Ballade

Essen und Trinken in der Ballade

Kunstballade

Der Sündenfall. Der ungenannte Schlosskaplan des Grafen Hunerich in Gottlieb Konrad Pfeffels Die Wahl übertritt die Gebote der Kutte und seines Standes: "Der Mönch vergaß beim leckern Tisch / Des Grafen sein Brevier; / Aß auch am Freitag selten Fisch. Trank lieber Bier als Wein." Kein Wunder, dass ihm eines Nachts "Fürst Luzifer" erscheint und ihm den Weg zur Hölle mit verlockenden Sünden pflastert.

In Daniel Schiebelers Pyreneus und die Musen lädt der verruchte König Pyreneus die Musen zu Tisch, ehe er sich ihnen in unzüchtiger Weise nähert.

In Ludwig Christoph Heinrich Höltys viel verspotteter und parodierter Ballade Der alte Landmann an seinen Sohn schmeckt dem Tugendhaften das lautere Wasser gerade so wie der beste Wein – dem Versprechen des weisen Landmanns zufolge, der seinem Sohn das heute so belächelte "Üb immer Treu und Redlichkeit" vorhält. Die unziemliche Prasserei der nachfolgenden Generation geißelt auch Karl Leberecht Immermanns Der Student von Prag: "Des Vaters Gut verprasset der wilde Student von Prag. / Er sitzt und singet Lieder, davor den Menschen graust, / die Dirne auf dem Schoße, den Becher in der Faust."

In Jung-Stillings Die Giftmörderin tötet ein adeliges Mädchen mit einem "kühlen Wein", dessen Zutat ein "schnödes Gift" ist, den blaubärtigen "schwarzen Ritter" – als Gespenst offenbart sie sich ihrem Bruder. Kühl ist auch der Wein, den der als Ritter gerüstete Tod in Uhlands Ballade Der schwarze Ritter zwei Königskindern reicht: "Goldner Wein macht euch genesen." / Die Kinder Tranken, / Sie täten höflich danken: / "Kühl ist dieser Trunk gewesen." Selbst bis Hofmannsthal reicht die Wirkung des Todes im Wein, wenngleich das banale Gift ersetzt ist durch ein übersinnliches Gift, das der griechisch gedachte Tod in seinem Pokal schwenkt. In der Ballade vom kranken Kind erscheint dem fiebernden Kind der Tod als Jüngling, der dem Kind eine Schale Weins reicht – am ersten Tage verlockend gefüllt mit "leuchtendem Wein", am zweiten Tage ist der Wein jedoch "heiß und schwer". Am letzten Tag hat das Kind den Wein getrunken und mahnt die Mutter, figura etymologica, dass ihm am Tag darauf das Grab gegraben werde.

In Friedlich Leopold von Stolbergs finsterer Ballade "Die Büßende" verurteilt ein Ritter aus Navarra seine untreue Ehefrau, täglich beim Festmahl aus dem Schädel ihres Liebhabers zu trinken: "Aber näher kam sie ihnen, / Setzte nun sich an den Tisch, / Aß zween Bissen Brot und Fisch. ["¦] Und schon hält er in der Linken / Einen Schädel, spült ihn rein, / Gießet Wasser dann hinein, Hält`s ihr schweigend hin zu trinken. / Ach! sie läßt die Augen sinken, / Sieht den nassen Schädel blinken, / Starret vor sich hin und trinkt ihn aus, / Setzt ihn hin, und wankt hinaus." Mehrere Balladen Ludwig Uhlands setzen ein mit einem Festmahl: Roland Schildträger beginnt mit einem Aachener Festmahl Karls des Großen und seiner Granden ("Man stellte Wildpret auf und Fisch / Und ließ auch keinen dürsten. / Viel Goldgeschirr von klarem Schein, / Manch roten, grünen Edelstein / Sah man im Saale leuchten), Das Glück von Edenhall eröffnet die Unglückswende mit dem Festmahl. Der sagenhafte Kelch "Das Glück von Edenhall" wird vom anmaßenden Spross einer Adelssippe beim Festbankett zerdeppert – mit dem Glas zerbricht das Glück des Geschlechts. In das Krönungsmahl des Usurpators König Milesints aus Die traurige Krönung von Eduard Mörikes bricht ein Geisterzug – der den König zur Rechenschaft zieht. In Emanuel Geibels Die Goldgräber ist es bereits beschlossene Sache, dass der dritte Teilhaber zweier Goldgräber sterben soll, als sich die drei Abenteurer zum Mahl niedersetzen: "Nun her mit dem Korb und bauchigen Krug!" / Und sie aßen und tranken mit tiefem Zug. / "Hei lustig, Bruder! Dein Wein ist stark; / Er rollt wie Feuer durch Bein und Mark. // Komm, tu uns Bescheid!" – Hastig erstechen sie, kaum ist das Mahl vorüber, den Kompagnon. Dieser jedoch hat vorher schon den Wein vergiftet, dessen Stärke man als Vorausdeutung sehen mag: "Auch ich, ich wollte den Schatz allein, / Und mischt` euch tödliches Gift an den Wein." Die zweifellos bekannteste jener düstren Henkersmahlzeiten ist keine – dem Ausgang nach. Conrad Ferdinand Meyers Hugenottenedler nimmt den Königsreiter auf als Gast und Tischgenosse, obgleich dieser seine Familie ermordet hat. Mit halbzeiligen, planen Sätzen trägt Meyer das Schweigen ins Mahl, die unbequemen Pausen: "Den Abendtisch bestellt die greise Schaffnerin / Mit Linnen blendend weiß. / Das Edelmägdlein hilft. / Ein Knabe trug den Krug mit Wein." Die Erinnerung scheint auf, in aufgewühltem Satzbau, in stillem, drohend ausgehaltenen Kurzsatzstil führt der Sprecher den Leser zurück ins Schloss, in den Remter, in die Gegenwart: "Da sitzen sie. Die drei in ihrer schwarzen Tracht / Und er. Doch keins der Kinder spricht das Tischgebet. / Ihn starren sie mit aufgerissnen Augen an - / Den Becher füllt und übergießt er, stürzt den Trunk ["¦]". Die gerechte Vergeltung beim Hochzeitsmahl ereilt den Sünder in Börries von Münchhausens Märchenballade Der Räuberbräutigam: Die Braut, eine Müllerstochter war zuvor Zeugin eines grausam kannibalischen Mahls geworden, dessen Opfer eine Jungfrau ist: "Sie gaben zu trinken ihr dreierlei Wein, / Weißen, gelben und roten, / ["¦] Sie hackten in Stücke den schönen Leib / Vom Wirbel bis zur Zehe, / Sie streuten das unfruchtbare Salz / In der Wunden grausiges Wehe." Ihr Bräutigam, der Räuberhauptmann, gibt dabei den Ton an: "Wir wölln eins in der Karte spieln, / Die Alte kocht derweilen / Im Kessel das weiße Jungfernfleisch." Aufgefordert von ihrem Bräutigam, berichtet das Mädchen tags darauf beim Hochzeitsmahl, was es in der Räuberstube gesehen hat – der Refrain wandelt das Geschilderte im Bericht der Jungfrau ab, spitzt ihn auf den Bräutigam zu, der sich im Kreis der Gäste nun der Gerechtigkeit nun nicht mehr entziehen kann. Statt der schönen Müllerstochter ehelicht der verruchte Kannibale nun die Tochter des Seilers – will sagen: er endet am Strick.

