich hat (Anna Karenina, S. 621). Verächtlich sprechen zumeist die Romantiker von den Teegesellschaften, in denen sich der Kunstgeist des Rokoko in die Zeit des Naturempfindens hinübergerettet hat. Joseph von Eichendorffs Friedrich aus Ahnung und Gegenwart nimmt Teil an einer Teegesellschaft: "Friedrich kamen diese Poesierer in ihrer durchaus polierten, glänzenden wohlerzogenen Weichlichkeit wie der fade, unerquickliche Teedampf, die zierliche Teekanne mit ihrem lodernden Spiritus auf dem Tische wie der Opferaltar der Musen vor." Etwas zur sieht der Leser durch Friedrichs Augen, wie sich der Salon beim Tee zusammenfindet: "die Damen, welche sämtlich sehr ästhetoische Mienen machten, setzten sich darauf nebst mehreren Herren unter dem Vorsitze der Frau vom Hause, die mit vieler Grazie den Tee einzuschenken wußte, förmlich in Schlachtordnung und fingen an, von Ohrenschmäusen zu reden." Auch Heines Gedicht unterlegt seine lyrische Darbietung einer aristokratische Teegesellschaft mit kräftig ironischer Note: das Gespräch, an dem die Vertreter des Staates, der Herrschaft und der Kirche teilnehmen, hat die Liebe zum Gegenstand: wo Passion weilt, ist aber Liebe fern. Die Gräfin, die "dem Herren Baron" gütig ihre Dasse "präsentieret", ist nach Hofrätin und Fräulein das dritte Gegenbild des am Tisch fehlenden Liebchens.

 

Wein

I. Wein als kräftigender Trank. In einem kurzen Gedicht des Archilochos (Trunk zur nächtlichen Schildwache) fordert der Sprecher sein Gegenüber auf: "Lauf mit der Feldflasche über die Planken des eilenden Schiffes, / hebe den Deckel empor - los doch! - vom bauchigen Faß, / schöpfe den roten Wein von der Hefe!" Der Sprecher sucht im Wein Kräftigung zur Nachtwache. Horaz sieht den Wein als Mutmacher: "Du bringst die Hoffnung bangen Herzen wieder, / du stärkst dem Schwachen die erschlafften Glieder."

II. Wein als Tröster. Alkaios von Lesbos fordert von seinem Gegenüber "Becher zum Trunk" und bezieht sich auf die Einführung des Weingenusses durch Dionysos, den Sohn der Semele, "damit man vergäße das Leid!". In einem anderen Epigramm hält Alkaios fest, gegen Kummer helfe nur Betäubung: "Das beste Mittel bleibt, o Bykchis: / Wein sich beschaffen und sich betrinken." "Bakchos' feurigen Trank" empfiehlt Asklepiades gegen die Kypris (Aphrodite) und den Eros - der Wein soll die Begierde verlöschen lassen. Als "heitren Sorgenlöser" beschreibt Horaz den Wein. Martial fordert in einem Epigramm, das Geschäftliche doch auf morgen zu verschieben - der Ring besiegelt nicht die Freilassung eines Klaven, sondern die Eröffnung einer Flasche. Zum Hummerbankett lässt sich der Sprecher in einem Gedicht Li Bais (Der Hummer) den Wein reichen, um die Sorgen zu verscheuchen: "Trinke dreihundert Becher guten wein, / Und du wirst der Gattin Sorge ledig wie ein Junggeselle sein." In einem längeren Gedicht fordert der Sprecher ebenfalls dreihundert Becher Wein: "Ich will mit euch / den Gram von tausend Äonen etränken." An den Schenken wendet sich Hafis, wenn er dem "Quell der Jugend", dem Wein, die Kraft der Tröstung zuspricht: "Zween Becher bring in Eile, / Voll von reinem Rebenblute, / Das den Schmerz der Liebe heile!". Ein eindrucksvolles Bild für die lindernde Wirkung des Weins setzt Abdarrahman Dschami ein, wenn er schreibt: "Die düstre Tafel meines wunden Herzens / Sollst du mir sauber waschen, lieber Wein." In einer Ode Martin Opitz', die den kräftezehrenden Studien der platonischen Schriften im Angesicht des Todes allen Sinn abspricht und dem Wein das Privileg zuerkennt, redet der Sprecher einen Mundschenken an: "Hola / Junger / geh' vnd frage // Wo der beste trunck mag sein; // Nim den Krug / vnd fülle Wein. // Alles trawren leidt vnd klage // Wie wir Menschen täglich haben // Eh' vns Clotho fortgerafft // Wil ich in den süssen saft // Den die traube giebt vergraben." Ähnliches fordert der Sprecher in Johann Christian Günthers Studentenlied von seinem Mundschenk: "Komm, geuß der Sorgen Panazee, / Den güldnen Nektar in Kristallen!" Anakreon verspricht er seine Gefolgschaft und ergibt sich dem Trunk: "Werft Blumen, bringt Cachou und Wein / Und schenkt das Glas gestrichen ein / Und führt mich halb berauscht zu Bette!". In der französierenden Manier der Anakreontiker heißt seine Geliebte Brunette. Keine Brunette, aber doch eine "lächelnde Finette" betrügt in Friedrich von Hagedorns kehrremeindem Gedicht Der ordentliche Hausstand ihren Crispin nach Strich und Faden - er selbst "geht stelbst berauscht zu Bette" und muss weder das Geschwätz der Nachbarn noch sonstige Sorgen fürchten. Auch Ewald Christian Kleist weist die Neigung zur Grüblerei weiht von sich: angesichts des beständig lauernden Todes müsse man doch, das rät er seinem Trinkgesellen Damon, das Leben genießen: "Zehnmal füll ich schon mein Glas / Mit Liäens edlem Naß, / Noch reizt mich sein güldnes Blinken / Und die Freude wächst im Trinken." Das Gedicht Der Wein als Lumpensammler von Charles Baudelaire lässt aus dem "Labyrinth der Vorstadt dumpf und feucht" das Proletariat in die Weinstuben ziehen, wo er "der eitlen Menschheit zum Genießen" die Mühen des Tages im Rausch ertränkt und so zum "wahren König" wird. Baudelaire folgert, dass der Schlaf ein Geschenk Gottes, der ihn bewirkende Wein jedoch - "dem alten Fluch zum Hohne" - eine menschliche Erfindung sei. In einem kurzen Gedicht Johann Wolfgang Goethes mit der Anfangszeile Trunken müssen wir alle sein! heißt es: "Für Sorgen sorgt das liebe Leben, / Und Sorgenbrecher sind die Reben."

