Albert Zeller: Dichter und Psychiater

Ernst Albert Zeller

Bild: Engelbach, G.: Ernst Albert Zeller, Lithographie, 1850

Ernst Albert Zeller kommt am 6. November 1804 in Heilbronn zur Welt. Sein Vater Johann Friedrich Zeller ist Jurist und Verwaltungsbeamter, seine Mutter Johanna Regina (1773–1844) eine Tochter des Stuttgarter Arztes Jacob Eberhard Andreae (1737–1779). Albert Zeller fällt früh durch seinen tiefen Glauben, durch eine Neigung zur Melancholie und zur Poesie auf. Nach der Reifeprüfung am Gymnasium in Stuttgart arbeitet er zunächst in der Apotheke von Verwandten und beginnt danach sein Studium an der Universität Tübingen bei dem ebenfalls aus Heilbronn stammenden Botaniker Gustav Schübler. 1826 promoviert Zeller er und erhält am 6.11.826 seine Approbation als Arzt. Wenig später erfasst ihn eine tiefe Depression, die ihn für die Auseinandersetzung mit seelischen Erkrankungen öffnet. Im Sommer 1827 unternimmt er eine Reise nach Schloss Sonnenstein, der ältesten deutschen Irrenanstalt in Pirna.

Bei dieser Reise lernte Zeller in Berlin seine spätere Ehefrau Marie Reimer (1807–1847 kennen), die Tochter des Berliner Verlegers Georg Reimer. Im März 1829 wird das Paar von Friedrich Schleiermacher getraut, dem damals führenden Theologen Preußens. Im Jahr 1830 lässt sich Zeller als praktischer Arzt in Stuttgart nieder. Sein Durchbruch als Mediziner gelingt Zeller mit einer vielbeachteten Gegendarstellung zu Justinus Kerners Seherin von Prevorst. So gerät Zeller ins Blickfeld, als die württembergische Regierung im ehemaligen Deutschordensschloss Winnental eine Heilanstalt zu eröffnen. Auf einer Erkundungsreise zu verschiedenen Anstalten in Deutschland, England, Schottland und Frankreich macht er sich mit dem Stand der Psychiatrie seiner Zeit vertraut. Am 3.8.1833 bezieht Zeller sein Haus in Winnental ein. Mit seinen damals neuen therapeutischen Ansätzen macht Zeller die Heilanstalt zu einer der bekanntesten Anstalten des Landes – die Patienten kommen von weither. Zeller führt die Anstalt bis zu seinem Tod am 23.12.1877. Sein Sohn Ernst von Zeller (1830–1902) wird 1878 sein Nachfolger als Obermedizinalrat in Winnental.

Bezug zu Winnenden

Wie kaum ein anderer Mediziner prägt Obermedizinalrat Albert Zeller den Ruf der Winnender Heilanstalt. Als erster Direktor der Heilanstalt Winnental wirkt er nicht nur durch seine ärztliche Tätigkeit für weit über dreitausend Patienten, sondern unterhält eine weitgespannte Korrespondenz mit den Angehörigen und Freunden seiner berühmten Patienten, insbesondere Lenaus. In Zellers gastfreiem Haus, dessen Mittelpunkt bis zu ihrem Tod 1847 seine Frau Marie bildet, gehen prominente Besucher aus und ein. 1853 wird Albert Zeller zudem Ehrenbürger Winnendens. Obgleich Zeller sein medizinisches Credo nicht in einem geschlossenen Werk niedergelegt hat, wirkt er indirekt schulbildend. Insbesondere der Psychiater Wilhelm Griesinger, den er 1840 als Sekundärarzt nach Winnental holt, setzt 1845 mit seinem Lehrbuch Zur Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten Maßstäbe.

Albert Zeller hat in Winnenden Spuren hinterlassen, die jedoch verblassen: Die 1968 gebaute Albert-Zeller-Schule heißt seit dem 17.2.1981 auf Beschluss des Winnender Gemeinderats Haselsteinschule, die kurze Zellerstraße ehrt gleichermaßen Albert Zeller und den Sohn und Nachfolger Ernst Zeller. Lediglich der Albert-Zeller-Saal ehrt unmissverständlich den Gründer der damaligen Heilanstalt.

Die Lieder des Leids

Der Tod Marie Zellers 1847 trifft Zeller und dessen Kinder schwer. Er verarbeitet seinen Schmerz in Gedichten. Die ersten 15 Gedichte, die um die Verstorbene, um Verlust und Tod kreisen, werden 1848 anonym in Albert Knapps Jahrbuch Christoterpe veröffentlicht. 24 weitere Lieder erscheinen als Privatdruck unter dem Titel Gedichte eines Ungenannten. Das 30-seitige Heft, auf Albert Zellers eigene Kosten gedruckt, wendet sich an Verwandte, Freunde und nahe Bekannte Marie Zellers. Sie erscheinen 1850 ebenfalls in Knapps Christoterpe. 1851 erscheint bei Reimer in Berlin die Erstauflage unter Albert Zellers Namen und dem Titel Lieder des Leid’s. In den Jahrgängen 1852 und 1853 der Christoterpe folgen 19 weitere Lieder, die in ständig erweiterte Auflagen bei Reimer aufgenommen werden, ehe 1908 in Herborn die 9. und letzte Auflage erscheint. Zellers Lieder des Leid’s wurden mehrfach vertont, darunter von der Komponistin und Sängerin Josephine Lang (1815–1880), deren Sohn Felix 1862 ebenfalls in Winnenden therapiert wurde. Ihre Bearbeitung erschien unter dem Titel Lieder des Leid’s: für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte; op. 29 bei Simrock in Berlin. Weitere Vertonungen stammen von Friedrich Martin Jehle (1844–1941) und Johannes Jehle (1881–1935). Einige von Zellers religiösen Lieder sind in evangelischen Gesangbüchern vertreten, darunter Gib dich dahin, Klag deine Not und Hindurch, hindurch mit Freuden.