Zu einem Geistermahl geladen wird Johannes Deweth in Annette von Droste-Hülshoffs Das Fegefeuer des westfälischen Adels: "["¦] An hundert Tischen, die Halle entlang, / All edle Geschlechter, so Mann an Mann; / Es rühren die Gläser sonder Klang, / Es regen die Messer sich sonder Klirren, ["¦].

Gottfried August Bürgers Ballade Lenardo und Blandine greift das griechische Motiv der Apfelspende auf – die Hofgesellschaft genießt die Früchte eines Apfelbaums, nur Prinzessin Blandine verbirgt in einem Apfel ihre süße Liebesbotschaft: "Da bot die Prinzessin ein Äpfelchen rar, / Aus ihrem hellsilbernen Korb ihm dar, / Ein Äpfelchen rosicht und güölden und rund; / Dazu sprach ihr holdseliger Mund: // `Nimm hin für die Mühe! Der Apfel sei dein! Das Leckere wuchs nicht für Prinzen allein. Es ist ja so lieblich von außen zu sehn; Will wünschen, was drin ist, sei zehnmal so schön."

In Bürgers Des Pfarrers Tochter von Taubenhain dienen Feld- und Gartenfrüchte der jahreszeitlichen Gliederung der Ballade, sind aber sogleich Symbole des Handlungsverlaufs. In einer von blühenden Bohnen umrankten Laube (xiv) schwängert der Herr von Falkenstein die Pfarrerstochter, "Und als die Schote nun allgemach / Sich dehnt` in die Länge und Breite; Als Erdbeer` und Kirsche sich rötet` und schwoll, / Da wurde dem Mädchen das Brüstchen zu voll, / Das seidene Röckchen zu enge." (xviii). In eben dieser Laube ermordet schließlich das Mädchen das Kind, das sie kurz vorher zur Welt gebracht hat.

Vorausdeutend gebraucht Goethe den Weinpokal in seiner Geisterballade Die Braut von Korinth. Ein Jüngling aus Athen besucht Gastfreunde des Vaters in Korinth. Nach "wohlbestelltem Essen" bei den getauften Gastfreunden legt sich der heidnisch gebliebene Jüngling zum Schlaf nieder, bis ihn die Erscheinung einer Mädchengestalt weckt. Um die Jungfer zu verführen, lädt er sie zum Mahl: "Gierig schlürfte sie mit blassem Munde / Nun den dunkel blutgefärbten Wein. / Doch vom Weizenbrot, / Das er freundlich bot, / Nahm sie nicht den kleinsten Bissen ein." Noch während der Liebesnacht trinkt die untote Tochter des Hauses, aufgrund des gebrochenen Ehegelöbnisses zur Vampirin geworden, das Blut ihres Gespielen.

Das Märchenmotiv des Schweigegelöbnisses behandelt Goethe in Der getreue Eckart, Zwei Kinder, ein Knabe und ein Mädchen, sind zum Bierholen ausgesandt. Auf dem Wege werden sie überrascht von der wilden Jagd und fürchten, ihr Bier sei verloren. Der sagenhafte Eckart ist unterdessen erschienen und belehrt die Kinder, das Bier freimütig an die durstigen Jägerinnen herauszugeben, worauf die Furien sich daran bezechen: "Gesagt, so geschehn! Und da naht sich der Graus / Und siehet so grau und schattenhaft aus, / Doch schlürft es und schlampft es aufs beste." Die leeren Krüge füllen sich im Hause der Eltern aufs Wunderbare immer neu, bis die Kinder – der Warnung Eckarts zum Trotz – das Geheimnis ausplaudern. Goethe schließt die Ballade mit einer pädagogischen Maxime: "Verplaudern ist schädlich, verschweigen ist gut; / Dann füllt sich das Bier in den Krügen."