III. Wein und Mythos. A. Wein als Gabe des Dionysos. Pindar nennt den Wein "dionysischen Trank", von der "Semele Sohn" stammt der Wein auch nach Alkaios. Bakchylides spricht von der "dionysischen Gabe". Bei Horaz tritt Bakchos selbst als Mundschenk auf. Eben deshalb kann der Weingott bei den deutschen Anakreontikern die Maske des Trinkers abgeben: der Sprecher aus Ewald Christian von Kleists Trinklied sieht sein Haupt von "Epheustrauch und Ros umlaubt", und Johann Wilhelm Ludwig Gleim fordert sein vorgestelltes Publikum in einem Gedicht gleichen Titels auf: "Seht euch den jungen Bacchus an! / Seht doch! wie er trinken kann; / Seht die Augen, die Gebärden / Sollen unsre Muster werden / Wenn die Gläser, voll von Wein, Aug und Herz und Geist erfreun." Vielleicht kann man selbst Brittings Epitheton "blitzdurchfunkelt" aus In der Schenke als Andeutung des Göttlichen, des Begeisternden im Wein sehen. B. Wein als Gegenmythos. Die berühmte Fertigung der Achilleischen Rüstung parodiert ein anakreontisches Lied, das Hephaistos den Auftrag zu einem kostbaren Silberbecher erteilt. Im Gegensatz zum homerischen Vorbild soll darauf aber nicht der Kosmos abgebildet werden, sondern eine üppige Weinszene: "Du sollst mir Rebenstöcke / Und Trauben daran bilden, / Und goldne Keltertreter, / Den schönen Gott Lyäos / Mit Eros und Bathyllos.". B. Der alttestamentarische Mythos vom Wein bezieht sich auf Noah, der nach dem Absinken der Flut an den Hängen des Ararat eine Weinrebe pflanzt (1. Mose 9,20). Dazu ist zweierlei zu bemerken: erstens, die erste kultivierte Weinrebe mag tatsächlich irgendwo am Pontos gerankt haben; zweitens, der Wein begründet hier die Herrschaft der Israeliten über das Land Kanaan: "Noah aber, der Ackermann, pflanzte als erster einen Weinberg. Und da er von dem Wein trank, ward er trunken und lag im Zelt aufgedeckt. Als nun Ham, Kanaans Vater, seines Vaters Blöße sah, sagte er's seinen Brüdern draußen" Die decken ihres Vaters Blöße eilig zu; als Noah erwacht, spricht er zu seinen Söhnen: "Verflucht sei Kanaan und sei seinen Brüdern ein Knecht aller Knechte!". Eigenartig, dass Noah nicht Ham verflucht, sondern dessen Sohn, der am eben begangenen Frevel gar nicht beteiligt war. Die Noah-Geschichte ist nicht nur bildkünstlerisch, sondern auch literarisch vielfach bearbeitet worden. François Villon schreibt in einer Threnodie auf Jean Cotard: "O Vater Noah, der als erster du die Reben bautest, / und Loth auch, der du in der Felsenhöhle trankst / so viel, bis du mit weingetrübten Augen schautest / und deinen eignen Töchtern lüstern in die Arme sankst!". Im Alten Testament jedoch ist es keineswegs Lot, der für die Trunkenheit und den ihm nachfolgenen Inzest verantwortlich ist. Es sind dessen Töchter: "So komm," sagt die ältere Tochter, "laß unserm Vater Wein zu trinken geben und uns zu ihm legen, daß wir uns Nachkommen schaffen von unserm Vater." Nach den Erfahrungen mit Ham und den Hamiten wundert es nicht, dass dieser Fehltritt den Herrschaftsanspruch Israels auch über Ammon und Moab begründet. Die Verkehrung des biblischen Mythos ist für Villon notwendig, weil er Cotard in seinem Nachruf als trinkfesten Zecher feiert und ihn bei aller Sauferei ausdrücklich von der Leichtsinnigkeit Noahs und besonders Lots freispricht. Einen ganzen Katalog biblischer und altorientalischer Säufer entfaltet Sebastian Brant im Narrenschiff - der Übersicht halber sei an dieser Stelle allein von den Exempla Noah und Lot die Rede, von denen Brant sagt: "Noah vertrug selbst nicht den Wein, / Der ihn doch fand und pflanzte ein, Lot ward durch Wein zweimal zum Tor, Durch Wein der Täufer den Kopf verlor.".

