Ein Friedenskämpfer stirbt in Winnenden: Otto Umfrid

Biographie

Otto Ludwig Umfrid wird am 2.5.1857 als Sohn des gleichnamigen Rechtsanwalts Otto Ludwig Umfrid und dessen Frau Franziska in Nürtingen geboren. Von 1867 bis 1875 ist er Gymnasiast in Ulm. Zwischen 1875 und 1879 studiert er Evangelische Theologie am Evangelischen Stift in Tübingen und schließt mit der Theologischen Dienstprüfung ab. In seiner Tübinger Zeit ist Umfrid Mitglied der Studentenverbindung Tübinger Lichtenstein. Prägend sind Erlebnisse während seines Studiums und der ersten Jahre des Stuttgarter Pfarrdiensts: Die Armut der Kleinbauern und der Industriearbeiter bewegen ihn. Am Evangelischen Stift Tübingen ist Umfrid von 1882 bis 1884 Stiftsrepetent, ehe er 1884 Pfarrer in Peterszell-Römslinsdorf (Dekanat Sulz). 1890 ist er Stadtpfarrer in St. Martin, Stuttgart. Zwanzig Jahre lang schreibt Umfrid als Herausgeber des Familienblattes „Grüß Gott“ Sonntagspredigten. Auch die Zeitschrift „Völkerfrieden“ gibt er heraus. 1894 tritt Otto Umfrid in die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG) ein. Auf Umfrids Initiative gründet sich 1899 der Landesverein Württemberg der DFG. 1900 wird Umfrid stellvertretender Vorsitzender der DFG, deren Hauptgeschäftsstelle im selben Jahr nach Stuttgart verlegt wird. Umfrid bemüht sich besonders um die Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich, England und Russland. So tritt er 1904 auf dem Weltfriedenskongress auf und auf deutschen Friedensversammlungen. Damit steht er in klarem Gegensatz zur deutschen Außenpolitik Kaiser Wilhelms II. Auch von evangelischen Glaubensbrüdern wid er heftig angefeindet – als „Judengenosse“ und „Friedenshetzer“. Vor allem gegen das Wettrüsten auf See spricht er sich aus, das er wie alle anderen Bestrebungen zum Krieg als Gotteslästerung auffasst. Im selben Zusammenhang steht seine Kritik an sozialen Missständen bei Kleinbauern und Industriearbeitern und sein Einsatz gegen Rassismus. Aufgrund seiner nachlassenden Sehkraft, die ihn schließlich ganz erblinden lässt, tritt er 1913 in den Ruhestand. Nach dem Erscheinen seiner Schrift Europa den Europäern im selben Jahr schlägt ihn Berta von Suttner für den Friedensnobelpreis vor. Dazu kommt es nicht: Der Ersten Weltkrieges vereitelt es. Während des Krieges deckt Umfrid deutsche Kriegspropaganda auf und wird darauf mit einem Schreibverbot belegt. 1917 legte er alle Ämter nieder und zieht sich zurück. Sein körperlicher und seelischer Zustand verschlechtert sich zusehends. Umfrid wird schließlich in die Heilanstalt Winnenden eingewiesen. Am 23.5.1920 stirbt Umfrid in Winnenden – vierzig Jahre nach seinem Lehrer Karl Friedrich Planck. Er wird in Stuttgart beigesetzt.

Bezug zu Winnenden

Am 25.3.1905 spricht Otto Umfrid, der als Stadtpfarrer an der Stuttgarter Martinskirche wirkt, erstmals in Winnenden. Der Vortrag ist für halb fünf anberaumt, stattfinden soll er im Gasthaus „Zum Bären“. Gastgeber ist das Friedensgesellschaftsmitglied J. Rupp. Angekündigt wird er in einer kurzen Meldung vom 21.3.1905 als „Friedenskämpfer und edler Menschenfreund“. Umfrid spricht zunächst über die Ziele und Aufgaben der Friedensgesellschaft. Im Anschluss verurteilt er den Glauben an humane Kriege, wobei er als Beispiel den Russisch-Japanischen Krieg anführt, und fordert zu tätiger Nächstenliebe auf. Allerdings ließ das Interesse der Winnender zu wünschen übrig: Zwei Tage später meldet das „Volks- und Anzeigenblatt“ (VuAB, 27.3.1905): „Zu bedauern ist, daß bei den edlen Bestrebungen, welche die Friedensgesellschaft leiten, die Versammlung nicht zahlreicher besucht war“ (Ebd.). Erst fünfzehn Jahre später ist Umfrid wieder in Winnenden: als Patient der Heilanstalt.