In Johann Peter Hebels Der Karfunkel wird Michel von der Mephisto-Gestalt Vitzli Putzli dazu verführt, sich Trunk und Spiel hinzugeben. Seine fromme Frau ersticht er, weil sie ihm kein Sauerkraut zubereiten kann – das Feuerholz ist aufgebraucht.

Das unterbrochene Festmahl. Die weinselige Fröhlichkeit eines Festmahls ist ein brauchbarer Grund für Schreckensmeldungen und Erscheinungen jeder Art: Auf der Höhe des Ruhms, den die geladenen Freunde und Gesellen bezeugen, bricht das Schicksal über den zumeist adeligen Balladenwüstling herein. So ergeht es der untreuen Adeligen in Carl Philipp Conz` Des Ritters Herz, der ein Harfner zum Hochzeitsmahl das Herz ihres auf dem Kreuzzug gefallenen Ritters vorweist: "Festlich blinken die Pokale", die Dame jedoch muss sterben. Sterben muss auch Belsazar in Heines zweitberühmtester Ballade – nachdem er sich im Weinrausch hat hinreisen lassen, den Gott der Hebräer zu verlästern: "Und der König ergriff mit frevler Hand / Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand. // Und er leert ihn hastig bis auf den Grund, / Und er ruft es laut mit schäumendem Mund: // Jehovah! dir künd ich auf ewig Hohn - / Ich bin der König von Babylon!" Häufig sind es die Sänger, die den beim Mahle geneigten Herrscher in die schicksalshafte Handlung verstricken: Der Kalif von Bagdad gewährt beim Festmahl einem Spielmann die Bitte, einen gefangenen Ritter freizugeben – der Spielmann entpuppt sich nach der Heimkehr des Ritters als dessen treusorgende Penelope. In Chamissos Die Sonne bringt es an den Tag sitzt Meister Nikolas beim Frühtrunk, als er seiner Frau nach zwanzig Jahren den Mord an einem alten Juden eingesteht – und verwirkt mit dem Geständnis sein eigenes Leben. Der Riesenvater aus Chamissos Das Riesen-Spielzeug sitzt in seiner Elsässer Burg Niedeck bei Tisch, als seine Tochter ihr Bauernspielzeug vorzeigt. In Justinus Kerners Die traurige Hochzeit ereilt Herrn Fugger und seine Frau Kunigunde beim Hochzeitsmahl der Tod: "Zwölf goldne Becher gingen herum, / Nichts trank Herr Fugger, so bleich und stumm." Von Tod kündet beim "Jubelmahl" der ferne Schall des Rolandshorns Olifant, als König Karl und seine Paladine in Ferdinand Avenarius` Rolands Horn zusammrnsitzen – "bei der Becher Zusammenstoß" verdunkelt sich der Saal, dreimal ist das Horn zu hören, bis endlich die Franken nach Roncesval aufbrechen. Dass die Boten in der Ballade aber auch immer zum Festmahl hereinstürmen missen, selbst bei Rilke ist der unglückselige Melder "hineingeworfen in das Überkochen / des Hochzeitsmahles wie ein neuer Zusatz." In seiner mythologischen Alkestis erhält Admet, wohl von Hermes, die Anweisung, ins Totenreich aufzubrechen – Alkestis, die Braut, gibt ihr Leben für das seine hin. Auch in niedrigen Schichten, unter Bauern, kommt das Verhängnis beim Mahl, beim Schmaus. In Gustav Schülers Schauerballade Die blitzerschlagene Magd versinken Knechte und Mägde in tiefen Schlummer, nur der Großknecht bleibt wach und gewahrt, wie das "Krüglein Erntebier" sauer wird. Knarrend öffnet sich die Scheunentür, und die "blitzerschlagene Magd" erscheint als Widergängerin und schlägt die Tischgesellschaft mit Blitzen tot.

Schauriges Mahl. In Johann August Apels Ballade Das Schreckbild befreit König Erich den Helden Asvit aus einem Hünengrab, in das er nach dem Willen seines verstorbenen Freundes Asmund gefolgt war. Als Erklärung für seinen jämmerlichen Zustand gibt er an, der Tote habe ihm nach einem Leichenfrevel ausgesaugt: "Die erste Nacht und den ersten Tag, / beweinend den Toten, ich trauernd lag; // den zweiten Tag und die zweite Nacht / ergriff mich brennend des Hungers Macht; am dritten wühlt ich in Roß und Hund; doch graute vor solcher Speise dem Mund; // am vierten erlag ich der gräßlichen Qual, / ich schwelgt in dem blutigen Leichenmahl."

In seiner Balladenparodie Minnedienst lässt Adelbert von Chamisso eine Dame ihren Ritter auf einem Hofball um Gefrorenes, um ein Sorbet, bitten. Dieser kämpft sich schließlich durch das Gedränge der Tanzenden und – verzehrt das Speiseis selbst.

Den Liebespokal kennt man seit Goethes Der König in Thule, man kennt ihn aus Schillers Taucher, auch in Chamissos Das Burgfräulein von Windeck wird er gereicht. Der fahrende Ritter genießt den Walkürentrank aus einem Trinkhorn: "Er schlürft mit gierigem Munde / Den würzig köstlichen Wein, / Er schlürfte verzehrende Flammen / In seinen Busen hinein."