IV. Wein und Phantasie. Pindar in einer Ode lässt die Trinker auf dem "Ozean / goldprangenden Reichtums ... segeln zur Lügenküste." Die Entfesselung der Seele, ihre Befreiung aus dem Gefängnis des Verstands: ein häufig gebrauchtes Bild auch der persischen Dichtung. Hafis hält fest: "Die Vernunft ist widerspenstig, / Ihrem Nacken bringe Schlingen! / Nasses Feuer sollst du schlagen, / Feuerwasser sollst du bringen!". Vielleicht ist es die Neigung zum Paradoxen gewesen, die bei iranischen Gelehrten die Anschauung entstehen ließ, mit "Wein" sei bei Hafis grundsätzlich etwas gänzlich Anderes, die Gottesliebe etwa, gemeint. Abdarrahman Dschami sieht das ähnlich und fragt seine Leser und Hörer: "Wer kann von seinem trüben Ich sich lösen, / Solang er nüchtern ist?". Den Dichter begabt der Rausch mit der Fähigkeit, über sich hinauszudichten, er "[...] Erteilt die Kunst / Und alle Gunst / Der dreimal dreien Schwestern." Das anonyme Trinklied des 17. Jahrhunderts, das diese gezierte Umschreibung der Musen gebraucht, lässt im Weinruch gar den Helikon losbrechen: "Daher man sieht, / Wenn wir hiemit / Die Nase schon begossen, / Wie dann der Fluß / Des Pegasus / Kommt auf uns zugeschossen, / Der will dann ein / Poete sein, / Der kann viel Streitens machen / Von der Natur, / Der redet nur / Von Gottes hohen Sachen." (Des Knaben Wunderhorn). Gottfried August Bürger feiert den Wein als bestes Öl für den Musenzunder, wenn er in der vierten Strophe seines Zechlieds festhält: "Echter Wein ist echtes Öl / Zur Verstandeslampe; Gibt der Seele Kraft und Schwung / Bis zum Sternenkampe." Selbstironisch fügt er am Ende der Folgestrophe hinzu: "Wann der Wein in Himmelsklang / Wandelt mein Geklimper, / Sind Homer und Ossian / Gegen mich nur Stümper."

