Migration und kulturelle Vielfalt im Raum Baden-Württemberg: Chronik
-58 |
Ein römisches Heer unter Julius Cäsar schlägt im Elsass einfallende Sueben. |
-15 |
Ein Expeditionsheer unter Drusus und Tiberius, den Stiefsöhnen des Augustus, besetzt das nördliche Voralpenland. Die Provinz Raetia wird gebildet, |
85 |
Domitian errichtet die Provinz Germania superior, die auch Teile des heutigen Baden-Württemberg umfasst. Dort leben neben den römischen Besatzungstruppen , die sich aus Legionären verschiedenster Herkunft zusammensetzen, germanische Sueben und keltische Helvetier. |
120 |
Der obergermanisch-raetische Limes wird errichtet. Im Schutz des Limes entwickelt sich eine wirtschaftlich blühende Provinz. Zahlreiche Lehnwörter bezeigen den kulturellen Einfluss Roms im süddeutschen Raum. |
233 |
Die Alamannen, ursprünglich aus dem Ostseeraum, durchbrechen den obergermanisch-rätischen Limes und plündern römisches Gebiet. Im Verlauf der Völkerwanderung gelangen auch slawische Wenden nach Schwaben. |
496 |
Die Franken besetzen nach der Schlacht bei Zülpich das nördliche Alemannien bis in den Raum Ludwigsburg. Fränkische Siedler gelangen in den südwestdeutschen Raum. |
909 |
Die Ungarn dringen nach Südwestdeutschland vor. Erst in der Schlacht am Lechfeld am 10.8. beendet Otto I. die Einfälle der Ungarn und Petscheneggen. |
1070c |
Mit dem Heilbronner „Nathan-Stein“ sind erstmals hebräischsprachige Juden im heutigen Baden-Württemberg nachweisbar. Jüdische Gemeinden bestehen sehr wahrscheinlich schon länger, insbesondere in den Reichstädten. |
1498 |
In einer neuen Regimentsordnung lässt Herzog Eberhard V. sämtliche Juden aus Württemberg ausweisen. |
1555 |
Der Augsburger Religionsfrieden führt nach dem Grundsatz „Cuius reio, eius religio“ („Wer regiert, bestimmt die Religion“) zu einem Bevölkerungsaustausch zwischen katholischen und protestantischen Gebieten. |
1601 |
Herzog Friedrich I. siedelt Glaubensflüchtlinge aus Kärnten, der Krain und der Steiermark im neu gegründeten Freudenstadt an. |
1607 |
Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz lädt Hugenotten zur Besiedelung seiner Neugründung Mannheim ein. |
1648 |
Der Westfälische Friede führt zu einer vermehrten Zuwanderung aus protestantischen Gebieten, etwa aus der Schweiz, Österreich und den deutschsprachigen Gegenden Sloweniens. Schweizer Siedler, viele stammen aus Graubünden, dem Rheintal und dem Montafon, zieht es vor allen an den Oberrhein und in den Bodenseeraum. Aus Österreich wandern vor allem Tiroler und Vorarlberger nach Württemberg ein – Georg Friedrich Hegel, Justinus Kerner und Wilhelm Hauff gehören zu ihren Nachfahren. Aus Flandern, Wallonien, Frankreich und den spanischen Neubürgern erhält Württemberg ebenfalls Zuzug. Auch Walser aus Südtirol, Händler aus dem Gebiet des Comer Sees und Savoyarden gelangen nach Württenberg. Insbesondere die adeligen Händler vom Lago di Como gelangen zu Ansehen – etwa die Familien Brentano, Canaris und Bordollo und Piazolo |
1651 |
Glaubensflüchtlinge aus Kärnten werden von der Freuen Reichstadt Ulm in Wain angesiedelt. |
1653 |
3.6.: Nach der Niederlage Schweizer Bauern gegen das eidgenössische Bundesheer bei Wohlenschwil suchen Tausende Aufständische Exil im Schwarzwald und den angrenzenden Gebieten. |
1670 |
Schweizer Mennoniten lassen sich im Kraichgau nieder. |
1685 |
Die Aufhebung des Toleranzedikts von Nantes führt zum Zuzug von etwa 3.000 protestantischen Hugenotten. Von ihrem Zuzug profitieren vor allem Städte wie Mannheim, Frankenthal und Pforzheim. Auf die Hugenotten gehen Begriffe wie Polier, Kinkerlitzchen und Klamauk zurück. --- 1200 Salzburger Exulanten kommen nach Württemberg. |
