Zellers erster Patient: Jakob Friedrich Saalfeld

Jakob Friedrich Saalfeld

Jakob Friedrich Saalfeld kam 20.8.1785 als Sohn des Oberküsters in Hannover. Seit 1803 studiert er in Göttingen Theologie und Philosophie und promoviert 1807 als Magister der Philosophie. 1808 habilitiert er sich in Heidelberg, worauf er 1809 als Privatdozent nach Göttingen wechselt. Dort wird er 1811 außerordentlicher und 1823 ordentlicher Professor der Philosophie. Saalfeld war als Schüler Arnold Heerens (1760–1842) ein äußerst vielseitiger und produktiver Schriftsteller, der als Historiker und Staatswissenschaftler wirkte. Obwohl er einen Lehrstuhl für Philosophie innehatte, las er auch über neueste Geschichte, Nationalökonomie, Statistik, Politik, allgemeines Staatsrecht und das europäische Völkerrecht. Insbesondere mit Napoleon und dem Kolonialismus der Niederländer und Portugiesen setze sich Saalfeld auseinander, zu jener Zeit ein noch kaum beachtetes Forschungsgebiet. 1832 wird er als Vertreter der Stadt Göttingen in den Landtag in Hannover gewählt. Mit aufsehenerregenden Auftritten, unter anderem mit öffentlichen Sympathiebekundungen für die Göttinger Sieben erregt er den Unbill der Regierung und der Universität. Es kommt zu einer Untersuchung. Daraufhin wird Saalfeld auf seinen Antrag hin mit einer Pension entlassen und aus Hannover ausgewiesen.

Bild: Winnenden, um 1830, im Vordergrund Schloss Winnenthal

Bezug zu Winnenden

Er sucht sein Heil in Württemberg und Baden, wo er sich 1806 und 1807 bereits aufgehalten hatte. 1833 reist er ab, um bei einem jüngeren Freund und ehemaligen Studenten unterzukommen, einem Grafen aus der Linie Hohenzollern-Hechingen. Untergebracht ist er im Hechinger Lustschloss Lindich. Offenbar bricht dort seine Geisteskrankheit aus, auch eckt er wohl gelegentlich an, kann sich gesellschaftlich nicht einfügen. Als sich in Hechingen hoher Besuch ankündigt, wird Saalfeld nahegelegt, er müsse den Fürstenhof verlassen. Er zieht nach Stuttgart, wo er im „König von England“ und im „Württemberger Hof“ wohnt, viel trinkt und sich äußerst spendabel zeigt. Beim Zechen redet er offenbar recht freimütig über seine politischen Ansichten, auch fordert der zeitlebens Alleinstehende „[b]ejahrte Personen seiner nächsten Umgebung“ zum Heiraten auf. Er lernt im Stuttgarter Marsstall unter der Aufsicht des Oberhofmeisters von Hummel reiten, beginnt Ausritte zu machen, zu denen er die Dienstboten morgens um drei aufweckt. Er hält sich eine Eselin, deren Milch er täglich aus Gesundheitsgründen trinkt. Seine Freunde bringen den Erkrankten zu Dr. Albert Zeller in Winnenthal, der ihn noch vor der Eröffnung der Anstalt aufnimmt und bald sein Vertrauen gewinnt. Im Frühjahr 1834 wird er von Zeller als geheilt entlassen, mit dem er aber weiter korrespondiert und der ihm Empfehlungen für seine Ernährung ausspricht, mit denen es Saalfeld wohl nicht zu genau nimmt. Von Stuttgart aus bricht er zu einer Reise nach Mecklenburg auf, wo ein ehemaliger Hörer Saalfelds lebt. Unterdessen hat sich ein Erbprinz von Sigmaringen für ihn eingesetzt, Saalfeld soll Privatdozent in Heidelberg werden. Im Herbst macht er sich in Begleitung eines jungen Bedienten aus Korb auf den Weg nach Heidelberg. Allerdings kommt seine Erkrankung dazwischen, die sich nun wieder stärker bemerkbar macht. In Heidelberg fühlt er sich nicht wohl, auch meldet der Nekrolog, es seien „sonderbare Dinge“ vorgefallen. Saalfeld fordert die Wiederaufnahme in Winnenthal, allerdings „unter willkührlichen Bedingungen, die den Hausgesetzen widersprachen“ (Ebd. S. 19). Zeller lehnt ab. Saalfeld gefällt es in Winnenden nicht, und so folgt er dem Rat seines Bedienten und lässt sich im Korber Gasthaus Krone nieder. In Korb herrscht nach einer guten Weinlese beste Stimmung, Saalfeld nimmt am Winzerfest teil und scheint erholt. Mit seinem Bedienten wandert der Kurzsichtige, er führt eine Brille mit grünen Gläsern bei sich, durch die Korber Weinberge. Die Krankheit bricht sich jedoch unaufhaltsam Bahn, die Leute beginnen zu tuscheln. Er wird zunehmend menschenscheu, isst jedoch sehr viel und trinkt „unaufhörlich frisches Brunnenwasser oder Sauerwasser“ (Ebd. S. 20). Verwirrung und heftige Schmerzen kommen hinzu, man hört Saalfeld nachts wimmern und schreien. Der Kranke sagt selbst, er habe einen „unaufhörlichen Schmerz vor der Stirn, senkrecht vom Vorderhaupt herab bis auf das rechte Auge“ (Ebd.). Sein allgemeiner Zustand verschlechtert sich zunehmend, er hat Aussetzer, vergisst eben Vorgefallenes. Zum Pfarrer, der ihn öfter besucht, sagt er einmal: „Nun, wollen Sie mich armen, unglücklichen Mann besuchen? Das ist schön!“ (Ebd.). Am 19.12.1934 erleidet Saalfeld einen ersten Schlaganfall. Ein erneuter Infarkt am 22.12. ist tödlich, der aus Winnenthal herbeigerufene Zeller kommt zu spät. Schon am 24.12. wird Saalfeld um zwei Uhr mittags in Korb beigesetzt, „rechts vom Eingang an der Mauer, noch ohne Denkstein, am Anhang des nahen Rebenhügels“ (Ebd. S. 25). Hofrat Zeller und einige geheilte Patienten „aus dem Honoratiorenstand“ geben Saalfeld das letzte Geleit:

Während die Freunde des Verstorbenen und das aufmerksam wachende Deutschland von dem Hinscheiden seines Denkers und Lehrers, seines beredtsamen und uneigenennützigen Vertheidigers, dem für das Wohlergehen der Staaten und ihrer Bürger das Herz hoch und kräftig schlug, noch nichts wußten, waren jene wackern Männer die einzigen, die am Grabe dessen weinten, der hier auf Erden losgerissen von allen Verhältnissen und Banden dieses Lebens einsam endete wie ein Unbekannter. (Ebd. S. 25).

Bibliographie

Über Saalfeld

  • Voigt, Bernhard Friedrich (Hg.): Neuer Nekrolog der Deutschen, 13. Jg., 1835, T. 1. Weimar: Bernhard Voigt, 1837

Schriften Saalfelds

  • Saalfeld, Friedrich: De Quaestione Illa: Num Principi Liceat Ministros Publicos Incognita Causa Dimittere Commentati Heidelberg : Mohr et Zimmer, 1807 (Diss.)
  • Saalfeld, Friedrich: De domaniis optimaque eorum administratione commentatio. Göttingen, 1807
  • Saalfeld, Friedrich: Essai sur l’importance commerciale et politique des trois villes libres anséatiques Lubec, Hambourg et Bremen. Hamburg: Perthes, 1810
  • Saalfeld, Friedrich: Grundriß eines Systems des europäischen Völkerrechts: Zum Gebrauche akademischer Vorlesungen. Göttingen: Röwer, 1809
  • Saalfeld, Friedrich: Geschichte des portugiesischen Kolonialwesens in Ostindien. Göttingen: Röwer, 1810
  • Saalfeld, Friedrich: Handbuch des westfälischen Staatsrechts. Göttingen, 1812
  • Saalfeld, Friedrich: Geschichte des holländischen Kolonialwesens in Ostindien. Göttingen: Dieterich, Bd. 1: 1812; Bd. 2: 1813
  • Saalfeld, Friedrich: Staatsrecht von Frankreich. Göttingen, Bd. 1: 1813, Bd. 2: 1814
  • Saalfeld, Friedrich: Hundert und etliche Fanfaronaden des Corsikanischen Abentheurers Napoleon Buona-Parte. Leipzig: Altenburg, 1814
  • Saalfeld, Friedrich: Nemesis. Göttingen, 1814
  • Saalfeld, Friedrich: Über das politische System von Frankreich vorzüglich in Beziehung auf Holland. Bremen: Heyse, 1814
  • Saalfeld, Friedrich: Geschichte Napoleon Buonaparte‘s. Leipzig & Altenburg: Brockhaus, 1815
  • Saalfeld, Friedrich: Allgemeine Geschichte der neuesten Zeit: Seit dem Anfange der französischen Revolution. Leipzig: Brockhaus, 1815-1823, 4 Bde.
  • Saalfeld, Friedrich: Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte von der Georg-August-Universität zu Göttingen, Bd. 3: Von 1788 bis 1820, hrsg. v. Johann Stephan Pütter und Friedrich Saalfeld. Hannover: Helwing, 1820
  • Saalfeld, Friedrich: Grundriss zu Vorlesungen über die Politik. Göttingen, 1821
  • Saalfeld, Friedrich: Grundriss zu Vorlesungen über die Geschichte der neuesten Zeit vom Anfange der französischen Revolution bis jetzt. Göttingen, 1821
  • Saalfeld, Friedrich: Grundriß zu Vorlesungen über Nationalökonomie und Finanzen. Göttingen, 1822
  • Saalfeld, Friedrich: Handbuch des positiven Völkerrechts. Tübingen: Osiander, 1833