V. Wein und Rausch. Pindar hält fest: "Die Seele wird groß, wenn uns der Pfeil der Rebe überwältigt". "Aphrodisisches Vorgefühl" lässt Bakchylides in einem Lied an Alexander "durch die Sinne flammen"; Bilder von Macht und Reichtum treten "vor die Seele des Trinkers". "Reich wie Krösos" fühlt sich der Betrunkene in einem anakreontischen Lied. Gegen verschiedene historische Beispiele der Raserei stellt ein anakreontisches Lied (Verschiedene Raserei) das eigene Beispiel: den Rausch "mit bekränztem Haupthaar". Der Wein als Anreger der Dichter ist das Thema eines kurzen Gedicht Li Bais (Auf der Wiese): im Boot betrunken forttreibend verlangt er nach einer Laute: "Ich will mit einem jungen Lied im Arm erwachen!". In einen fortwährenden Rausch wünscht sich der Sprecher Li Bais in Der Trunkene im Frühling zu trinken, so lange, bis er schließlich ausruft: "Was geht mich denn der Frühling an!? Laßt mich betrunken sein!".

VI. Wein als Allbeherrscher. Pindar beschreibt in einer seiner Oden die alles verkehrende Wirkung des Weins: "Wer mittellos ist, wird jetzt vermögend, und wiederum die Wohlhabenden ---" (Fragment). In einem anonym überlieferten französischen Trinklied stellt der Sänger den Wein gar neben oder über die Allmacht Gottes. Außer Schlaf und Liebe stiftet er auch mancherlei Unheil: "Gar manchen in den Kot er werfen mag, Und mancher nachts in allen Kleidern lag, / Und mancher auch im Straßengraben endet." Die umkehrende Wirkung des Allbezwingers Wein, die schon in Pindars Ode anklingt, besingt ein anonymer Lyriker, den Arnim und Brentano in Des Knaben Wunderhorn aufgenommen haben: er "[...] Macht Bettler gar zu Fürsten, [...]" und "[...] Gibt denen Kraft / Zu reden, die sonst schweigen." (Trinklied).

VII. Wein als Mittel der Überführung. Asklepiades stellt fest: "Wein ist der Liebe Verräter"; in diesem Fall sieht sich der Jüngling Nikagoras verraten.

VIII. Wein und Tod. Goethes Thule-Lied ist bekannt - auch in einem Gedicht Leonidas von Tarents dient ein "Pokal aus Attika", aus dem nicht mehr getrunken wird, als Grabmal: "daß den Becher niemand füllt!". Ein scherzhaftes Epigramm des Ariston lässt eine alte Zecherin gar im Wein ertrinken - das Grabmal wird auf der Traubendarre aufgerichtet. Gegen den stets drohenden Tod setzt ein anakreontisches Lied den Wein: "Reich mir den Becher, Knabe! / Viel besser ist es, trunken, / als tot am Boden zu liegen.". Ähnliches formuliert Li Ho in einem Trinklied, nachdem er Zurüstungen zu einem auserlesenen Mahl beschrieben hat: "So trinkt den ganzen Tag, bis ihr bewußtlos seid! / Kein Wein berührt den Humus auf des Zechers Grabe!" Den rauschhaften Übermut der chinesischen Anakreontik eines Li Bai, den Übermut im Schatten des Todes, sucht Albin Zollinger nachzuschreiben, wenn er seinen Sprecher ausrufen lässt: "Sauft! / Brüder warum / Sauft ihr nicht eure lüsternen süßen Trotten leer?". Etwas später: "Ersaufe im Rausch! / Friß deinen Tod trunken!". Die Schwermut einsamen Trinkens im Wirtshausgarten, die leise Ahnung des Todes, steigert Josef Weinheber in seinem Jahreszeitengedicht Wirtshausgarten im Herbst zum Prosit auf den Sensenmann: "Nur noch einer hat / Mut, in dieser Einsamkeit zu trinken. / Grau im Nebel, der wie Unheil droht, / stumm, am letzten Tisch ein letzter Zecher. / Über ihm der Baum so blutroht loht, / eine Knochenhand fährt an den Becher - / Prosit, Tod!".

VIIIa. Wein und Schlaf. Im Gegensatz zum Bier, dem die Macht zugesprochen wird, die Hefe menschlicher Temperamente in Gärung zu setzen, wird beim Wein eher die gliederlösende, betäubende, einschläfernde Wirkung betont- so kann Oswald von Wolkenstein ein Trinklied mit dem Ausruf beginnen: "Wohlauf, wir wollen schlafen!". Der holprige Weg zum Bett erlaubt dem Sänger nun allerlei Betrachtung über die Verlottertheit seines Hausstands.