1688 |
Etwa 1000 waldensische Flüchtlinge aus Savoyen halten sich in Württemberg auf. |
1689 |
Kaiserliche Populationskommissare werben vor allem in den österreichischen Gebieten Südwestdeutschlands (vor allem in Oberschwaben und im Schwarzwald) um katholische Kolonisten für das überwiegend calvinistische Ungarn. Die Auswanderung führt zu einem spürbaren Bevölkerungsrückgang. |
1698 |
Etwa 3.000 Waldenser, die 1698 aus dem Piemont vertriebenen Anhänger des Petrus Valdes, lassen sich auf Geheiß des württembergischen Herzogs Eberhard Ludwig in Württemberg niederg. Die Schwerpunkte waldensischer Besiedlung liegen bei Mühlacker und Heilbronn: Pinache, Perouse, Serres, Großvillars, Kleinvillars, Dürrmenz, Schönenberg, Corres und Sengach, Neuhengstett und Nordhausen. |
1699 |
15.9.: Waldensische Neubürger geloben in einer von Pfarrer Henri Arnaus geleiteten Zeremonie dem Württembergischen Herzog die Treue. |
1700 |
Eine Gruppe von 150 Hugenotten gelangt nach Bad Cannstatt. |
1701 |
Mit Palmbach wird die letzte waldensische Kolonie in Württemberg gegründet. |
1708 |
13.000 Auswanderer aus Südwestdeutschland warten in London auf eine Möglichkeit zur Überfahrt in die USA. Im Folgejahr werden 3.000 pfälzische Protestanten werden von Dublin aus auf verschiedene Regionen Irlands verteilt (Palatine bei Carlow, Rathkeale). |
1710 |
Zahlreiche „Pfälzer“ – darunter auch Badener und Württemberger – erreichen die USA, wo sie sich vor allem in Pennsylvania niederlassen. |
1715 |
Hofbaumeister Giovanni Donato Frisoni ist für den Ausbau des Ludwigsburger Schlosses zuständig. |
1718 |
Österreich übernimmt im Frieden von Passarowitz vom Osmanischen Reich unter anderem das Banat: Die Siedler nutzen von Ulm aus die Donau in den „Ulmer Schachteln“. Allerdings stammen nur wenige Siedler aus dem Gebiet Baden-Württembergs. |
1731 |
31.10.: Das Emigrationspatent des Salzburger Erzbischofs Leopold Anton von Firmian führt zur letzten größeren Vertreibung von Protestanten aus dem Salzkammergut („Salzburger Exulanten“). Einige davon lassen sich im protestantischen Württemberg nieder, viele ziehen nach Preußen weiter. |
1748 |
Maria Theresia führt die Bevölkerungspolitik ihrer Vorgänger in Ungarn und Rumänien fort. Vor allem aus dem badischen Oberland brechen viele Siedler nach Siebenbürgen auf. |
1762 |
Zwei Einladungsmanifeste Katharina der Großen, die als Prinzessin von Anhalt selbst Deutsche war, führen zur Anwerbung zahlreicher Württemberger für „Russisch-Polen“, oft gegen den Widerstand der Obrigkeit. Sie lassen sich vor allem in Pommern, Schlesien und Ostpreußen nieder. |
1763 |
Das Gebiet um Saratow an der unteren Wolga lockt deutsche Siedler an, darunter Kolonisten aus Nordbaden, Württemberg, dem Kraichgau und dem Hohenlohischen. |
1768 |
Per Reichsgesetz wird die Werbung um Auswanderer im Reichsgesetz erlaubt, während die Auswanderung nach Russland begrenzt werden soll. |
1769 |
In Offenburg wird eine Auswanderungsagentur für Württemberg, Baden und das Elsass eingerichtet. |
1770 |
Protestantische Auswanderer aus der Gegend von Kehl brechen nach Siebenbürgen auf. |
1781 |
Das Toleranzedikt Josephs II. von 1781 verstärkt den Zuzug von Badenern und Württemberg ins Habsburgerreich. |
1782 |
Größere Gruppen von Auswanderern machen sich aus Nordbaden und Württemberg auf nach Galizien. |
1790 |
Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz lässt im Schwetzinger Schlosspark eine Moschee errichten. |