Gegen den Hunger halten auch feste Vorsätze nicht lange – in Chamissos Lied von der Weibertreue verführt ein Landsknecht die trauernde Witwe seines Hauptmanns und deren Amme zum vorzeitigen Lebensgenuss, indem er ihr von seinem Mahl anbietet: "Ich sage nur: ihr Frauen sollt / Mich essen sehn, dann tun, was ihr wollt. / Hier hab ich Brot, hier hab ich Wurst, / Hier eine Flasche für den Durst." Stück um Stück werden die Alte und die junge Witwe ihm gewogener, bis sie zuletzt sogar einwilligen, anstelle des vom Galgen gestohlenen Leichnam des Räubers den des Herrn und Gatten aufzuhängen." In Hugo von Hofmannsthals balladeskem Sonett Die Beiden ist es den erregten Liebenden unmöglich, den Wein zu kosten. Die Minnedame führt den Pokal mit sich, führt ihre Zierlichkeit am Becher vor: "Ihr Kinn und Mund glich seinem Rand -, / So leicht und sicher war ihr Gang, / Kein Tropfen aus dem Becher sprang." Überreichen kann sie den Minnetrunk im "leichten Becher" nicht aus zitternder Hand in bebende Hände, und so rollt denn "dunkler Wein am Boden".

Magische Küchenhilfe erhalten die Kölner Handwerker in August Kopischs sprichwörtlich gewordener Ballade "Die Heinzelmännchen": Ein Bäcker kommt so leicht zum Brot, ein Metzger erfreut sich nachts gestopfter Wurst, auch dem Küfer nehmen die Gnome sein Tagwerk ab: "Beim Schenken war es so: es trank / der Küfer, bis er niedersank, am hohen Fasse schlief er ein, / die Männlein sorgten um den Wein / und schwefelten fein / die Fässer ein ["¦]."

Speisen der Armut kennt auch die Ballade. In Karl Egon Ritter von Eberts Ballade Frau Hitt wird die hartherzige Frau Hitt versteinert, einer notleidenden Mutter beizustehen. Deren Kind nämlich leidet Hunger: "Zu Speise hast du ein hartes Brot, / Das ein anderer nimmer mag, / Und wenn dir jemand ein Äpflein bot, / So war es dein bester Tag."

Eine der wenigen Balladen, die einen Trinker zum Helden haben, ist Johann Nepomuk Vogts Der Meistertrank. Hans von Waldeck hat seine Burg vertrunken. Der Gaugraf, inzwischen im Besitz von Burg Waldeck, bietet das Anwesen dem, dem es gelingt, seinen Reiterstiefel in einem Zug auszutrinken. Außer einem ergrauten Unbekannten wagt es niemand, den mit Wein gefüllten Schaftstiefel zu stürzen – der aber gibt sich als Herr von Waldeck zu erkennen, trinkt und stirbt, und "lächelt im Verscheiden / Noch all die andern an: / "Den Trunk, ihr Herrn, den hab ich / Für Weib und Kind getan!".

Unter den Pestballaden ist Frank Karl Ginzkeys Ballade vom lieben Augustin gewiss nicht die bekannteste, der Stoff ist jedoch wegen seines Bezugs zum bekannteren Lied dennoch gegenwärtig. Der lebenslustige Spielmann Augustin fällt zu Wien, beseligt von "Mondschein und Wein", in eine Pestgrube, wo er munter weitermusiziert. Die Pest, solcherart vergrätzt, flieht den "Wiener Hamur". Bieder beschließt der Sprecher: "Funkelnder Wein und der rechte Humor / Treibt selbst die Pest und den Tod aus dem Tor." Trinkende Frauen sind selten in der Balladendichtung; doch verwundert es nicht, dass es Heine war, der in Ein Weib die Abstinenz der Balladenfrau durchbricht – die Spitzbübin erlebt, wie ihr Geliebter, ein Dieb, gehenkt wird, "Sie aber schon um achte / Trank roten Wein und lachte." Balladen über männliche Säufer gibt es dagegen genug – in Adolf Glassbrenners "Wert des Lebens" beschließt der Eckensteher Zimmt, das Ersaufen mit dem Besaufen zu vertauschen und der Einladung eines Kollegen zu folgen: "Ick habe vier Jroschen, / Die wolln wir verkümmeln, juchhei!"

Ein Henkersmahl gewährt der König in Heines Ritter Olaf. Der Ritter hat die Königstochter verführt und soll unters Richtbeil. Vorher jedoch genießt er einen Abend lang seine Gemahlin und das Festbankett: "Herr Olaf sitzt beim Hochzeitsschmaus, / Er trinkt den letzten Becher aus. / An seine Schulter lehnt / Sein Weib und stöhnt – / Der Henker steht vor der Türe."

In Friedrich Theodor Fischers grauenhafter Ballade Das Bankett lädt ein unbeherrschter Schlossherr alle Teufel zu Gast, weil sich die geladenen Gäste verspäten. In der Tat stellt sich der unerwünschte Besuch bald ein: "Wie tobt das wilde Höllenpack / Mit Springen und mit Singen! / Die Fiedel kreischt, der Dudelsack, / Man hört die Gläser klingen. // Sie füllen sich den Höllenbauch, / Sie grunzen, bellen, mauen, / Man sah sie aus den Fenstern auch / Mit langen Rüsseln schauen." Die Belegschaft flieht Hals über Kopf, vergisst den Erbspross der Sippe, der aber zu guter Letzt durch einen Diener und ein Amen von den Gottseibeiunsen erlöst wird.