IX. Wein als Aphodisiakum. Laut Horaz zieht "Venus huldvoll bei uns ein", wenn Wein gereicht wird. Der Venus huldigt auch Georg Rudholf Weckherlin in seiner Ode Drunckenheit, während er sich von ihrem Liebhaber Mars, von "Krieg / brunst / raub / vnglick vnd noht" angeekelt abwendet. Seinem Leser tischt er außer "guttem Wildbret" auch "Wein und Broht" auf, denn: "Den man der Wein mit lieb entzindet // Vnd das Broht stärcket jhm den Leib // Daß Er das Wildbret besser findet // Bey seinem Weib." Eben das, wovon er nichts berichten möchte, bindet er in eine üppige Schilderung eines Festmahls ein: der schlemmende Krieger ist zunehmend berauscht und kann das Gelage von einem Gefecht nicht mehr unterscheiden: "Ho! seind das Reutter oder Mucken?". Das mitunter schwierige Verhältnis von Venus und Bacchus löst Christian Felix Weises Gedicht Der Betrug auf: keineswegs trinke er, schwört der Sprecher, um Bacchus zu Gefallen zu sein: "Aus Liebe nur für dich", raunt er seiner Angebeteten zu, "Trink ich, trink ich mich öfters nieder."

IXa. Wein und Freundschaft. Freundschaftsbündnisse werden, nicht nur in der Antike, mit Wein besiegelt. Wer also einen Menschen Freund nennt, der soll ihn nach Martial nicht "brav und nüchtern" nennen, so lobe man dem Epigrammatiker zufolge nur den Diener. Andererseits verführt der Rausch nach Martial (Ein unzuverlässiger Freund) zu großspurigen Bekundungen, die der Ernüchterte nicht einzuhalten vermöge. Die weinselige Männerfreundschaft, wie sie der Pokal besiegelt, zweifelt auch Friedrich Logau an, wenn er schreibt: "Die Freundschafft die der Wein gemacht // Würckt wie der Wein / nur eine Nacht." (Wein-Freundschafft). Die ungleiche Freundschaft mit dem Schatten besingt Li Bai (Einsamer Trunk unter dem Mond). Im Rausch gehen Schatten und Halter verschiedene Wege: "Wir sind uns Freunde, da wir nüchtern sind, / Ein jeder geht für sich, wenn erst der Rausch beginnt.".

X. Schwanken, Taumeln, Mundgeruch. Marcus Argentarius beklagt sich in einem Epigramm, er werde ungerechterweise im Rausch von Bromios "elend im Kreise" geführt, obgleich er den Becher doch gerade gehalten habe. Oswald von Wolkenstein (Wohlauf, wir wollen schlafen!) wählt als Gerüst seines Gedichts den Weg der bezechten Adeligen zur Lagerstatt: "Jetzt schleichen wir aufs Zimmer! Paßt auf, daß wir nicht wanken / Mit ungleich schwerem Schritt! [...] Tragt her den Fürsten leise, / Damit er uns nicht falle, / Auf Gottes Erdenreich; [...]". Als gerechte Strafe unmäßigen Trinkens erscheinen auch Kater und Brand, so etwa im Narrenschiff Sebastian Brants: "Der Wein geht ein - man merkt es nicht, / Zuletzt er wie die Schlange sticht / Und gießt sein Gift durch alles Blut, / Gleichwie der Basilisk es tut." Die diabolischen Begleittiere Basilisk und Schlange verdeutlichen, von welcher Seite dem Weingenuss solche Eigenschaften zugedacht sind. Gleichgültig dagegen nimmt Veit, der Sprecher eines Epigramms Friedrich von Logaus, die gleichgewichtszerrüttende Wirkung des Weins hin, und ebenso unberührt lässt es ihn, dass man ihn die Treppe hinunterwirft: "Man warff dich Veit, die Stiegen ab / du aber achst es klein / // Sprichst: hett es nicht ein Mensch gethan / so hets gethan der Wein." (Auff den trunckenen Vitum). In einer geistreichen Wendung auf Kopernikus lässt Ewald Christian Kleist in Gedanken eines betrunknen Sterndeuters die verheerenden Wirkungen des Weins anklingen: "Mich wundert nicht, daß sich, / Ihr Freunde, wie ihr seht, / Die Erde dreht; / Kopernikus hat fürwahr kein falsch System ersonnen. / Doch - dort seh ich / Am Himmel gar zwo Sonnen! Ey, ey! das wundert mich."

XI. Rechtfertigungen. Rechtfertigen muss sich der Trinker oft: so etwa in einem anakreontischen Lied dieses Titels, das zur Verteidigung des Säufers anführt, schließlich tränken ja auch die Erde und die Bäume. Der Fescennia rät Martial (Auf eine Säuferin), doch einfach zuzugeben, dass sie getrunken habe - schließlich stinke sie noch übler, wenn sie das dämpfende Gift der Pillen auch noch hinausrülpse. Als einfachen Fall von Notwehr oder Sippenrache stellt Johann Heinrich Voss seinen Lesern in einem Distichon mit dem Titel Beim Trunk den Weingenuss vor: "Komm hervor aus der Flasche, du tückischer Wein, du Verderber!" / Viele verderbtest du schon: jetzo verderben wir dich!".