1795 |
Preußen besetzt Mittelpolen und entsendet Werber nach Südwestdeutschland, etwa nach Crailsheim und ins hohenlohische Öhringen, wo ein „Reichs-Kolonisten-Werbungsbüro“ eingerichtet wird. Bei Lodz, im Gostyner Land und bei Warschau entstehen Dörfer, deren Namen die Besiedlung aus Baden und Württemberg andeuten (Neu-Württemberg, Kanstadt, Ludwigsburg, Badendorf, Grömbach, Königsbach). |
1800 |
54 Familien aus dem Schwarzwald, vor allem aus Altensteig, gründen das westpreußische Grömbach im Laznower Forst. |
1802 |
Eine größere Gruppe von etwa 2000 Württembergern wandert in den Banat aus, von Stockach aus werden Badener und Württemberger für Galizien geworben. |
1804 |
Nach der Thronbesteigung Alexanders II. (eines Sohns der württembergischen Prinzessin Sophie Dorothea Auguste) werden badische und württembergische Siedler für Südrussland geworben, die über Odessa an ihr Ziel gelangen. |
1806 |
Mit der Erhebung zum Königreich gelangen Dörfer mit jüdischen Gemeinden an Württemberg. --- König Friedrich hebt das Recht des freien Zuzugs auf und verbietet die Auswanderung. |
1808 |
Nach einer vierjährigen Unterbrechung sind erneut Werber für Russland in Baden unterwegs. --- In Baden dürfen Juden erstmals Grundbesitz erweben. |
1814 |
Nach dem Ende der Napoleonischen Kriege setzt eine verstärkte Auswanderung nach Russland ein. |
1815 |
Die Auswanderungsfreiheit wird wiederhergestellt. --- Burschenschafter verbrennen in Baden jüdisches Schrifttum. |
1816 |
Endzeitlich orientierte Separatisten aus Württemberg gelangen nach Georgien, wo bei Tiflis Schwabenkolonien entstehen (Katharinenfeld, Helenendorf, Auenfeld, Georgsfeld). |
1817 |
Friedrich List führt auf Anordnung des württembergischen Königs eine Befragung unter Auswanderungswilligen durch, die vor allem Behördenwillkür, Abgabenlast und Justizmängel als Ursachen ausmacht. |
1819 |
In Baden kommt es während des „Hep-Hep-Sturms“ zu Übergriffen gegen Juden. |
1822 |
Am Asowschen Meer, im Kaukasus und in Bessarabien entstehen Schwabendörfer. |
1823 |
Die Waldensergemeinden werden der lutherischen Landeskirche eingegliedert. |
1824 |
Nach dem Verbot des Französischen (Okzitanischen) als Gottesdienstsprache werden Waldenser-Jugendliche erstmals auf Deutsch konfirmiert. |
1825 |
Friedrich List muss Württemberg ins Exil verlassen. |
1828 |
Eine „Israelitische Oberbehörde“ wird geschaffen. --- Die Sonderbesteuerung der Juden wird abgeschafft. |
1830 |
Zahlreiche Badener lassen sich in Französisch-Algerien nieder. |
1845 |
Krisenjahre in der Landwirtschaft, die vor allem die Pfalz hart treffen, führen zur Ausreise vieler „Palatinates“ nach Amerika. Dazu gehören so bekannte Persönlichkeiten wie Charles (Karl) Pfizer aus Ludwigsburg, der Mergentheimer Christoph Memminger, Johann Jakob Astor aus Walldorf und Gottlieb Storz aus Benningen am Neckar. --- Stephan Ludwig Roth eröffnet in Berg (heute zu Stuttgart) ein Auswandererbüro für Siebenbürgen. 406 Schwabenfamilien wandern aus. |
1848 |
Die gescheiterte Revolution führt zum Exodus auch württembergischer Teilnehmer, die in die Schweiz oder in die USA fliehen. --- Im Kraichgau, im Odenwald und in Dörfern Württembergs kommt es zu Feindseligkeiten gegen Juden. |
1849 |
Jüdische Bürger Badens dürfen als Abgeordnete kandidieren. |
1862 |
Ein Gleichstellungsgesetz im Großherzogtum Baden stellt jüdische Bürger christlichen Bürger gleich. |
1864 |
Ein Gleichstellungsgesetz ermöglicht die Emanzipation württembergischer Juden. |
1868 |
Pietisten um Christoph Hoffmann, die „Templer“ bzw. „Herusalemsfreunde“, wandern nach Palästina aus. |