Emanuel Geibel hat in Die weiße Schlange einen Märchenstoff aufgegriffen – der alte Stojan sitzt beim Wein und trinkt nicht. Ein Fischer erscheint und verkauft ihm eine sonderbare Schlange, deren Genuss (wie im gleichnamigen Märchen) die Gabe verleiht, die Sprache der Tiere zu verstehen. Stojan, der beim Mahl von der Woiwodschaft Verschmähte, glaubt nun, fürderhin mit den Tieren Gemeinschaft zu pflegen: "Als die Mittagsstunde nun geschlagen, / Bringt der Koch die Schlange wohlbereitet, / Grünumkränzt auf goldgediegner Schüssel. / Munter setzt Herr Stojan sich zur Tafel, / Legt sich und isst mit Wohlbehagen, / Ißt und trinkt vom roten Wein dazwischen, / Bis die Schüssel auf den Grund geleerst ist." Letztlich nimmt er gleichwohl ein tragisches Ende: ein Eichenscheit offenbart ihm, der Mörder seines Sohns zu sein, Stojan haut den Säbel ins Feuer und entzündet einen Schlossbrand, in dem er selbst umkommt.

Conrad Ferdinand Meyer greift in "Lethe" das Motiv des Unterweltstranks auf, der wie die Granatapfelsamen im Proserpina.Mythos den Trinker an den Hades bindet. Der Sprecher beobachtet zunächst ein bacchanalisch anmutendes Gelage in einem Nachen: "Saßen Knaben drin mit Lotoskränzen, / Mädchen beugten über Bord sich schlank, / Kreisend durch die Reihe sah ich glänzen / Eine Schale, draus ein jedes Trank." Die Geliebte hebt den Pokal und trinkt dem Sprecher "Vergessen zu", dieser entwindet ihr den Vergessenstrunk und wirft ihn über Bord, beim Kuss erst bemerkend, dass die Tote bereits unwiederbringlich verloren ist.

In Gottfried Kellers Ballade vom dürren König gerät ein Fürst in Seenot und kommt vom Kurs ab; der Proviat, ein "Fässlein Zwieback", ist bald aufgebraucht: "Und grinsend saß der Hunger im engen Bretterhaus." Es kommt, wie es kommen muss: ein Seemann nach dem andern wird durch das Los der Mannschaft zur Nahrung bestimmt, bis nur noch der König und ein zweiter Matrose übrig sind. Vom König heißt es: "Man hatte ihm das Knöcheln erlassen aus Respekt, / Doch hat es ihm nicht minder wohl geschmeckt, / Ja, er fand ganz in Ordnung und trefflich diesen Schmaus / Und gafft`, ein Liedlein pfeifend, dumm auf das Meer hinaus." Der letzte einfache Seemann stürzt die Hierarchie an Bord, tötet den König, hat aber dennoch nichts davon: "["¦] wütender vom Hunger wandt` er ihn um und um --/ Er musst liegen lassen den Leib mit Haut und Haar, / Weil der auch gar zu zähe und ungenießbar war."

Theodor Fontane erzählt in Silvesternacht vom damals weit verbreiteten Brauch, in der Silvesternacht den künftigen Gatten durch ein Festmahl herbeizulocken, man müsse nur in der Geisterstunde für zwei decken. Der Freier erscheint durchaus – der Tod: "["¦] Die Mutter hört`s und kommt herbei; / Zu spät, verschüttet liegt der Wein, / Tot ist die Tochter und – allein."

Ein etwas sonderbares Liebesmahl ist bei Wilhelm Busch in Rhadamant und Zamore zu finden. Vom ägyptischen Liebespaar liest man: "Sie löschten aus demselben / Pokale ihren Durst, / Sie aßen miteinander / Von einer Leberwurst." Die deftige Kost spiegelt sich im ebenso zünftigen Ende. Verwandelt zu Gans und Ganter beschließen die noblen Nilbewohner ihr Leben in einer Pommerschen Räucherkammer: "Die Seele fährt von dannen, / Der Leib der wird versandt, / Als Pommerns Gänsebrüste / Bekannt in jedem Land."

In Trauriges Resultat einer vernachlässigten Erziehung beklagt Wilhelm Busch den schlimmen Werdegang des Knaben Fritz, der – obschon aus gutem Hause – durch das Laissez-faire seiner Eltern der Sünde in die Arme getrieben wird: "Alles konnte Fritzchen kriegen, / Wenn er seine Eltern bat, / Äpfel-, Birnen-, Zwetschgenkuchen, / Aber niemals guten Rat."

In friesischem Grünkohl kommt der Amtsmann von Tondern um, Detlev von Liliencrons Henning Pogwisch aus Pidder Lüng. Der erpresserische Vogt sucht den Friesen bei der "kargen Mittagskrippe" auf und will sein Geld: "Du frisst deinen Grünkohl nicht eher auf, / Als bis dein Geld hier liegt zu Hauf", und zu allem Überdruss speit er dem Bauern "in den dampfenden Kohl hinein"; Pidder Lüng, der Hausherr, ist jedoch lieber tot als Sklave, "lewwer duad üs Slaav", und "schleppt den Napf an den Amtsmann heran, / Und taucht ihm den Kopf ein, und lässt ihn nicht frei, / Bis der Ritter erstickt ist im glühheißen Brei."