XII. Trinken und Alter. Ältere gelten oft als trinkfester; ein Anlass, um Agathias Scholastikos zu dem Epigramm zu reizen, dass der betagte Zecher Oinopíon sich nach dem Wegsacken der Jüngeren nicht zieren solle: "Trinke nur, Graukopf, und lebe! Es irrte der große Homeros: / Keinesfalls setzen im Kampf Jüngere Älteren zu!".

XIII. Trinklieder. Kennzeichnend für Wein-Trinklieder (im Gegensatz zum Biergesang) ist die Erhaltung auch schwierig zu meisternder Silbengrenzen. Gemeinplätze sind: a.) der Wunsch, in der Kneipe zu sterben (Carmina Burana, Walter Mapes), b.) die Schelte des unverständigen Zechers (Carmina Burana, Walter Mapes), c.) die Himmelfahrt des Trinkers (Carmina Burana, Walter Mapes), d.) die Allgegenwart der Trinker in beiden Geschlechtern und allen Ständen (Carmina Burana), e.) Unbedachtheit im Spiel. Strukturgebend sind beim Weintrinklied ferner: a.) Ketten von Trinksprüchen und Aufforderungen zum Trinken (Josef Weinheber, Der Trinker: "Trinke nur, trink!"), b.) Aufzählung derer, die ebenfalls trinken: "Weiber trinken, Laffen trinken, / Söldner trinken, Pfaffen trinken, / diese trinken, jene trinken, / Knecht und seine Schöne trinken, / Träge trinken, Schnelle trinken, / Dunkle trinken, Helle trinken, / Grade trinken, / Krumme trinken, / Schlaue trinken, Dumme trinken." (Carmina Burana). Goethes Sprecher des bekannten Studentenlieds Ergo Bibamus fordert den Hörer am Ende jeder Strophe mit den Titelworten zum Weingenuss auf - allein die letzte Strophe begnügt sich mit einem einfachen "Bibamus!"; c.) Forderungen, dem Sänger nachzuschenken; eher ungewöhnlich dagegen sind d.) Selipreisungen derer, die an der Herstellung des Weins beteiligt sind. Ein anschauliches Beispiel ist vom Nürnberger Meistersinger Hans Rosenplüt erhalten: "Selig sei der hecker, der umb dich hackt; / Selug sei der leser, der dich abzwackt / Und dich in den kubel legt; / Selig sei der, der dich in die kaltern tregt; / Selig sei der putner und die hant, / Der dich mit reifen umbpant / Und dir da macht ein hulzein hauß; Selig sei der, der dich rufet auß; / Selig sei der wirt, der schenken erdacht; / Selig sei der pot, der dich here bracht; / Selig sei der, der dich hat eingeschenkt: Unselig sei der, der ein sollichs erdenkt, / Das man die maß soll machen clein." (Weingruß). Die profanisierende Wirkung des Wein, in vielen Vagantenliedern bis zum Exzess durchgespielt, hier wird sie noch einmal an den Versen der Bergpredigt erprobt (Mt. 5, 3-11). Ein ähnlich repetitives Trinklied Christian Felix Weises mit dem Titel Der Herbst versetzt den Leser in die Zeit der Weinlese. Gegliedert ist das Gedicht durch Wiederholungsfiguren, die jeweils Sinnabschnitte markieren - häufig schließt die nächste Zeile mit einem Anfangsreim ab. So lautet die letzte Strophe: "Hört, hört, hört, / Hört der Winzer frohen Willen / Fässer her! wir müssen füllen. / Leert, leert, leert, / Leert dies Faß mit tapfern Zügen, / Daß die Winzer Tonnen kriegen!". Die Nachahmung oder die künstlerische Urbarmachung der Trunkenheit in Wortwahl und Satzbau ist jedoch auch im Trinklied eine Erscheinung neuerer Zeit. Ein Beispiel dafür ist Georg Brittings "In der Schenke", das in der spontanen Reihung seiner Verse die Schwere der Zunge und die nachlassende Vorausplanung beim Sprechen nachbildet.