1871 |
--- Per Reichgesetz wird die rechtliche Gleichstellung der Juden abgeschlossen. --- Seit dem Wiener Kongress (1815) ist ein Fünftel der württembergischen Bevölkerung ausgewandert. --- Russland hebt die Privilegien für wolgadeutsche Kolonisten auf, von denen viele in der Folge auswandern. |
1884 |
Der Bau der Arlbergbahn erleichtert den „Schwabenkindern“ aus Österreich die Einreise in die süddeutschen Gebiete. |
1890 |
In Stuttgart wird der „Verein zur Abwehr des Antisemitismus“ gegründet. |
1895 |
Lorenz Werthmann, der Begründer des Caritasverbands in Freiburg, organisiert eine auf die sozialen Belange der Zuwanderer ausgerichtete „Italienerfürsorge“. Im folgenden Jahr richtet er ein „Italienisches Arbeitersekretariat“ ein. |
1899 |
30.000 Italiener halten sich in Baden auf. Die „Transalpini“ werden vorwiegend beim Bau der Infrastruktur eingesetzt – Brücken, Gleise, Wasserleitungen. |
1904 |
Die Mobilmachung im Japanisch-Russischen Krieg führt zur Auswanderung zahlreicher ehemals württembergischer und badischer Siedler in die USA, nach Brasilien und ins Deutsche Reich. |
1914 |
Zahlreiche Fremdarbeiter werden in Württemberg eingesetzt, vor allem in der Landwirtschaft. |
1915 |
Kriegsbedingt werden die Kindermärkte in Friedrichshafen abgeschafft, das „Schwabengehen“ (die saisonale Migration von Hütekindern) dauert aber bis etwa 1920 an. |
1907 |
7,5% der Beschäftigten in Baden sind ausländische Arbeitsmigranten, die unter anderem im Baugewerbe und in der Textilindustrie arbeiten. |
1910 |
In Pforzheim entsteht ein „Verein von Italienern zur gegenseitigen Unterstützung und zu geselligem Beisammemsein“. |
1916 |
Eine von antisemitischen Kreisen initiierte „Judenzählung“ im deutschen Heer belegt den hohen Anteil jüdischer Soldaten. |
1918 |
In Württemberg machen Zwangsarbeiter 19% der Arbeitskräfte aus, in Baden 24%. |
1922 |
Am Ausbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs sind nahezu tausend italienische Gleisarbeiter beteiligt. |
1924 |
Der „Oberrat der israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs“ wird gegründet. |
1930 |
Anna Gille, die letzte Sprecherin des Waldensischen Patois in Württemberg, stirbt. --- Das Außenministerium der Weimarer Republik bestätigt den Begriff „Donauschwaben“, der vom Grazer Geographen Robert Sieger geprägt wurde. |
1933 |
Bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten leben in 123 Gemeinden noch 24.000 Juden in Baden und etwa 11.000 Juden in Württemberg. Diskrimination und Verfolgung führen zur Emigration zahlreicher jüdischer Württemberger und württembergischer Kommunisten. |
1935 |
Im Rahmen der Nürnberger Gesetze wird den deutschen Juden die Reichsbürgerschaft aberkannt. --- 9.-10.11.: In der Reichspogromnacht kommt es vielerorts zu Brandanschlägen gegen Synagogen und Angriffen gegen jüdische Bürger – so in Mannheim, Ludwigsburg, Rastatt, Schwäbisch Hall, Heilbronn und Stuttgart. |
1938 |
Etwa 100 Bürger aus der jüdischen Gemeinde Riexingens lassen sich an der nördlichen Mittelmeerküste nieder und gründen dort Shavei Zion. --- Der „Runderlass zur Bekämpfung der Zigeunerplage“ trifft auch Roma, Sinti und Jenische in Baden-Württemberg. |
1939 |
Der deutsche Expensionskrieg führt auch in Württemberg zum massiven Einsatz von Fremdarbeitern aus den eroberten Gebieten. |
1944 |
In der Kriegswirtschaft des deutschen Südwestens sind etwa 350.000 Fremdarbeiter im Einsatz und ca. 150.000 Kriegsgefangene. |
1945 |