Bibliographie

Primärliteratur

  • Umfrid, Otto und Walter Haupt: Das Vaterunser: 16 Predigten. Heidelberg: Evang. , 1901
  • Umfrid, Otto: Karl Planck. Dessen Werke und Wirken. Zum Andenken an den Verewigten seinen Schülern und Freunden gewidmet. Tübingen: Fues,1881.
  • Umfrid, Otto: Friede auf Erden! Betrachtungen über den Völkerfrieden. Langguth, Esslingen am Neckar 1898
  • Umfrid, Otto: Europa den Europäern. Politische Ketzereien. Langguth, Esslingen am Neckar 1913
  • Umfrid, Otto: Worte am Grabe des Fräulein Hermine Balz: geboren den 12. Januar 1885, gestorben den 11. August 1905, beerdigt den 13. August 1905. Stuttgart: Neues Tagblatt A.-G., 1905
  • Umfrid, Otto: Leichenrede für Karl Aldinger, Gutsbesitzer auf dem Weißenhof. Stuttgart: Hofbuchdruckerei Greiner & Pfeiffer, 1900c
  • Umfrid, Otto: Worte am Grabe der Rosina Adrion geb. Schillinger (Ehefrau des Gutsbesitzers Johannes Adrion in Peterzell): geboren zu Reinerzau den 15. Juli 1829, gestorben den 15. Oktober 1884. Oberndorf: Gedruckt in der Wilh. Brandecker’schen Buchdruckerei, 1884
  • Umfrid, Otto: Weltwerbesserer und Weltverderber: Eine Sammlung von Kriegsaufsätzen. Zürich: Orell Füssli, 1916
  • Umfrid, Otto: Vaterlandsliebe und Menschheitsliebe. Esslingen a. N.: Langguth, 1910
  • Umfrid, Otto: Rüstungsstillstand. Esslingen: Langguth, 1911
  • Umfrid, Otto: Der Krieg auf der Anklagebank: Unterhaltendes aus der Friedensbewegung. Esslingen: Langguth, 1898
  • Umfrid, Otto: Anti-Stengel. Esslingen: Langguth, 1909
  • Umfrid, Otto: Völkerevangelium. Esslingen: Langguth, 1915
  • Umfrid, Otto: Der Wehrverein eine Gefahr für das deutsche Volk: Polemisches und Irenisches. Esslingen: Langguth, 1914
  • Umfrid, Otto: Arbeiter-Evangelium: Drei Vorträge an die Arbeiter. Stuttgart: Glaser & Sulz, 1893
  • Umfrid, Otto: Ein Jahr in Schwaben unter Freunden und Feinden Deutschlands. Stuttgart: Schaber, 1867
  • Umfrid, Otto: Da die Zeit erfüllet ward: Wandlungen deutschen Denkens und Wollens; dargestellt nach der K. Chr. Planckschen Philosophie. Leipzig: Verlag "Naturwissenschaften", 1917
  • Umfrid, Otto: Recht, Gewalt und Zukunftskrieg: Vortrag. Esslingen: Langguth, 1900
  • Umfrid, Otto: Bismarcks Gedanken und Erinnerungen im Lichte der Friedensidee und Anderes zur Kritik nationalsozialer Afterpolitik. Esslingen a.N.: Langguth, 1905
  • Umfrid, Otto: Die Gerechtigkeit und die Juristen. Stuttgart: Schaber, 1867
  • Umfrid, Otto: Anti-Treitschke. Esslingen: Langguth, 1907
  • Umfrid, Otto L.: Zwei Fragen an Christus und Zwei Fragen an seine Jünger: Sendschreiben eines Ältesten an die Gemeinschaften Christi. Stuttgart: Greiner & Pfeiffer, 1896
  • Umfrid, Otto: Göthe: Der deutsche Prophet in der Faust- und Meisterdichtung ; mit einem Anhang der benützten, teilweise erst neu aufgefundenen Quellen in Göthes Werken, Korrespondenzen etc. Stuttgart: Bonz, 1893

Sekundärliteratur

  • Reischle, Helmut: Otto Umfrid: Ein Nürtinger im Kampf um Menschenrechte, Menschenwürde, Frieden. Nürtingen: Volksbank, 1993
  • Umfrid, Grete (Hrsg.): Zum Gedächtnis von Otto Umfrid. In: Friede durch Recht, hrsg. v. Fritz Röttcher, Stuttgart, Wiesbaden ca. 1921.
  • Mauch, Christof, Tobias Brenner: Für eine Welt ohne Krieg. Otto Umfrid und die Anfänge der Friedensbewegung. Schönaich: Ulmer, 1987
  • Bredendiek, Walter: Die Friedensappelle deutscher Theologen von 1907/08 und 1913. In: Ders.: Irrwege und Warnlichter. Anmerkungen zur Kirchengeschichte der neueren Zeit. Hamburg: 1966, S. 40–60
  • Bredendiek, Walter: Otto Umfrid. Ein vergessener Vorkämpfer für eine Welt ohne Krieg. Zu seinem 50. Todestag. In: Stimme der Gemeinde zum kirchlichen Leben, zur Politik, Wirtschaft und Kultur. Jg. 22, 1970, Seite 394–402
  • Schmid, Manfred: Otto Umfrid. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Bd. 12. Herzberg: Bautz 1997
  • Ziegler, Juliane: Der politisierende Pfarrer. In: chrismon plus 2/2016. ISSN 1619-6384, S. 47