XIV. Wein als Allenthalter. Nicht nur seine Lagenabhängigkeit (Erdgeschmack!) hat den Wein zu einem Kosmossymbol werden lassen: als flüssiges Paradox, das den Durst löscht und zugleich die Kehle austrocknet, hat er zahlreiche Deutungen seiner Widersprüchlichkeit herausgefordert. Im Wein ist gleichsam alles enthalten: Geist und Körper, Erde und All, Sonne und Mond. Die letztere Paarung bringt Hafis in einem kunstvoll mehrgliedrigen Vergleich, der das Kosmische ins Trinkritual einbindet: "Wein ist Sonne, Mond ist Becher, / Bring im halben Mond die Sonne!". Die Allseitigkeit des Weins beschwört auch Georg Britting in seinem kurzen Gedicht Im Wein birgt sich viel über die psychischen Folgen des Weintrinkens - Wein vermag es, dem hingegebenen Trinker die Fülle widersprüchlicher Erfahrungen mitzuteilen: "Im Wein / Birgt sich viel: / Spiel, Schwermut und Lust."

XV. Wein und Sünde, Wein als Laster. Wein ist vor allen Getränken ein Symbol der Verführung zum Bösen, gilt gemeinhin als Grundübel, dem viele anderen Übel nachfolgen. Er setzt den Verstand und das sittliche Gefühl außer Kraft und stürzt den Trinker in mannigfaltiges Unglück. Noah trinkt und entblößt sich, Lot wird zum Opfer eines Inzestanschlags, Aarons Söhne sterben aufgrund ihres falsch zugerichteten Opfers (3. Mose, 10, 9: "Du und deine Söhne, ihr sollt weder Wein noch starke Getränke trinken, wenn ihr in die Stiftshütte geht, damit ihr nicht sterbt."). Der lüsterne Assyrerfürst Holofernes im apokryphen Buch Judith wird von der in sein Feldlager eingedrungenen Judith erst trunken gemacht und dann getötet. Das selbe Malheur unterläuft Kyros, der nach Pompeius Trogus den Sohn der Skythenkönigin Thamyris ermordet und daraufhin ebenfalls den Kopf verliert - Sebastian Brant behauptet im Narrenschiff: "Thamyris brauchte Speis und Trank, / Als sie den König Cyrus zwang;". Brant erwähnt auch Alexander, der schon im Altertum, nicht nur wegen des Kleitos-Totschlags, als Exempel der Trunksucht galt - auch deshalb, weil die makedonische Ritterschaft den Wein unvermischt trank. Zynisch geißelt Friedrich von Logau die Trunkenheit in einigen Epigrammen, deren erstes, mit Trunckenheit überschrieben, das Weintrinken dem Ertrinken gleichsetzt: "Wer vielleichte soll ertrinken // Darff ins Wasser nicht versinken / // Alldieweil ein Deutscher Mann // Auch im Glas ersauffen kann." In einem weiteren Epigramm attackiert er die "Seuffer", denen der Tag zu kurz zum Trinken und die Nacht zu kurz zum Ausnüchtern ist: "Gottes Werck hat immer Tadel; wem der Tag zu kurtz zum trincken / // Diesen will auch zum ernüchtern / gar zu kurtz die Nacht bedüncken." Ursache dieser Verfehlungen ist nicht Unvernunft, wie man annehmen sollte, sondern die nicht in der Hand Gottes liegende Vernunft, falsch eingesetzt: "Es saufft sich voll für sich kein vnvernünfftig Thier; // O hätten sie Vernunfft / sie trüncken auch wie wir." Dieses und andere Epigramme sind nur mehrdeutig, wenn sie aus dem Zusammenhang gelöst werden - im Glied mit den anderen Texten wird klar, dass sie die Züchtigung der Lasterhaften erwirken sollen. In seiner Grabschrifft eines Säuffers, das mit der unvermeidlichen Hic-iacet-Formel einsetzt, stellt Daniel Georg Morhof den erbärmlichen Zustand des von Würmern aufgezehrten Leib des Säufers heraus; sarkastisch raunt der Sprecher seinen Lesern zu: "Fragt nicht / wo seine Seele bleibt / // Und wo dieselbe sey / man gläubt / // Sie sey zum Weinfaß' eingefahren."

Wein und Verführung. Den Wein als Mittel der Verführung und Schicksalswender beschreibt Gottfried Keller in Das Köhlerweib ist trunken. Einst "die schönste Blume" und "Berühmt im Land", wurde die nun in der Dämmerung singende Köhlerin vom Rotwein "überlistet"; das Gedicht schließt kehrreimend mit der Anfangszeile: "Das Köhlerweib ist trunken / Und singt durch den Wald; / Wie durch die Dämmrung gellend / Ihr Lied erschallt."

