Zum Schreiben einer Sachtextanalyse

I. Warum Sachtexte analysieren?

Gedichte und Kurzgeschichten sind Kunstwerke. Kunstwerke laden dazu ein, sie zu enträtseln, ihre Bedeutung zu klären, ihre Form zu verstehen. Aber Sachtexte – Reden, Artikel, Essays? Es gibt einige gute Gründe, sich mit der Analyse von Sachtexten auseinanderzusetzen.

  • Zukunftsbedeutung: Sachtexte begegnen euch im späteren Leben immer wieder – zuerst im Studium, dann im Beruf. Ihr solltet in der Lage sein, Argumente herauszuarbeiten und Texte gründlich zu erfassen.
  • Bedeutung für andere Fächer: Zumindest in den Sprachfächern und in den Gesellschaftswissenschaften musst du gelegentlich Sachtexte analysieren.
  • Kritisches Denken: Die Analyse von Sachtexten wappnet euch gegen Manipulation und schult das kritische Denken.
  • Sprachtraining: Sie schärft außerdem den eigenen Stil und fördert das Schreibvermögen. Wer versteht, wie Sachtexte wirken, ist eher in der Lage, wirkungsvolle Sachtexte zu verfassen.

 II. Was kann man tun, um besser zu werden?

Um gute Sachtextanalysen zu verfassen, muss man einige Vorleistungen erbringen.

  • Zentral ist, Erfahrung mit Sachtexten zu sammeln. Dazu empfiehlt sich die Lektüre aktueller Sachbücher, aber auch das Sichten der Medienlage (Zeitung, auch online: taz, Welt, Spiegel Online, ZEIT, FAZ, Süddeutsche).
  • Historische und politische Kenntnisse sind ebenfalls nützlich. Wer in Geschichte und Gemeinschaftskunde aufpasst, dürfte Vorteile haben.
  • Hilfreich kann es auch sein, wenn du dich mit Argumentationslehre und Rhetorik
  • Eine der gängigen Stilmittel solltest du dir zwingend aneignen und vorhandene Kenntnisse vertiefen.
  • Wiederholen solltest du außerdem die Technik des richtigen Belegens.
  • Den Aufbau des Aufsatzes prägst du dir am besten ein, damit der Schreibplan nicht so große Mühe bereitet.
  • Außerdem solltest du dich intensiv mit deinem eigenen Stil auseinandersetzen. Einige Ratgeber (z. B. von Wolf Schneider) sprechen Empfehlungen aus, wie man lernt, eleganter und fasslicher zu schreiben.
  • Falls die Lehrkraft keine Zeiteinteilung vorgibt, solltest du nachfragen.
  • Bietet dein Lehrer dir an, Übungsaufsätze durchzusehen, dann solltest du welche verfassen. Die Mühe ist gut investiert. Geeignet sind ältere Abitur-Aufgaben.

III. Zur Erschließung von Sachtexten

Was für Lyrik und Prosa gilt, gilt auch für Sachtexte: Eine gründliche Erschließung ist die Voraussetzung für eine gelungene Textanalyse. Im Gegensatz zur Texterörterung muss beim Erschließen die Gestaltungsweise untersucht werden. Folgende Punkte solltest du auf der Textvorlage bearbeiten:

  • Welche Abschnitte lassen sich unterscheiden? Welche Funktion haben sie jeweils? (Zeilen nummerieren!)
  • Wie lautet der Titel? Was verrät er über die Position des Verfassers?
  • Was lässt sich über den Autor oder die Autorin des Texts aussagen? Ergeben sich aus Herkunft, Berufstätigkeit, öffentlicher Rolle, Alter und Geschlecht Anhaltspunkte für die Position des Verfassers?
  • Um welche Textsorte handelt es sich? Meist handelt es sich um journalistische Textsorten (Essay, Kommentar, Kolumne, Leitartikel…). Vereinzelt können auch Reden und Vorträge behandelt werden. Jede Textsorte gehorcht eigenen Regeln. Davon ist abhängig, wie der Verfasser argumentiert!
  • Ist bekannt, in welchen Kontext der Text gehört? Bei Vorträgen oder Reden: Wo wurden sie gehalten, in welchem Rahmen, vor welchem Publikum, zu welchem Anlass? Bei journalistischen Texten: In welchem Medium ist der Text erschienen? Im Grunde sind Journalisten in Deutschland nicht an die herrschende Meinung in der Redaktion gebunden, die Tendenz des Mediums kann aber die Meinung des Verfassers beeinflussen: ZEIT = bürgerlich-liberal, FAZ / Die Welt = bürgerlich-konservativ, taz = linksliberal, Süddeutsche = sozialliberal.
  • Welche zentralen Begriffe werden verwendet? Unterscheidet sich die Verwendungsweise vom üblichen Sprachgebrauch?
  • Wann ist der Text erschienen – was lässt sich aus dem Erscheinungsdatum schließen? Wieviel Distanz zum Geschehen ist dadurch gegeben?
  • Was ist, in einem Satz, die Position des Verfassers? Manchmal ergibt sich die Position des Verfassers schon aus dem Titel, meist steht sie nach dem zweiten Lesen fest. Anhaltspunkte sind Formulierungen, die Ablehnung oder Zustimmung zum Ausdruck bringen. Bei ironischen Texten ist Vorsicht geboten!
  • Welche Argumente kannst du unterscheiden? Nummeriere die Argumente und benenne die Argumentationsschritte (Th = These, Bg = Begründung, Bl = Beleg)!
  • Fallen bei den Belegen Zitate auf, Anspielungen oder Verweise auf andere Autoren?
  • Welche kommunikativen Strategien wendet er (oder) sie an, um die Leserschaft zu überzeugen? Solche Strategien können argumentativer Natur sein (z. B. die Häufung von Beispielen) oder rhetorischen Charakter haben (steigernde Anordnung von Belegmaterial, massiver Einsatz rhetorischer Fragen). Auch Ironie und Sarkasmus gehören hierher?
  • Was prägt den Stil des Texts insgesamt? Welche Stilschicht dominiert? Wo gibt es Brüche? Was kennzeichnet den Stil? Fallen bestimmte Stilmerkmale besonders ins Auge? Welchen Abstraktionsgrad hat der Text?
  • Welche Stilmittel wendet der Autor an? Bei der Textanalyse sind von besonderem Interesse: a) Mittel des Satzbaus (Hypotaxe, Parataxe, Hyperbaton), b) Stellungsfiguren (Chiasmus, Parallelismus, Inversion), c) Wiederholungen (Repetitio, Anapher), d) Auffälligkeiten im Wortbestand (Neologismus, Archaismus), e) klangliche Mittel (Reim, Alliteration), f) gedankliche Figuren (Oxymoron, Paradox, Antithese, Klimax, Antiklimax).

