Blick in Schauspiel und Theater

Noch wichtiger als das Hören ist im Theater das Schauen: Auf den Betrachter sind die Bühnen zugeschnitten. Zu sehen gibt es viel: Soffitten oben, Kulissen an den Seiten; Schauspieler, die auftreten und abgehen; Requisiten und Kostüme. Blicke sind aber auch auf der Bühne wichtig.

Die Bedeutung von Blicken im Theater

Blicke haben auf der Bühne eine Vielzahl von Funktionen:

  • Blicksignale eröffnen Handlungssequenzen: Was tun die Darsteller*innen als nächstes? Welches Requisit, welche Figur, welche Abgangsmöglichkeit schaut sie an? Besonders spiegelnde Flächen eröffnen interessante Perspektiven.
  • Blicke lenken die Aufmerksamkeit des Zuschauers: Sie deuten an, wo sich etwas verändern wird.
  • Beim Blickkontakt zum Publikum durchbrechen die Schauspieler*innen die vierte Wand und heben die Bühnenillusion auf – oder verstärken sie.
  • Blicke sind Ausdrucksmittel: die feine Muskulatur um das Auge herum, die äußeren und inneren Augenmuskeln, erlauben es dem Schauspieler, eine große Fülle von Emotionen auszudrücken. Besonders im Film ist die Beherrschung dieser Partie von großer Bedeutung. Auch geschlossene und sich plötzlich öffnende Lider können sehr starke Effekte erzielen.
  • Blicke können als Symbole eingesetzt werden, die oft kulturspezifisch sind: der hoffnungsvolle Blick nach oben, genervtes Augenrollen. Die beim Neurolinguistischen Programmieren (NLP) genutzten Blickrichtungen können auch als Ausdrucksmittel dienen.
  • Blicke verraten viel über die Glaubwürdigkeit einer Figur: Wann vermeidet sie Blickkontakt? Warum?
  • Blicke verraten viel über soziale Beziehungen, über Macht und Ohnmacht, Nähe und Distanz: Wer darf wen anschauen, wer muss die Lider senken? Wer senkt sie aus Scham und wer aus Demut? Von besonderer Bedeutung sind Dauer, Intensität und Häufigkeit des Blickkontakts.
  • Das Sehen und Gesehenwerden auf der Bühne trägt zum Wissensunterschied zwischen Publikum und Bühnenfigur teil: Was sehe ich, während sie woanders hinschaut?

Fragen zur Anregung

Als Anregung zur Beschäftigung mit Blicken auf der Bühne können die folgenden Fragen dienen:

  • Was ändert sich an der Wahrnehmung, wenn man die Augen schließt?
  • Warum sind die Augen das Fenster zur Seele?
  • Was sind die Kommunikationsmittel der Augenregion?
  • Nach welchen Kriterien lassen sich Blicke beurteilen?
  • Wie kann man durch Blicke Macht ausüben?
  • Wer schaut im Theater wen an?
  • Was nimmt ein gehörloser Mensch im Theater wahr?
  • Wie kann die Regie die Blicke des Zuschauers lenken?

Übungen zum Thema Blick

  • Anschauen: Wir stehen einander gegenüber. A schaut B auf ein beliebiges Körperteil. B sucht zu erraten, um welches es sich handelt.
  • Augen einprägen: Wir prägen uns die Augen unseres Gegenübers ein und drehen uns um und sprechen dann eine Minute über die Augen dieser Person. Dann drehen wir uns um und beschreiben unsere Wahrnehmungen erneut, während der andere zuhört
  • Blicke fangen: Wir stellen uns ins Dreieck. Zwei Partner versuchen, die Aufmerksamkeit des Dritten zu erringen. Dieser darf sich nichts anmerken lassen.
  • Blickkontakt aushalten: Wir sitzen einander gegenüber und versuchen, den Blickkontakt so lang wie möglich auszuhalten.
  • Blickkontakt mit Reden: Wir halten Blickkontakt, während wir (abwechselnd oder synchron) über ein beliebiges Thema sprechen.
  • Blickkontaktübungen: A und B stehen einander gegenüber. Dann nehmen sie Blickkontakt auf, indem sie a) nur die Augen öffnen und schließen, b) den Kopf seitwärts drehen und kurz Blickkontakt aufnehmen, c) dasselbe bei einer Aufwärtsbewegung.
  • Blickkreis: Wir stehen im Kreis und überlegen uns, jeder für sich, wenn wir anschauen wollen. Auf ein Signal öffnen wir die Augen und zeigen mit dem ausgestreckten Arm auf die Person, die wir anblicken.
  • Blicklenkung durch Berührung: A fährt sich mit der Hand über den Körper. B folgt der Hand mit dem Blick.
  • Blindes Gehen: Wir gehen blind durch den (begrenzten) Raum und versuchen, an den anderen nicht anzustoßen.
  • Gehen mit Blickkontakt: A und B gehen über die Bühne, ohne je Blickkontakt zu verlieren.
  • Kathakali-Übungen: Im südindischen Kathakali-Tanz, der Elemente aus dem Ramayana zur Musik erzählt, gibt es auch Übungen für die Augen: Kreisen, Zittern, Pendeln.
  • Mit Blicken dirigieren: A gibt mit seinen Blicken bestimmte Bewegungen vor, z. B.: Linksbewegung: Arm links ausstrecken, Abwärtsbewegung: auf die Knie fallen, etc.
  • Mit den Augen dem Stift folgen: Ein Partner gibt mit dem Blick die Umrisse einer Zeichnung vor, die der andere zeichnet.
  • Mundschutz: A und B bewegen ihren Mund unter dem Mundschutz. Was passiert unter der Maske? A und B beschreiben ihre Erwartungen.
  • Vogelkolonie: Mit geschlossenen Augen den Partner an der Stimme erkennen: Wir verbinden uns die Augen und suchen dessen uns vertraute Stimme.