Wein und Wasser. Wer öffentlich Wasser predigt und heimlich Wein säuft, der gilt sprichwörtlich als Musterbild der Heuchelei. Wasser ist in seiner einfachen Durchsichtigkeit und in seiner Folgenlosigkeit das Gegenbild zum beschwerenden, verdunkelnden und nachhaltigen Wein - im Guten wie im Schlechten. Dem sich berauschten Dichter mag der Wassertrinker verdächtig sein wie dem Spießbürger der zechende Poet. Georg Britting schreibt in seinem Trinklied In der Schenke, dessen Titel wohl auf die Nr. 196 der Carmina Burana anspielt, bespöttelt der Sprecher die Wassertrinker wie folgt: "Ihr neunmal klugen / Vorsichtig-enthaltsamen / Wassertrinker, / Die ihr früh schlafen geht / Am nüchternen Abend / Ins weiße Bett. / Gute Nacht!".

Sorten. Falerner. Der herbe Falerner "alten Jahrgangs" steht als Gegenbild "fader Wässer" bei Catull für den altrömischen Sinn, während Weinverderber zu den "Philistern" auswandern sollen. Den roten Châteauneuf-du-Pape, einen provenzalischen Spitzenwein aus dem Department Vaucluse, stellt Ossip Mandelstam in einem Gedicht Ich trink auf soldatische Austern dem "fröhlichen Asti Spumante" gegenüber: "Ich trinke, doch ich bin nicht schlüssig, was ich wohl lieber noch hab: / Den fröhlichen Asti Spumante oder - Châteauneuf-du-Pape." Ein Katalog verschieder Sorten in der jeweils eigenen Flasche kann auch Teil eines Preislieds auf den Wein sein, so in Georg Brittings "In der Schenke": "O ihr andern Flaschen, / Burgunder, kurzhalsig und stämmig, / Die strohumflochtne / Vom Berge Chianti, / Die schlanke des Rheinweins / Und die des Bocksbeutels, / Tierischer Formung!". Auf den Tokaier hat Gottfried Keller ein achtstrophiges Gedicht Tokaier geschrieben, in dem er (als "Reminiszenz an Lenau") den Weg eines Sonnenstrahls über die die Traube in den Becher nachzeichnet - zugleich ist jener Lichtpfeil aber auch der Weg des Menschen ins Grab, und so schließt das Gedicht mit den wenig erbaulichen Worten: "Schenke, Wirt! o laß es brausen! / Gieß den Becher voll, / Wenn mein Herz ob innerm Grausen / Nicht verzagen soll!". Eines der vielen Trinklieder des schwedischen Volkssängers Carl Michael Bellman beginnt mit einer Laudatio auf den Rheinwein: "Ich will Wein auf meine Zunge, / notabene: den vom Rheine." Er beschließt sein Lied mit einem Aufruf zu bacchantischer Raserei, die vor dem Unvermeidlichen des Todes steht: "Erde rast. Wir wollen rasen, / eingedenk des Notabene, / toben wie Champagnerblasen! Hoch das Glas auf uns und jene, / Die noch unterm Sterngefunkel / mit uns trinken – vor dem Dunkel." Den Rheinwein preist auch Matthias Claudius im Rheinweinlied, das diese Frucht des deutschen Rheintals über alle Güter Europas hebt (I. Strophe). Die zweite Strophe präzisiert Claudius` Abneigung gegen den welschen Wein: "Er kommt nicht her aus Hungarn noch aus Polen, / / Noch wo man Franzmänn`sch spricht; / Da mag Sankt Veit, der Ritter, Wein sich holen, / Wir holen ihn da nicht." Nachdem das Ausland verworfen ist, werden auch die deutschen Mittelgebirge abgestraft, die wie Thüringens Höhen, das Erzgebirge und der Harz keinen nennenswerten Wein hervorbrächten. Deshalb veranschaulicht der Sprecher in der vorletzten Strophe: "Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsre Reben; / Gesegnet sei der Rhein! / Da wachsen sie am Ufer hin und geben / Uns diesen Labewein." Als "wahre Panace", als Allheilmittel, feiert Ludwig Heinrich Christoph Hölty im Trinklied den Rheinwein: "Ein Leben wie im Paradies / Gewährt uns Vater Rhein; / Ich geb es zu, ein Kuß ist süß, / Doch süßer ist der Wein." Nach einer bildreichen Beschwörung seiner Heilwirkung preist der Sprecher Land und Winzer, bis er entzückt formuliert: "Es lebe jeder deutsche Mann, / Der seinen Rheinwein trinkt, / So lang er`s Kelchglas halten kann, / Und dann zu Boden sinkt."