Die nach dem Krieg befreien „Fremdarbeiter“ Badens und Württembergs werden Als „Displaced Persons“ (DPs) eingestuft. Von den 180.000 DPs im heutigen Württemberg stammen 70.000 aus Osteuropa. --- 17.7.-2.8.: Auf der Potsdamer Konferenz wird über das Schicksal der Deutschen in den Ostgebieten entschieden. Etwa 12 Millionen Deutsche fliehen insgesamt in die SBZ, in die Westzonen und nach Österreich. Dies betrifft auch die „Schwabendörfer“ in Polen. Im August kommen die ersten Zügen mit Vertriebenen aus der Tschechoslowakei in Württemberg an. |
1946 |
Großangelegte Vertreibungsaktionen bringen Sudetendeutsche und Ungarndeutsche auf ihrer Flucht nach Deutschland. Ministerpräsident Reinhold Maier mahnt angesichts des Zuzugs von Vertriebenen: „Menschenreichtum ist nie ein Nachteil oder eine Last“. |
1947 |
In Königsberg verbliebe Deutsche werden ausgewiesen. Viele siedeln in den deutschen Südwesten über. |
1948 |
Kleinere Gruppen der 110.000 als Kollaborateure internierten Jugoslawiendeutschen können aus Jugoslawien flüchten. Nach der Gründung der BRD folgen weitere Emigranten. |
1950 |
Bei den württembergischen Landtagswahlen kommt die „Deutsche Gemeinschaft – Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ auf fast 15%. |
1951 |
25.4.: Das „Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer“ wird verabschiedet. |
1952 |
Das Lastenausgleichgesetz führt zu reger Bautätigkeit, insbesondere bei den Heimatvertriebenen. --- In Südbaden sollen oberitalienische Vertragsarbeiter in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen. |
1953 |
Das Bundesvertriebengesetz (BVFG) benent deutschstämmige Einwanderer aus der UdSSR als „Aussiedler“. --- 1.5.: Für Vertriebene entsteht östlich von Neckarsulm die „Bundesmustersiedlung Amorbach“. |
1955 |
20.12.: Das deutsch-italienische Anwerbeabkommen wird unterzeichnet. Etwa 6.000 Italiener leben in Baden-Württemberg. |
1960 |
Die BRD schließt Anwerbeabkommen mit Spanien und Griechenland. --- Das Landesarbeitsamt veröffentlicht eine Broschüre mit dem Titel Wie kocht man Spaghetti für Italiener?--- In Stuttgart leben bereits 26.000 Ausländer. --- 60.000 Italiener haben sich in Baden-Württemberg niedergelassen. |
1961 |
Die Zahl der Vertriebenen des Zweiten Weltkriegs in Baden-Württemberg erreicht 1,2 Millionen. Zusätzlich wandern noch 415.000 SBZ-Flüchtlinge zu. --- Die BRD schließt ein Anwerbeabkommen mit der Türkei. --- Ernst Schnydrick vom Deutschen Caritasverband formuliert den wohl bekanntesten Satz zur Arbeitsmigration der BRD: „Wir wollten Arbeitskräfte importieren – und es kamen Menschen.“ --- Der SDR strahlt erstmals Sendungen für italienische Arbeitsmigranten aus. |
1962 |
Die AWO eröffnet eine Beratungsstelle in Stuttgart, nachdem ihr die Bundesregierung die Betreuung der muslimischen Gastarbeiter übertragen hat. |
1964 |
Die BRD schließt ein Anwerbeabkommen mit Portugal. --- 10.9.: Der Portugiese Armando Rodrigues de Sá kommt als millionster Gastarbeiter in Köln-Deutz an. |
1965 |
Die BRD schließt Anwerbeabkommen mit Tunesien und Marokko. --- 171.000 Italiener leben in Baden-Württemberg. |
1966 |
Die Wirtschaftskrise führt zu Ressentiments gegen Gastarbeiter, die Kanzler Ludwig Erhard mit seinen Äußerungen noch befeuert. Wenn Deutsche nur länger arbeiteten, bräuchte man keine Arbeitskräfte aus dem Ausland mehr. --- Der jugoslawische Konsul Savo Milanović wird in Stuttgart ermordet. |
1967 |
Der Freikauf von Rumäniendeutschen durch die deutsche Bundesregierung wurde ermöglicht bis 1989 etwa 220.000 Rumäniendeutschen die Ausreise. |
1968 |
Mit ihrem ausländerfeindlichem Wahlkampf erhält die NPD fast 10% der Stimmen bei der baden-württembergischen Landtagswahl. |