IV. Zum Aufbau der Sachtextanalyse

IV.1 Einleitung und Überschrift

Die Einführung motiviert und informiert den Leser; ihm sollte veranschaulicht werden, worin die Bedeutung des vom Text formulierten Gegenstandes liegt. Anschließend werden im Basissatz die W-Fragen zum Text beantwortet. Es folgt eine Einordnung des Texts in seinen Kontext.

  • Zweiteilige Überschrift: Textanalyse zu „Titel des Texts“ von [Autor]
  • Hinführung zum Thema: Die Hinführung sollte das Thema knapp anreißen und seine Relevanz deutlich machen. Dazu könntest du seine Aktualität belegen, seine Umstrittenheit darlegen oder seine Zukunftsbedeutung herausarbeiten.
  • Autor: Der Autor sollte mit Lebensdaten und seiner gesellschaftlichen Rolle vorgestellt werden.
  • Textsorte: Was wird dir zur Analyse vorgelegt? Häufig befasst du dich mit Meinungstexten: Essay, Glosse, Kolumne, Vortrag, Rede. Die Textsorte solltest du genau bestimmen.
  • Titel: Der Titel steht in Anführungszeichen.
  • Datierung: Bei Reden ist zunächst einmal wichtig, wo und wann sie gehalten wurden. Wurden sie anschließend gedruckt, ist auch das Datum des Erscheinens von Bedeutung. Bei Texten, die nur schriftlich vorliegen, können das Entstehungs- und Erscheinungsdatum von Bedeutung sein.
  • Thema: Das Thema eines Sachtexts erfragst du mit der einfachen Frage: Worum geht’s?
  • Position des Autors: Hier stellst du dar, worauf der Autor hinauswill. Befürwortet er, was er beschreibt? Übt er Kritik? Will er vermitteln?
  • Situativer Kontext: Reden und Vorträge entstehen in einer bestimmten Situation. Sie werden auf Kongressen oder politischen Versammlungen gehalten. Dieser situative Kontext sollte erfasst und dargestellt werden. Dies betrifft vor allem die jeweilige Institution und den Anlass.
  • Kontext des Werks: Sachtexte werden meist im Zusammenhang eines größeren Werks oder Mediums veröffentlicht. Du solltest angeben, woher der Text stammt. Nenne das jeweilige Medium (Zeitung, Zeitschrift, Sammelband, Internetseite), dem jeweiligen Band, die Rubrik und die Erscheinungsnummer. Wenn der Text im Rahmen einer Serie erscheint, ist auch der Serientitel anzugeben.
  • Zeitgeschichtlicher Kontext: Jeder Sachtext spiegelt die Zeit seiner Entstehung. Wo immer es nötig ist, sollte der Text in seinen zeitgeschichtlichen Kontext eingeordnet werden.

IV.2 Hauptteil

1. Inhalt und Aufbau des Textes: Strukturierte Textwiedergabe

Ermittelt werden soll zunächst der Aufbau des Texts. Hier empfiehlt sich die Einteilung in Sinnabschnitte. Verwende das Präsens, Vorzeitigkeit drückst du mit dem Perfekt aus. Aussagen des Verfassers werden entweder zitiert oder im Konjunktiv der indirekten wiedergegeben.