Einführungstext: Was ich im stillen Kämmerlein

Zellers Einführungstext besteht aus zwei Oktetten aus jambischen Viertaktern, die sich ihrerseits in zwei Quartette teilen – das Kreuzreimschema schafft Kohärenz.

Das Einführungstext leistet zweierlei: Zum einen begründet Zeller, weswegen er die Einsamkeit „im stillen Kämmerlein“ (Z. 1) verlässt und die Lieder des Leid’s veröffentlich: als Zeugnis der Gaben Gottes, als Mittel zur Überwindung des Leids. Die rhetorische Bescheidenheitsgeste macht aus dem persönlichen Leid exemplarisches: „Tönt doch von Aller Lippen ja / Dieselbe Lust, dieselbe Klage, / und was dem Einen heut geschah, / Den Andern triffts am Andern Tage“ (Z. 9-12). Dabei versteht Zeller seine Klage nicht als Dichtung, sondern als authentische Selbsterkundung: „Die Wahrheit nur und kein Gedicht / Kann unsre tieffen Wunden heilen“ (Z. 15-16) .

Bibliographie

Werke von Zeller

  • Zeller, Albert: Lieder des Leids. Winnenthal, 1847 (u. ö., dann in Berlin bei Reimer, bis zur 8. )
  • Zeller, Albert: Trost und Rat: Aus dem Nachlaß Basel: Reich, 1901
  • Zeller, Albert: Bericht über die Wirksamkeit der Heilanstalt Winnenthal. Stuttgart, 1848
  • Zeller, Albert: Das verschleierte Bild zu Sais, oder die Wunder des Magnetismus: Eine Beleuchtung der Kerner'schen Seherin von Prevorst, und ihrer Eröffnungen über das innere Leben des Menschen und über das Hereinragen einer Geisterwelt in die unsere. - Leipzig: Weidmann, 1830
  • Zeller, Gerhart (Hrsg.): Albert Zellers medizinisches Tagebuch der psychiatrischen Reise durch Deutschland, England, Frankreich und nach Prag von 1832 bis 1833. Zwiefalten: Verlag Psychiatrie und Geschichte der Münsterklinik, 2007, 2 Bde.

Werke über Zeller

  • Meuret, Gustav: Albert Zeller: Blätter der Erinnerung. Stuttgart: Steinkopf, 1879
  • Zeller, Albert: Zur Todesfeier und zum Gedächtniß des Ober-Medicinalraths Dr. Albert v. Zeller: Geboren den 6. November 1804, gestorben den 23. Dezember 1877. Stuttgart: Scheufele, 1877
  • Schnaidt, Karl August: Worte am Grabe des Albert Zeller, praktischen Arztes: geboren in Großsachsenheim 24. Januar 1830, gestorben in Reutlingen 10. Mai 1878. Reutlingen: Egmont Fehleisen, 1878
  • Zeller, Hermann: Ernst Albert Zeller 1804 – 1877. Berlin: Springer, 1921
  • Wattenwyl, Eduard von: Doktor Zeller und seine Lehre. Bern, 1847
  • Hoffmann, Wilhelm: Gegen den Einwurf aus der Noth und Verarmung der Heimath. Sendschreiben an Herrn Hofrath Dr. Albert von Zeller, Director der königl. Heilanstalt für Geisteskranke zu Winnenthal in Württemberg. In: ders.: Missionsfragen. Basel 1847, S. 322 – 361
  • Riecke, E.: Ein Irrenarzt. Zum Andenken an Albert Zeller. In: Blätter für das Armenwesen. Herausgegeben von der Centralleitung des Wohlthätigkeits-Vereins in Württemberg (Stuttgart) XXXI. Jg. No. 51, 21. Dezember 1878, S. 229 – 236
  • Kraus, Otto: Dr. Ernst Albert von Zeller. In: Geistliche Lieder im 19. Jahrhundert. Herausgegeben von Otto Kraus. Gütersloh: Bertelsmann, 1879 (zweite, stark vermehrte Auflage), S. 580 – 583
  • Knodt, Emil Karl Wilhelm: Albert Zellers Lieder und Leben. In: Lieder des Leids von Albert Zeller. Herausgegeben mit einem Vorwort von Emil Knodt. Herborn. Buchhandlung des Nassauischen Colportagevereins. 1908, S. 5–25.