Gäste aus der Anderwelt bewirtet man gut, Philemon und Baukis taten gut daran. Der arme Konz in Gerard Hauptmanns Legende tut es auch, am "qualmigen Herde" sitzt ein Fremder, ein "verirrter Königssohn" nieder, speist und trinkt und lobt: "Dein Brot war gut! Dein Trunk war rein! / Viel reiner strahlt deines Herzens schein." Der Gast, ein verkappter Christus, lädt den armen Klausner nun seinerseits ein in seines Vaters "goldenes Haus", das sich in der letzten Strophe zu einer leuchtenden Erscheinung öffnet. Zuweilen kommt es wohl auch vor, dass der Tod der Gast ist, den weltlichen Speisen gleichfalls nicht abgeneigt. In Lulu Strauß von Torneys Mara frohlockt der finstere Sensenmann: "O Wein, wie rot Feuer blinkt / Dem Mund, der sonst nur Tränen trinkt. // Gesegnet Brot, des Duftes voll, / Der nicht aus Gräberschollen quoll!". Peinlich berührt schon durch den Schlagreim denkt man an den ungleich enthaltsamen Schnitter aus "The Meaning of Life".

Ungewöhnlich ist für die Ballade jede Form der Rahmenhandlung, sie widerspricht dem Gebot der Einsträngigkeit – und doch wird sie in der Kunstballade gebraucht. In Börries von Münchhausens Der Totspieler lässt ein Baron den Pfarrer zu Tisch und zum Klavierspiel bitten: "`Herr Pastor, kommen Sie! Ihr Abendtisch / War ausgezeichnet, und das Bier ist frisch / Und reicht schon noch zu ein paar Zügen Rauch!`". Im Verlauf der Handlung, berichtet vom Pastor selbst, wird deutlich, weshalb er die Einladung ausschlägt, ausschlagen muss – sein Klavierspiel verwirkt das Leben seiner Kinder.

Auch parabolische Balladen gibt es, die sich des Zechers bedienen, um Weltpolitisches zu sagen. Erich Weinerts Ballade lässt eine Rotte von Zechprellern im Geleit eines dubiosen "Führers" eine Reihe von Wirtshäusern aufsuchen, die im Jahr 1943 als Wegmarken der deutschen Angriffe auf Europa zu verstehen sind. In jedem der Wirtshäuser wird das jeweils Landestypische genossen. In der "Polnischen Wirtschaft" gibt es Slibowitz und Wurst, im "Fliegenden Holländer" Schinken mit Bier und Gin, im "Hotel de Laval" serviert man Bordeaux; besonders üppig schlemmen die unrechten Zecher im Gasthaus "Zum König von Dänemark", wo es Kuchen und Kaffee mit Sahne gibt, dazu noch Aquavit und Eierlikör. In der "Schönen Helena" schwelgen die Zechpreller in Samoswein und Seelachs – nur an ein "Rumpsteak mit ein paar Whiskys und Ale" im "Prince of Wales" kommen sie nicht heran. Es wundert nicht, dass zuletzt die Zechpreller ihren Übermut büßen.

Volksballade

Wie ein Lachs zerteilt wird der Wächter aus einer Volksballade des 16. Jahrhunderts, Abendgang (17): Sie ließen den Wechter fahen / sie legten jn auff ein Tisch / zu stücken thet man jhn schneiden / gleich wie einem Salmen Fisch ["¦]" (DVA Bl 569). Ähnlich ergeht es dem Bremberger aus einer Ballade des 16. Jahrhunderts: hier muss die offenbar zu Unrecht Geliebte das Herz ihres Ritters verspeisen: "Man legt den Bremberger auf ein Tisch, / schneid ihn zu Riemen wie ein Fisch, / sein Herz gab man zu essen / der Frauen in einem schwarzen Pfeffer." Es wundert nicht, dass die solchermaßen Entsetzte erst nach einem guten Schluck "kühlen Wein" verstirbt. Den Becher trinkt sie "aus bis auf den Grund"; das Todesmotiv des gestürzten Bechers, aus dem der heilige Geist des Weines entwichen ist, ist aus der Vanitasmalerei bekannt. [DVldr. Nr. 16, S. 41]. Aber auch Jungfrauen werden zerteilt, sicher ist es Zufall und kein Geschlechtervorurteil, wenn in der Entführten Graserin dafür ein Friedfisch herhalten muss: "Sie legten die Jungfrau wohl auf den Tisch / und zerteilten sie wie einen Karpfenfisch." [Adolf König, Heimatlieder aus Nordböhmen, Reichenberg i. B. 1919, Nr. 12; S. 89]. Zerteilt wird auch der unglückselige Graf von Holstein in der Ballade Grausamer Bruder, zerlegt vom rächenden "König von Engelland", der als Verlobter seiner Schwester auftritt und dem Grafen die Folterung der Braut verständlicherweise übel nimmt: "Lege dich hin, lege dich nur hin auf den Tisch, / wir wollen dich hauen wie gebratene Fisch. // Dass jedes Stück nicht größer sei, / als wie ein kleiner Fisch mag sein. [John Meier: Balladen, Bd. 2, Leipzig: 1936, Nr. 51 A, S. 151]

In einer Essens-Metapher spiegelt die Bäurin aus Bauer und Magd den Ehebruch der Magd: "Du hast die Wurst gefressen, / friss auch das saure Kraut." (Gustav Jungbauer: Volkslieder aus dem Böhmerwalde, I, Prag: 1930)

