Clowns und Narren auf der Bühne

Clowns und Narren gibt es auf den Bühnen der Welt schon sehr lange – länger als die Bühnen selbst. Es gibt sie in den religiösen Riten der Hopi, in der antiken Komödie und in der Commedia dell’arte. Besonders verbreitetet sind sie im Brauchtum der Fasnacht und im volkstümlichen Lachtheater, wo sie auftreten als Pickelhering (England), Jean Potage (Frankreich) oder Hanswurst (Deutschland). Noch nicht ganz so alt ist das Phänomen des bösen Clowns und die Coulrophobie, die Angst vor Clowns. Beides spiegelt sich in Figuren wie dem Joker aus „Batman“ und dem bösartigen Clown Pennywise aus Stephen Kings „Es“. Wenn die Maskerade des Clowns und seine grotesken Bewegungen uns manchmal irritieren mögen – sie bieten uns Möglichkeiten der Befreiiung von ungeliebten Rollen und aufgezwungenen Konventionen.

Welches Potenzial hat das Clownspiel?

Die Bedeutung komischer Akteure für die Zuschauer ist also lange bekannt. Sogar in Tempelriten gibt es zuweilen Narrenfiguren. Worin also liegt die Kraft des Narren- und Clownspiels?

  • Clowns werden in Krisengebieten tätig - wo Krieg, Naturkatastrophen oder Armut herrschen. „Clowns ohne Grenzen“ helfen bei der Bewältigung des dadurch entstandenen Leids.
  • Clowndoktoren unterstützen Genesungsprozesse oder helfen beim Ertragen lebensverändernder Diagnosen.
  • In Seniorenheimen helfen Clowns, verschüttete Erinnerungen freizulegen und älteren Menschen neue Lebensfreude zu ermöglichen.
  • Clowns helfen Kindern, ihre Ohnmachtsgefühle gegenüber Erwachsenen besser anzunehmen. Der Clown ist zugleich ein großes Kind und ein kindlich spielender (und scheiternder) Erwachsener.
  • Clowns halten uns Zuschauern einen Spiegel vor, karikieren uns und helfen uns bei der Bewältigung unserer Fehlerhaftigkeit;
  • Das Clownspiel befreit von Perfektionismus und dem Bedürfnis, unbedingt zu gefallen. Es macht weniger selbstgefällig und glücklicher.
  • Das Auftreten von Clowns und Narren in Tragödien löst Spannungen und kann – zum Beispiel bei Shakespeare – die sich entwickelnde Tragik unterbrechen.
  • Clowns und Narren helfen uns, Mächtige und ihre Regeln zu hinterfragen und im rechten Verhältnis zu sehen.

Welche Rolle spielen Narren und Clowns auf der Bühne?

Narren und Clowns…

  • spielen oft direkt zum Publikum, interagieren sogar mit ihm;
  • weichen oft körperlich oder geistig von dem ab, was in ihrer Umgebung als Norm gilt;
  • sind einerseits gewitzt, anderseits tölpelhaft;
  • bringen sich in scheinbar ausweglose Situationen, denen sie auf kuriose Weise wieder entrinnen.

Was gehört zum schauspielerischen Profil von Clowns und Narren?

Es mag verblüffen: Die schauspielerischen Anforderungen an Clowns sind hoch.

  • Hilfreich ist eine tänzerische und pantomimische Ausbildung;
  • Auch akrobatische Fähigkeiten (z. B. Jonglage und Balancieren) ist gefragt;
  • Jedenfalls benötigen Clowns und narren eine besondere Körperbeherrschung;
  • auch die Beherrschung wenigstens eines Instruments ist ratsam;
  • Spontaneität und Improvisationsgabe sind wesentlich.

Woran erkennt man Clowns und Narren?

  • Ungewöhnliche Kopfbedeckungen, etwa der Spitz- bzw. Zuckerstockhut der Pulcinella, bei Perrot eine Tellermütze und der Spitzhut des Harlekins;
  • Federschmuck wie Hahnen- und Pfauenfedern (Hanswurst, Zanni, Pickelhering…);
  • Übergroße, groteske Masken mit unförmigen, langen Nasen;
  • Wilde, krause und struppige Perücken;
  • Bemalung (besonders beim Weißclown);
  • Stöcke, Holzschwerter oder eine ausgestopfte Tuchballenwurst oder rotweiße Bauerntücher;
  • Kostüme, zunächst wild anmutende Tiergewänder, dann die asymmetrisch bunten Gewänder der Harlekine, zuletzt das Landstreicherkostüm des modernen Clowns.

Welche bekannten Clowns und Narren sollte man kennen?