1968 |
Die BRD schließt ein Anwerbeabkommen mit Jugoslawien. |
1970 |
5.8.: Am Stuttgarter Hauptbahnhof wird mit dem Kroaten Zvonimir Kanijr der 500.000ste Gastarbeiter in Baden-Württemberg begrüßt. --- Stuttgart hat als erste deutsche Großstadt einen Ausländeranteil von 12%. --- In Baden-Württemberg leben 200.000 Italiener. |
1973 |
23.11.: Der Bund verhängt einen Anwerbestopp für Gastarbeiter. Dieser markiert zugleich verstärkten Familiennachzug und erste Eingliederungsmaßnahmen für Familien. --- Ministerpräsident Hans Filbinger fordert ein „Rotationsprinzip“, das den Austausch von Gastarbeitern in bestimmten Intervallen regelt. --- Mannheim führt einen Ausländerbeauftragten ein. |
1975 |
Die Landesregierung veröffentlicht eine umfassende Denkschrift über ausländische Arbeitnehmer in Baden-Württemberg. Der Zuzug ausländischer Arbeitnehmer in „überlastete Siedlungsgebiete“ wird begrenzt, ausländischen Arbeitnehmern werden Rückkehrprämien angeboten. |
1978 |
Der SPD-Politiker Heinz Kühn wird auf Bundesebene „Beauftragter zur Förderung der Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen“ |
1981 |
Der Berliner Innensenator Heinrich Lummer schränkt im sogenannten „Lummer-Erlass“ die Familienzusammenführunmg stark ein. --- 17.6.: Im „Heidelberger Manifest“ wenden sich 15 deutsche Professoren gegen die „Unterwanderung des deutschen Volks“ durch Ausländer. |
1983 |
Die Bundesregierung beschließt einen „Gesetzentwurf zur befristeten Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern“. |
1987 |
1.7.: Das Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde (IDGL) wird als Forschungsinstitut des Landes Baden-Württemberg in Tübingen gegründet. |
1989 |
Nach der Rumänischen Revolution von 1989 kommen 111.150 Rumäniendeutsche in die BRD: Viele lassen sich in Baden-Württemberg nieder. |
1990 |
21.11.: Der Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel betont: „Die multikulturelle Gesellschaft existiert bereits.“ |
1991 |
Mit dem Zusammenbruch Jugoslawiens bricht der Jugoslawienkrieg aus. Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien gelangen nach Baden-Württemberg. --- Das Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts soll die Einwanderung erleichtern. |
1992 |
Die Zuwanderung nach Deutschland erreicht mit 1.219.348 Zuzügen ihren Höhepunkt. |
1993 |
1.1.: Das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz benennt deutschstämmige Einwanderer aus der ehemaligen UdSSR als „Spätaussiedler“. --- Eine Verschärfung des Asylrechts führt zu einem Rückgang der Asylbewerberzahlen. |
1996 |
Der Justizminister in Baden-Württemberg übernimmt die Funktion eines Ausländerbeauftragten. |
1998 |
28.2.: Der Kosovokrieg bricht aus. Zahlreiche Kosovaren fliehen nach Baden-Württemberg. |
1999 |
Die von der baden-württembergischen eingesetzte Zukunftskommission empfiehlt eine auf Multikulturalität und Integration ausgerichtete Zuwanderungspolitik, die Baden-Württemberg zu einer „Modell-Region des Zusammenlebens“ machen soll. --- Erstmals wird in der Broschüre zum neuen Staatsangehörigkeitsrecht amtlich festgestellt, Deutschland sei ein Einwanderungsland. --- Die populistische „Doppelpass-Kampagne“ der Hessen-CDU unter Roland Koch ist bei den Landtagswahlen erfolgreich: Die Doppelpass-Regelungen der Regierung Schröder entsprächen nicht dem Willen der Wähler. |
2000 |