Drei besoffene Weiber treiben es bunt in Bestrafte Zechprellerei aus einem handschriftlichen Liederbuch in Ungarn. Vom Wirt fordern sie ein "schweinernes Bratl" und verschlingen "drei Dutzend Bratwürst". Noch beeindruckender ist der Durst der drei Bacchantinnen: "Sie trinken aus dem Krug / wie wohl aus dem Glas, / bis der Wein ist kommen / auf sechsunddreißig Maß." (DVA A 142 148). Metaphorisch zu verstehen sind auch die "Brommelbeeren" aus der Brombeerpflückerin, die eine im Jahreslauf nicht mehr zu verbergende Schwangerschaft andeuten – das Brombeerpflücken ist ein erotisches Sinnbild. [DVA = A 122 330, S. 53]. Die Wöchnerin fragt, bass erstaunt angesichts des Kindes: "Ei, ei, was hab`n wir getan? / Sind das nicht die Brommelbeeren, / ei, ei, ei, die Brommelbeeren, / die wir gepflücket han?". Eine Pfälzer Variante des Liedes wird noch deutlicher: "Ach Gott, was ist denn das? / Sind das die reifen Beeren, / die ich gegessen hab`?" Aus dem Bayerwald stammt eine dritte Lesart, die allerdings den jungen Jäger sprechen lässt: "Madel, sind das unsre Braunbirl, die wir gebrocket hÃ¥m?" [DVA = A 215 060]

Kräftige Zecher und Fußballspieler zugleich sind die beiden Burschen aus einer oberschlesischen Variante zu "Bestrafter Fähnrich" (DVA A 117 703): "Bei einer Wirtin da kehrten sie ein. / Und sie tranken Bier, und sie tranken wein, / schwarzbraunes Madel schenke ein."

Das häufige Motiv der Braut, die dem unrechten Bräutigam die Tischgenossenschaft versagt, bringt die aus dem Bergischen überlieferte Bluthochzeit: "Nun iss und trink den alten Wein / und lass dein Herze fröhlich sein!" / "Ich mag nicht trinken alten Wein / mein Herz kann nimmer fröhlich sein." (Talvj: Volkslieder, Leipzig: 1840). In einer Südtiroler Variante des Volkslieds Dienende Schwester verweigert die unerkannt im Hause der eigenen Schwester dienende Pfalzgrafentochter nach ihrer Entdeckung jegliche Speisung: "Ich mag nicht Brot, ich mag nicht Wein, / ich mag ins kühle Grab hinein." [Alfred Quellmalz, Südtiroler Volkslieder, Bd. 1, Kassel 1968, Nr. 11b, zit. N. S. 57]. In einer Lothringer Fassung der Entführten Graserin ist der schönen Geisel auch der Appetit vergangen: "Sie führen sie wohl an den Herrentisch, / sie tragen ihr wohl auf gebackene Fisch`. // Sie tragen ihr wohl auf den roten kühlen Wein, / die Gräserin mag gar nicht fröhlich sein." [DVldr. Nr. 45; S. 90]. Dasselbe gilt auch für gebackenen Fisch, wie man in einer ebenfalls aus Lothringen stammenden Ballade mit dem Titel Erzwungene Ehe feststellt – da wird das arme Mädchen an den Tisch gesetzt vor einen Teller "gebackene Fisch", und das Einzige, was ihr dazu in den Sinn kommt, ist es, sanft zu entschlafen. [DVldr. Nr. 50, S. 96]. Ebenso geht es der bemitleidenswerten Braut des Grafen Friederich: "Sie führten die Braut zu Tische / und gaben ihr gebackene Fische / und schenkten ihr ein vom besten Wein, / die Braut wollt` nicht mehr fröhlich sein." [DVA = A 118 067, S. 127]. Eine Hamburger Volksballade, entstanden nach 1800, wiederholt das Motiv: "Sie trug ihr auf einen becher Wein, / Dazu gebackne Fische." – Wenigstens in Hamburg haben die gebackenen Fische eine gewisse Berechtigung. [DVA = Bl 1843, S. 129]. Auch die Schön Adelheid aus der gleichnamigen Ballade mag aus Liebeskummer am Hochzeitstag nichts kosten: "`Ich will nit essen und trinken; / mein Herzlieb hat mir so weh getan, / ich mag nit essen und trinken.`" [S. 313].

An ein Grimmsches Märchen erinnert eine Brotfrevel-Ballade, die über eine Flugschrift aus dem Jahr 1823 belegt ist. Das hoffärtige Mädchen legt Brote in den Schmutz, um sich mit den neuen Füßen nicht beschmutzen zu müssen – prompt bannt sie der liebe Herrgott an Ort und Stelle fest. [S. 49] Einer reichen Dame in einer aus dem Pommerschen überlieferten Ballade versteinert das Brot, nachdem sie ihrer armen Schwester ein Almosen verweigert hat: "Der reiche Mann nach Hause kam / und wollte schneiden Brot; / das Brot war hart wie Steine, / das Messer rot wie Blut." [S. 406].

Haus- und Küchengeister sind Volkssagen häufig belegt und treiben auch in der Volksballade ihr Unwesen, die ihre Stoffe nicht selten aus Sagenmaterial zieht. Der Gnom in Buckliges Männlein entpuppt sich als Schmarotzer, als Parasit im eigentlichen Sinne. Die Sprecherin kann ihr Süpplein nicht kochen, weil das Männlein das "Töpflein brochen" hat; ihr "Müßlein" kann sie nur mehr zur Hälfte verzehren, auch hier war der Hausgeist schneller, selbst den Weinkrug schnappt er ihr weg. Und weshalb das Ganze? Um ins Gebet eingeschlossen zu werden und auf diesem erpresserischen Wege Erlösung zu finden. [Des Knaben Wunderhorn, III, Heidelberg: 1808, S. 54f.]