Bekannt geworden sind besonders…

  • der Schweizer Clown Grock;
  • die Russen Oleg Popow und Andrei Nikolajew;
  • der spanische Clown Charlie Rivel („Akrobat - schööön!“);
  • Harpo, der Clown der Komikergruppe „Marx Brothers“;
  • und der britische Schauspieler Charles Chaplin;
  • die amerikanischen Filmschauspieler Stan Laurel und Oliver Hardy, Buster Keaton und Danny Kaye;
  • die Franzosen Jean-Louis Barrault als Baptiste und Marcel Marceau als Bip;

Übungen zum Clown- und Narrenspiel

  • Lachtraining: Hi, ha, ho – beim Ausatmen wird gelacht.
  • Jubelsprung: Alle stehen im Kreis. Dann springt reihum jeder zu einem bestimmten Thema in eine weite Jubelgeste
  • Grimassieren: Zwei Clowns setzen sich gegenüber, halten Blickkontakt und grimassieren.
  • Hochspringen und Abklatschen: Zwei Clowns stehen sich gegenüber. Blind springen sie hoch und klatschen einander ab.
  • Umbringen: Versuche deinen Partner zu „ermorden“, aber heimlich! Wirke betont harmlos, wenn er hinsieht!
  • Einfrieren: Zwei Clowns improvisieren einen Tanz und frieren alle fünf Sekunden ein.
  • Nasenfolgen: Folge deiner Nase!
  • Stolpern und Tanzen: Stolpere! Entwickle dann einen Tanz daraus!
  • Tücke des Objekts: Versuche vergeblich, einen im Grunde leicht zu verstehenden Mechanismus misszuverstehen.
  • Jonglagen: Drei Clowns werfen sich in rascher werdendem Rhythmus Gegenstände zu.
  • Streit um den Stuhl: Zwei Clowns streiten sich um einen Stuhl.
  • Angewachsen: Zwei Clowns bleiben mit einem Körperteil an einander hängen.
  • Eierlegen: Du bist ein Huhn. Lege ein Ei. Wundere dich über dein Ei.
  • Charakterkomik: Setze dich als cholerischer, ängstlicher, zwanghafter oder verliebter Clown auf einen Stuhl.
  • Raumlauf: In verschiedenen Körperhaltungen durchqueren die Clowns den Raum: Sie ziehen Schultern hoch, schieben das Becken vor, gehen mit X- oder O-Beinen.
  • Weißclown und Rotclown: Der Weißclown beherrscht die Bühne – eitel und arrogant schickt er den Rotclown herum und lässt sich von ihm bedienen (z. B. die Jacke anziehen).

Zeitleiste: Clowns und Narren auf der Bühne

-300

In der altitalischen und römischen Atellane treten vier Typen von Narren auf: Dasseus, Maccus, Bucco und Pappus. Zusätzlich gibt es bei den Ludi plebei den Posaune spielenden Stupidus.

1150

Im Mittelalter entstehen vor allem im Fasnachtsbauchtum zahlreiche Grotesk-Charaktere, unter anderem der Hellequin als Vorläufer des späteren Harlekins. Im Moriskenspiel tritt Mattucino auf, eine Narrenfigur mit schwarz gefärbtem Gesicht. In späterer Zeit entstehen Country Jokel (England), Jean Potage (Frankreich), Petruschka (Russland) und Háry János (Ungarn).

1494

Sebastian Brant führt mit „Das Narrenschiff“ die Narrenliteratur zu einem bedeutenden Höhepunkt.

1510

Das Volksbuch von Till Eulenspiegel entsteht.

1531

Hans Sachs lässt im ersten seiner Fasnachtspiele Narren auftreten.

1536

Im ersten Esther-Stück von Hans Sachs tritt der Hofnarr des Ahasverus auf.

1550

In Italien entwickelt sich die Commedia dell’arte mit der Figur des Zanni, der oft als Urahn der europäischen Clowns gesehen wird. Auch Arlecchino, Pulcinella, Franceschina und Pierrot sowie Brighella sind komische Figuren.

1560

Der englische Begriff „clown“ taucht erstmals auf und bezieht sich noch auf einen Bauerntölpel.

1599

In Shakespeares „As You Like It“ („Wie es euch gefällt“) tritt der Hofnarr Touchstone auf. Auch in Macbeth (1600) gibt es mit dem Pförtner eine komische Figur, dasselbe trifft auf den „King Lear“ zu und auf „The Tempest“. Narren gibt es besonders in „Othello“ and „The Winter’s Tale“.

1658

Andreas Gryphius lässt in „Absurda Comica oder Herr Peter Squentz“ den Pickelhering auftreten, den er englischen Wandertruppen abschaut.

1712

Joseph Anton Stranitzky, Wanderarzt und Pächter des Kärntnertortheaters in Wien, führt mit seiner Truppe „Teutscher Komödianten“ den Hanswurst als Figur im deutschen Theater ein.

1737

Caroline Neuber verbannt den Hanswurst in Leipzig symbolisch von der Bühne.

1744

Josef Felix von Kurtz entwickelt die Figur des Bernardon.