1.1.: Deutschlands neues Staatsangehörigkeitsrecht tritt in Kraft. Das Abstammungsprinzip wird durch das Geburtsortprinzip abgelöst. --- 23.2.: Auf der CeBit verkündet Gerhard Schröder, die Bundesregierung werde eine Greencard-Regelung für IT-Spezialisten einführen. --- An Baden-Württembergs Schulen lernen 85.000 türkischstämmige Schüler. |
2001 |
Stuttgart gründet das Stuttgarter Bündnis für Integration. --- Die unabhängige Kommission „Zuwanderung“ präsentiert ihren Abschlussbericht. |
2004 |
Bundesrat und Bundestag stimmen dem Kompromiss zum Zuwanderungsrecht zu. |
2005 |
1.1.: Ein neues Zuwanderungsgesetz im Bund regelt die Anerkennung geschlechtsspezifischer und nichtstaatlicher Verfolgung. Zugleich wird die Kategorie „Menschen mit Migrationshintergrund“ eingeführt. |
2006 |
An sechs Grundschulen in Baden-Württemberg läuft das Modellprojekt „Islamischer Religionsunterricht“. --- Wolfgang Schäuble eröffnet die erste Deutsche Islamkonferenz. |
2007 |
In Baden-Württemberg leben 2,7 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. --- Bundeskanzlerin Merkel stellt den Nationalen Integrationsplan vor. --- Die zweite Deutsche Islamkonferenz findet statt. |
2008 |
1.9.: Bundesweit wird ein Einbürgerungstest eingeführt. --- Baden-Württemberg verabschiedet den Integrationsplan unter dem Titel „Integration gemeinsam schaffen“. --- Auf Bundesebene findet der dritte Integrationsgipfel statt und der erste Fortschrittsbericht zum Nationalen Integrationsplan wird vorgestellt. |
2009 |
Das Haus der Geschichte Baden-Württemberg zeigt die Große Landesausstellung „Ihr und Wir. Integration der Heimatvertriebenen in Baden-Württemberg“. |
2014 |
1.1.: Die Dublin-III-Verordnung tritt in Kraft: Das Dublin-Verfahren verpflichtet denjenigen Staat, das Asylverfahren durchzuführen, in dem die asylsuchende Person zum ersten Mal die EU-Grenzen überschreitet. |
2015 |
Akute Versorgungsmängel während des Syrienkriegs, aber auch bewaffnete Auseinandersetzungen in der Ukraine, Somalia und Afghanistan, im Irak, Libyen und im Libanon, führen zur sogenannten „Europäischen Flüchtlingskrise“. Die Zuwanderung von Geflüchteten nach Baden-Württemberg nimmt stark zu. --- 5.9.: Die deutsche Bundesregierung vereinbart mit Österreich und Ungarn die Aufhebung von Grenzkontrollen (Angela Merkel: „Wir schaffen das“). Europaweit reist über eine Million Geflüchtete in die EU ein, viele Geflüchtete werden auch in Baden-Württemberg aufgenommen. |
2017 |
21.5.: Die Ausstellung „Auf der Reis’ – die ‚unbekannte’ Minderheit der Jenischen im Südwesten“ im Freilichtmuseum Wackershofen wird eröffnet. |
Bibliographie
- Beer, Mathias (Hrsg.): Baden-Württemberg - eine Zuwanderungsgeschichte. Stuttgart: Landeszentrale für Politische Bildung, 2014 (Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs; 40)
- Bendel, Rainer: Verlorene Heimat - willkommen in der Fremde? 1945 und 2015. Rottenburg: Diözese Rottenburg-Stuttgart, 2017
- Eberl, Immo: Flucht, Vertreibung, Eingliederung: Baden-Württemberg als neue Heimat. Begleitband zur Ausstellung. Sigmaringen: Thorbecke, 1993
- Eberl, Immo; Gündisch, Konrad: Die Donauschwaben: Deutsche Siedlung in Südosteuropa. Sigmaringen: Thorbecke, 1987
- Gürth, Peter: Alte Heimat, neue Welt: Amerika-Auswanderer aus Baden und Württemberg. Tübingen: Silberburg-Verl., 2012
- Meier-Braun, Karl-Heinz: Ein Koffer voll Hoffnung: Das Einwanderungsland Baden-Württemberg. Tübingen: Silberburg, 2019
- Meier-Braun, Karl-Heinz; Weber, Reinhold: Kleine Geschichte der Ein- und Auswanderung in Baden-Württemberg. Leinfelden-Echterdingen: DRW-Verlag, 2009
- Maier, Ulrich: „Fremd bin ich eingezogen ...“: Zuwanderung und Auswanderung in Baden-Württemberg. Gerlingen: Bleicher, 2002