In einer Ballade aus der Eifel, Gefangenenbefreiung, lässt die Tochter des Pförtners, der drei Burschen gefangensetzen ließ, Gerstenbrote backen, "darinnen drei Feilen versteckt" – diese reichhaltigen Brote wirft sie ihnen in den Turm. [J. H. Schmitz: Sitten und Bräuche, Sprüchwörter und Räthsel des Eifler Volks. Trier: 1865, S. 143, zit. N. 114]

Das Legendenmotiv der Speisung durch eine Hirschkuh bringt die burgenländische Legendenballade Genovefa – auch der Sohn, der "Würzlein" gräbt, findet Erwähnung. [Harald Dreo und Sepp Gmasz, Burgenländische Volksballaden, Wien: 1997, Nr. 41]

Den Liebesbecher gibt es in der Kunstballade, man findet ihn in der Volksballade erst recht. In Goethes handschriftlicher Sammlung aus dem Elsass steht die traurige Ballade vom jungen Grafen, der seine Liebste ins Kloster entlassen muss. Da hilft auch die Pokalspende auf schwankendem Boot wenig: "Der allerjüngst der drunter war / Die in dem Schifflein sassen, / Der gebot seiner Liebe zu trincken / Aus einem Venedischen Glase." Goethe merkt dazu an, es handle sich um "ein Glas, das den Tranck vergiftete." Das wirft auf das im ersten Berliner Kommersbuch von Groos-Klein (Deutsche Lieder für Jung und Alt, Berlin: 1818) ein aufhellendes Streiflicht. Hier nämlich spricht die Umworbene selbst, und es ist kein venedisches Glas mehr, sondern ein "römisch Glas", das ihr der Ritter reicht. [S. 135] Das kann sie natürlich nicht daran hindern, den Schleier zu nehmen – worauf sein Glas zerspringt. In der Fassung des Freiherrn von Leprechting (Aus dem Lechrain, München 1855, S. 285 ff.) trinkt zunächst sie, dann er. Der Becher, den ihm die mittlerweile ins Kloster Geflüchtete ihm reicht, ist seinen Zukunftshoffnungen wenig zuträglich: "Sie gab ihm einmal zu trinken / aus ihrem Becher Wein, / in vierundzwanzig Stunden / starb er aus kühlem Wein." [S. 136]

Kannibalismus ist in der Volksballade selten, und auch in Grausiges Mahl gehören "zwei Hände und zwei Füß`" eher als Steigerungsmittel zur Handlung als selbst ein wichtiger Handlungsträger sein – sie entsprechen dem "Essig in dem Blut", den ihm die offenbar schlecht aufgelegte "edle Fraue" kredenzt. Warum sie das tut, wird nicht so ganz klar – offenbar ist der Hausherr untreu. [A. H. von Fallersleben und Ernst Richter: Schlesische Volkslieder, Leipzig 1842, Nr. 28; S. 152]

Weit verbreitet ist der Stoff der Schlangenköchin – in der Ballade spricht ein junges Mädchen, dem vergiftete Nahrung gereicht wurde, mit seiner seiner Mutter. Je nach Fassung des Balladentexts hat sie etwas anderes gekostet: "En Stücksken von `nem Fiske" in einer westfälischen Fassung [S. 304], Met und Wein mit Sesam in einer jiddischen Volksballade [S. 305], "Fleisch von einem Knochen" in einer aus Leipzig überlieferten Fassung [S. 306] und "gebratenes Fischel" in einer elsässischen Variante [S. 307]. Gemeinsam ist allen Fassungen, dass die Tatsache, dass die Kost vergiftet war, vom Leser erraten werden muss, bevor die Folgestrophe die Sache klärt – vorausdeutend weist die Ballade darauf hin, dass etwa der Fisch aus einer Dornenhecke stamme oder einem Haustier vorgeworfen worden sei, das daran gestorben sei. Giftmischerinnen trifft man öfter an in der Volksballade, oft sind sie aber Verführte eher als Verführerinnen. In der pommerschen Ballade Schwester Giftmischerin [DVA A 160 335] rät ein Edelmann einem Mädchen, er hat es auf ihre Ehre abgesehen, ihren Bruder zu vergiften, der die Beziehung als ihr Vormund unterbinden muss: "`Gehe in des Nachbars Garten, / hole dir ne gift`ge Natter. / Koche sie im braunen Bier, / gib sie deinem Bruder zu trinken.`" [S. 333].

Im Steutlinger, einer in Breisgau angesiedelten Ballade, soll die Titelfigur im Hause des Herrn Friedrich mit "wildeste schwein" beköstigt werden – mit einer Speise, die ihm ebenso wenig zusteht wie die ehe mit seiner adeligen Frau [S. 337]. Das Angebot schlägt er gezwungenermaßen aus: "`Wie kann ich essen und trinken, / wie kann es mir möglich sein, / will mir`s mein Herz versinken / beim Met und beim kühlesten Wein.`".

Verschwendungssucht, Faulheit und Völlerei sind in vielen Volksballaden eins – selbst die Kleider der eben erst geheirateten Frau werden versoffen [403]. Der stolzen Müllerin aus der gleichnamigen Ballade aus dem Schwäbischen ist das Mahlen wohl zu beschwerlich – deswegen fordert sie ihren Müller dazu auf, die Mühle zu verkaufen und das Geld besser anzulegen: "Die Mühl` wollen wir verkaufen, / das Geld wollen wir versaufen! Beim roten kühlen Wein, kühlen Wein, / da wollen wir lustig sein." In einer Siebenbürgener Fassung träumt die müßige Müllerin von Schillerwein, in einer hessischen Version von Bier und Wein [340].