  • Der Hauptteil beginnt damit, dass du die Zahl der Abschnitte
  • Im Folgenden beschreibst du den groben Aufbau des Texts, ohne die Argumentation zu untersuchen.
  • Dazu nennst du die Ordnungszahl des Abschnitts: Der erste / zweite Abschnitt…
  • Unmittelbar danach gibst du den Zeilenumfang an: … (Z. 1-12).
  • Beschreibe dann die Funktion des Absatzes, also, was dieser Abschnitt leistet. Führt der der Autor ins Thema ein? Stellt er ein Beispiel vor? Referiert er eine Expertenmeinung? Nimmt er Stellung?

2. Inhaltliche Analyse

Nun werden die eben erarbeiten Abschnitte differenzierend untersucht – immer im Hinblick darauf, welches Ziel im Vordergrund steht und welche Wirkung erzeugt werden soll. Die inhaltliche Analyse erfordert zunächst eine genau, kritische und fachkundige Darstellung der Argumentation. Empfehlenswert ist es dabei, den Leser durch Überblickssätze zu orientieren („Drei Thesen werden angeführt: …“). Auch die geschickte Verknüpfung der Sinnabschnitte ist von Bedeutung („Ferner…“, „Dem fügt … hinzu, …).

  • Logische Ordnung: Wie hängen die Argumente zusammen? In welcher Reihenfolge werden bestimmte Gedanken dargestellt?
  • Argumentative Strukturen: Was ist These, Begründung, Beleg?
  • Argumentationsmuster: Welche Typen von Argumenten werden verwendet? Sachargumente, Normenargumente? Je differenzierter man die Argumente benennen kann, desto besser. Besonders Belege (Studien, Autoritäten) verdienen deine Aufmerksamkeit.
  • Qualität der Argumentation: Die verschiedenen Arten von Argumenten haben einen unterschiedlichen Überzeugungsgrad. Faktenargumente wiegen schwer, Argumente ad hominem sind von zweifelhafter Güte.
  • Argumentationsmängel: Wo Fehlschlüsse und inhaltliche Fehler vorkommen, sollten sie erwähnt werden.

3. Sprach- und Stilanalyse

In der Sprach- und Stilanalyse musst du den Funktionszusammenhang von Inhalt, sprachlicher Form und Aussageabsicht des Textes darstellen. Dabei solltest weder die Zielsetzung des Autors noch die Interessen des Lesers aus dem Blick verlieren. Weder sollte man sich in Textbelegen einmauern, noch sollte man gar nichts belegen. Auch das unverbundene Aufreihen von Stilfiguren ist tabu.

  • Stilistik: Die sprachlichen Mittel und der Stil als Ganzes tragen zur rhetorischen Gestaltung und Wirksamkeit eines Texts entscheidend bei. Welche Stilschicht dominiert, hängt vom Publikum ab. Ein Massenpublikum erreicht man durch rhetorische Volksnähe, etwa durch knappe, pointierte Aussagen und die Verwendung der Umgangssprache. Ein akademisch gebildetes Fachpublikum verträgt Anspielungen, Ironie oder komplexe Beweisgänge.
  • Satzbau (Syntax): Untersuche den Satzbau und die Wortstellung im Satz. Durch Inversion und Chiasmus kann sich der Satzakzent verschieben. Parallelismen ermöglichen den direkten Vergleich zweier Aussagen. Anaphern verdeutlichen, welche Sätze oder Satzglieder zusammengehören. Wiederholungsfiguren (z. B. die Repetitio) erhöhen die Nachdrücklichkeit einer Aussage.
  • Wortwahl (Lexik): Achte besonders die Wortwahl. Wörter setzen begriffliche Rahmen, die dem Leser eine bestimmte Deutung nahelegen (Framing). Wörter können beschönigen (Euphemismus), sie können aber auch abwertend verwendet werden (pejorativ).
  • Tropen: Besonders wichtig sind besonders die sprachlichen Bilder (z. B. Vergleich, Metapher). Sie wirken sich darauf aus, in welchem Zusammenhang eine Aussage wahrgenommen wird.

IV.3 Schluss

Im Schluss sollst du den Text beurteilen. Wichtige Bezugspunkte sind dabei: sein Urheber, der Kontext der Entstehung, das Hier und Jetzt des Lesers. Du solltest allgemein beurteilen, ob der Text der Aussageabsicht mit seiner Wirkungen gerecht wird. Dazu solltest du seine mögliche und tatsächliche Wirkung berücksichtigen, den Standpunkt des Autors berücksichtigen und den Text für den Leser zugänglich machen. Zentrale Fragen des Schlussteils sind damit:

  • Erreicht der Text sein Ziel?
  • Was fehlt noch? Welche Mängel hat der Text?
  • Was hat der Text bewirkt / könnte er bestenfalls / im schlechtesten Fall bewirken?
  • Welchen Adressatenkreis erreicht er? Wie? Mit welchem Ergebnis? Wen erreicht er nicht?
  • Ist er noch aktuell? Warum? Warum nicht?
  • Was ergibt sich aus der Beschäftigung damit? Ein Appell? Eine Schlussfolgerung?
  • Rückbezug zum Anfang (Klammerbildung)
  • Pointierter Schlusssatz, eigene Position