David Pistorius: Der erste Historiograph Winnendens

Winnenden hat immer wieder kundige Theologen hervorgebracht und beherbergt, die zugleich brauchbare Humanisten waren, man denke an Arsatius Seehofer, Ägidius Hunnius und Polykarp Leyser. Ein Nachzögling dieser Generation ist der in Winnenden geborene David Pistorius, der eine kunstvolle lateinische Stadtbeschreibung hinterlassen hat. 1850 wurde die Descriptio urbis Winindae von Johann Ulrich Wirth, dem damaligen Stadtpfarrer, wiederentdeckt und neu herausgegeben. Eine zweite Auflage folgt 1880. Die Stadtchronik des David Pistorius ist mit ihren ansprechenden Distichen ein beredtes Zeugnis der humanistischen Vergangenheit Winnendens und ein Argument für die Pflege der alten Sprachen.

David Pistorius

Bild: Titelblatt der Descriptio urbis Winindae (1605)

David Pistorius kommt am 16. Juli 1578 in Winnenden zur Welt. Am 14.3.1597 immatrikuliert er sich an der Universität Tübingen. 1601 beendet er sein Studium. 1605 erscheint in Tübingen, wo er auch Strena academica abfasst, seine Descriptio urbis Winidae. 1606 verfasst er ein Encomium urbis Palatino-Würtembergicae Neapoleos ad Cocharem, ein Städtelob Neuenstadt am Kocher. Ab 1613 ist Pistorius Stadtpfarrer von Gemmingen im Kraichgau, wo er eine Geschichte Gemmingens beginnt. Am 14.8.1629 stirbt Pistorius in Gemmingen, ohne sein Geschichtswerk abschließen zu können.


 

Aufbau

Pistorius beginnt mit einem Vorwort an den Stadtrat („Amplissimo et Prudentißimo Urbis Winendensis stratui et senatui“), indem er die Zielsetzung der Stadtchronik darlegt, garniert mit Ovid und Horaz, bereichert durch griechische Zitate aus Euripides und der Odyssee Homers. Es folgt nun ein kurzes Gedicht, das die rühmende Beschreibung der Stadt einleitet („In Oppidum Winidam“), ergänzt um poetische Zugaben von Martin Crusius und Ulrich Bollinger. Crusius war von 1559 bis 1607 Professor der griechischen und lateinischen Sprache an der Universität Tübingen, wo auch Pistorius wirkte. Die eigentliche Stadtbeschreibung legt Pistorius als rhetorisch kunstvollen Gesang an an („Urbis Winindae, carmine epico adornata“). Dann folgt er den Konventionen einer Stadtbeschreibung: Er beginnt mit Lage und Fruchtbarkeit („Situs urbis et fertilitas“), beschreibt dann die nähere Umgebung, ehe er auf die Stadt und ihre Güter zu sprechen kommt. Im Anschluss behandelt Pistorius Winnendens Wirtschaft, Politik und Sitten. In diesem Zusammenhang nennt er die bedeutenden Männer der Stadt; bedeutende Kirchenmänner und Gelehrte stehen im nächsten Abschnitt im Mittelpunkt. Erst danach wendet sich Pistorius dem städtischen Adel zu und den Vertretern des Deutschen Ordens, wobei er die Burg („Arx Winindensium Baronum“) und das Schloss der Breunings von Buchenbach in Birkmannsweiler nicht auslässt. Den Abschluss macht eine Ode an den Stadtpfarrer („Ode, ad reverendum et clarissimum virum, Dn. Martinum Plancum“) und eine Gruppe von Elegien: die Elegie De familia Zweiffeliana, eine Elegie an den Oberlehrer Walther und eine Elegie De familia Gröningeriana. Auch Ägidius Hunnius und das Stadtwappen werden mit einem Gedicht bedacht. Die Reihe schließen zwei Epigramme auf das Stadtwappen und das Grab seines Vaters ab.

Text: Deutsche Zusammenfassung der Descriptio

David Pistorius: Ein kurtzer Begriff / der Historischen Sachen / So in dieser Description nach längs außgeführet worden

Mitten im Württemberger Landt
Liegt Winenden / ein Statt bekandt /
In einem Feld fruchtbar und gut /
Daß manchem gibt ein starcken Muth /
Von Ackern / Wisen / schön ohn massen /
Darbey sich Weinberg sehen lassen /
Auch grün Gärten wol außgerüst /
Daß es einem sein Hertz erfrischt /
Dardurch viel lustig Bächlin fliessen.
Auffgangs der Sonnen ist ein Statt /
So Schorndorff ihren Namen hat /
Darbey die Rembß laufft mit unruh /
Und rinn stracks auff Weiblingen zu /
So gegen Mittag sich erstreckt /
Im Ramßsthall das viel Reben tregt.
Den Nidergang ans Neckers fluß
Steht Marpach in Rinkmauren bschluß.
Und endtlich gegen Mitternacht /
Uff einem Feld so nicht ungschlacht /
Sicht man Baknang / da die Murr krumb
Durch das Feld laufet umb und umb.
In disem Zirkh und bmelten Plan/
Da sich viel Dörfflin sehen lan /
Ligt Winenden / so ungefahr
Vor vier oder fünffhundert Jahr
(Dann die Gschicht sich hie stosset hart)
Von Leutten Winden gnennet wardt /
Von Winden her / die sie im Schilt
Und Fahnen führt / so es ihr gilt. 
 

Aus: Descriptio urbis Winindae in agro Wirtembergico sitae, Tübingen, 1605. S. (Z. 1-30), http://idb.ub.uni-tuebingen.de/diglit/LXIV12_qt

Pistorius’ deutschsprachiger Bericht fasst die lateinische Ortchronik in knappen Knittelversen zusammen. Pistorius beschreibt zunächst die Lage Winnendens, wie in frühneuzeitlichen Topographien üblich.

Der Chronist führt den Stadtnamen auf die Winden zurück, die er auch im Stadtwappen findet und konzentriert sich auf die politische Geschichte der Stadt im Zusammenhang mit der Genealogie der Stadtherren. Ferner erwähnt er die Eroberung Winnendens durch Konrad von Weinsberg, der dem Burgherrn die Burg entzogen habe; der Freiherr zu Neuffen habe das Schloss 1325 dem Deutschen Orden verkauft. Auch der große Stadtbrand und die Einrichtung einer Schule finden Erwähnung. Der deutsche Kurzbericht endet mit der Schleifung von Bürg durch Herzog Ulrich, der das Material zum Bau der Landesfestung verwendet habe.

Quellen

  • Georgii-Georgenau, Eberhard von: Biographisch-genealogische Blätter aus und über Schwaben. Stuttgart: Emil Müller, 1879, S. 683 f.
  • Pistorius, David: Geschichte der Stadt Winnenden und der umliegenden Orte, hrsg. Johann Ulrich Wirth. Winnenden: Fetzer, 1850 (2. verb. Aufl.)
  • Pistorius, David: Descriptio urbis Winindae in agro Wirtembergico sitae: In qua res occurrunt variae ex antiquitatum monumentis delibatae. Tübingen: 1605
  • Pistorius, David: Encomium Urbis Palatino-Würtembergicae Neapoleos Ad Coccharum &c.: In Qvo Vetvstas, Dominatvs, Et Fortvna eivs Svccincte Proponvntvr. Tübingen: Cellius, 1606