1750

Franz Schuch modelliert die Figur seines Hanswurst nach dem italienisch-französischen Harlekin an.

1752

17.2.: Ein Dekret Maria Theresias verbietet die Stegreifkomödie.

1768

Philip Astley ergänzt seinen Pferdezirkus um einen berittenen Clown.

1787

In Mozarts „Don Giovanni“ tritt als lustige Person Leoporello auf.

1800

Joseph Grimaldi spielt in Charles Dibdins Stück „Peter Wilkins: or Harlequin in the Flying World“ einen Clown.

1811

Der Weißclown Jean-Gaspard Deburau tritt in Paris auf.

1830

In Amerika entstehen die ersten Blackface- und Minstrel-Shows, die Schwarze als Tölpel vorführen.

1847

Jean-Baptiste Auriol wird im Pariser Zirkus von Antonio Franconi engagiert.

1870

Tom Belling fügt im Circus Renz dem Weißclown als Begleiter den Rotclown hinzu, den „Dummen August“.

1892

Ruggero Leoncavallo schreibt die Oper „Paggliaci“ (Clows).

1900

Im amerikanischen Rodeo warden Clowns eingesetzt, um das Publikum zu unterhalten und später auch zur Ablenkung des Stiers.

1903

Im Amphitheater von Nîmes tritt der Schweizer Clown Adrien Wettach mit seinem Partner „Brick“ zum ersten Mal unter dem Namen „Grock“ auf.

1905

Der spanische Clown Marceline Orbes wird im London Hippodrome mit seinen Clownnummern bekannt.

1914

Charlie Chaplin dreht „The Tramp“, einen Stummfilm mit clownesken Elementen. Seine Charaktere sind typisch für die Clowns der Stummfilmzeit: der Wanderarbeiter (Hobo), der Landstreicher (Tramp) und der Müßiggänger (Bum). 

1917

Buster Keaton beginnt mit „The Butcher Boy“ seine Komikerkarriere.

1923

Emmett Kelly entwickelt „Bozo the Clown“. Ab 1960 wird er mit „The Bozo Show“ bekannt.

1923

In „Safety Last!“ spielt Harold Lloyd seine bekannteste Rolle.

1932

Der deutschstämmige Otto Griebling tritt im amerikanischen Hagenbeck-Wallace Circus als Clown auf.

1940

Die clowneske „The Abbott and Costello Show“ wird erstmals ausgestrahlt.

1942

Wolfgang Staudte dreht „Akrobat schö-ö-ö-n“, einen Film über Charlie Rivel.

1951

Die „Red Skelton Show“ mit Red Skelton wird erstmals ausgestrahlt. --- Oleg Konstantinowitsch Popow tritt erstmals als Clown auf.

1968

Das Ringling Bros. and Barnum & Bailey Clown College wird gegründet.

1970

Federico Fellini dreht „I Clowns“.

1984

Clowns of America International wird gegründet.

1987

Die World Clown Association entsteht.

1990

Rowan Atkinson spielt zum ersten Mal den „Mister Bean“. --- Stephen Kings Horrorroman „It“ mit dem Gruselclown Pennywise kommt in die Kinos.

1994

Im Stateville Correctional Center wird der Serienmörder John Wayne Gacy hingerichtet, der seine Opfer zum Teil als Clown verkleidet fand („Pogo the Clown“).

2008

Eine Studie der University of Sheffield stellt heraus, dass auffallend viele Kinder Unbehagen beim Anblick von Clowns empfinden. In diesem Zusammenhang entsteht der Begriff der Coulrophobie, der Angst vor Clowns.

Ressourcen

Bibliographie

  • Kalb, Elodie: Kommunikation zwischen Kontinuität und Verunsicherung. Paderborn: Wilhelm Fink, 2017
  • Turra, Mario (Hrsg.): Zeitgenössische Clown-Nummern. Berlin: Henschel, 1977
  • Rémy, Tristan: Clownnummern. Henschel, Berlin 1989
  • Bartels, Dieter: Das Clowntheater-1-x-1. Zehn große Schritte Richtung Schauspiel und Komik. Planegg: Impuls-Theater-Verlag, 2010
  • Borne, Roswitha von dem: Der Clown: Geschichte einer Gestalt. Stuttgart: Urachhaus, 1993
  • Fried, Annette; Joachim Keller: Faszination Clown. Patmos, Düsseldorf 1996
  • Hoche, Karl, Toni Meissner Bartel F. Sinhuber: Die großen Clowns. Königstein im Taunus: Athenäum, 1982
  • Kramer, Michael: Pantomime und Clownerie: Geschichte der Clownerie von der Commedia dell’arte bis zu dem Festivals of Fools; mit Anleitungen und Vorschlägen zur Übung und zum Spiel. Offenbach am Main: Burckhardthaus-Leatare-Verlag, 1986

Links

Links (Ausbildungsstätten)