Begriff

Vom Bild zum Text

Was heißt das - Bilder beschreiben?

Vielfältig sind die Wechselwirkungen zwischen Bild und Erzählung. Fast unüberwindlich scheint diese Vielfalt, und vergeblich scheint der Versuch, Ordnung zu schaffen. Nötig ist dies allemal. Oft erliegen Autoren der Verführung zum Sprachspiel und erzeugen Verwirrungen wie diese: "Bilder sind nicht nur be-, sie sind auch ge-malt." Bilder sind durchaus nicht be-malt; bemalt sind allenfalls Bildträger. Bilder, sprachliche und sichtbare, sind Zeichen; Zeichen als unstoffliche Gegenstände aber können eben nicht bemalt werden. Was, so mag man fragen, unterscheidet sichtbare und sprachliche Bilder? Setzen wir voraus, dass sichtbare Bilder und sprachliche Bilder vergleichbar sind, dann ergeben sich zwei mögliche Ordnungen: Bilder, die Texte erzeugen, und Texte, die Bilder erzeugen. Gehen wir davon aus, dass sprachliche Zeichen ebenso wie sichtbare Zeichen sich auf Dinge beziehen, die in unseren Erfahrungsraum gehören. Sprachliche Zeichen bezeichnet man seit Ferdinand de Saussure als "arbiträr". Das heißt: willkürlich gebildete Sprachzeichen benennen Gegenstände aus unserer Erfahrungswelt. Sichtbare Zeichen bezeichnen wir als "ikonisch": das heißt, sie ähneln ihrer Gestalt nach den Gegenständen unserer Erfahrungswelt, auf die sie sich beziehen. Diese Ähnlichkeit ist in gewissem Maße auch von Konventionen abhängig, die Zeichen und Bezeichnetes auf einander beziehen. Setzen wir jedoch voraus, dass in ihrem Handeln alle Menschen die Welt als veränderbar erfahren, dass Menschen sich als wirkmächtig begreifen. Die Vorstellungen der Welt stimmen zweckvoll mit den Tatsachen überein, und daraus ergibt sich, dass alle Menschen ein und dieselben Gegenstände wahrnehmen, auch wenn die Bedingungen des Wahrnehmens unterscheiden. Bild und Wort beziehen sich auf denselben Gegenstand. Sichtbare Zeichen stellen offenbar nur geringe Anforderungen an den Wahrnehmenden. Auch ohne die erlernte Kenntnis von Darstellungsregeln kann er abgebildete Gegenstände in seiner Umgebung auffinden. Den sprachliche Zeichen jedoch muss er zwangsläufig erlernen: erlernt er ihn nicht, ist es ihm unmöglich, die fremden Zeichen auf vertraute Gegenstände zu beziehen.

Am Beginn des Austauschs über einen Bezugsgegenstand steht eine Wahrnehmung, in diesem Fall: eine bildhafte Wahrnehmung. Diese Wahrnehmung wird als Zeichen verschlüsselt. Wer mit dem Schlüssel vertraut ist, kann sie entschlüsseln: es stellt sich eine der verschlüsselten Wahrnehmung entsprechende Vorstellung ein. Steht oder liegt der gemeinte Gegenstand zufällig in der Nähe herum, wird der Empfänger der Mitteilung ihn vermutlich erkennen. Nun ist das nur selten der Fall: Bilder und Wörter haben ja gerade den Vorteil, dass sie auch ohne den Bezugsgegenstand wieder ein Bild erzeugen, das dem gemeinten Gegenstand mehr oder minder entspricht. Es scheint, als ob sichtbare Zeichen zwar nicht alle, aber doch sehr viele Merkmale des Bezugsgegenstands darstellen können, so, dass der weit entfernte Empfänger ihn leicht erkennt – Wörter, auch in ihrer Zusammenstellung zum Text, vermögen das ebenfalls, doch sind sie je nach Gegenstand schwerer zu deuten. Nehmen wir einmal an, ein Handelsreisender bemerkt, er habe eine "afrikanische Statuette mit Krokodilmaske" gekauft – eine Skizze dieses Fetischs legt er bei. Der Kaufmann in Leipzig kann nun aus der Formulierung des Reisenden erschließen, dass es sich wohl um eine mittelgroße, aus Afrika stammende Figur mit applizierter Krokodilmaske handelt. Er wird diese kategoriale Bestimmung nun mit verschiedenen Akzidenzien füllen, die ihm seine Kenntnis des Kontexts eingibt: diese Figur stammt mutmaßlich aus dem subäquatorialen Afrika, vielleicht aus Nigeria, ist wahrscheinlich wie die Mehrheit aller Statuetten aus Holz und diente ursprünglich wohl dem kultischen Gebrauch.

Anders verhält es sich mit der Zeichnung: selbst dann, wenn der Handelsreisende dem Kaufmann billigen Tand unterschieben möchte, kann dieser anhand der Zeichnung das zunächst Angebotene einfordern – so genau vermag er, die Identität des Referenzobjekts zu umreißen. Letzte Sicherheit hat er freilich nicht, denn sprachliche Beschreibung und graphische Darstellung wählen aus, müssen gedeutet werden. Verschärfen wir das Problem: nehmen wir an, der zwölfjährige Neffe des Kunsthändlers möchte die Figur nachbasteln. Dies gelingt ihm anhand der Zeichnung ganz gut, sogar so gut, dass ein nachgeborener Forscher aus Nigeria eine Yoruba-Figur darin erkennt. Der Zwillingsbruder des Jungen, der noch nie mit afrikanischer Kunst zu tun hatte, bezieht sich bei ähnlichen Bastelarbeiten auf die sprachliche Mitteilung: bei ihm wird, gleiche Begabung vorausgesetzt, ein Mittelding zwischen Kaiser Wilhelm und Gartenzwerg daraus, dem ein geheimnisvoller Schnabel entwächst. Sichtbare Zeichen scheinen etwas gehaltvoller zu sein als sprachliche. Sprachliche Zeichen haben neben vielen Vorzügen einen entscheidenden Nachteil: sprachliches Zeichen sind zunächst einmal davon abhängig, wie vertraut derjenige, der es entschlüsselt, mit dem Gegenstand und dessen Umfeld ist. Gleichwohl: genaue Beschreibung und treffende Zeichnung vermögen ein für praktische Zwecke nützliches Abbild des Gegenstands zu erzeugen. Es ist offenkundig, dass eine grobe Faustskizze mitunter ebenso undienlich sein kann wie eine verschwommene Beschreibung. Bild und Beschreibung entstehen erst in der Zusammenstellung von Merkmalen: diese verlangt nach Attributen, jenes nach Linien. Während eine Zeichnung jedoch in den meisten Fällen Ähnlichkeit ohne größeren Aufwand zu erreichen vermag, sind nur wenige Beschreibungen hinreichend genau, erst die Verbindung von Wort und Bild gewährt die Sicherheit, dass Zeichen und Gegenstand einander weitgehend entsprechen. Wir befassen uns jedoch vorrangig mit Texten, die ohne die Unterstützung von Bildern auskommen: mit Texten, die sprachliche Bilder schaffen, die einen Leser so fesseln, dass er das Buch nicht nach drei Zeilen aus der Hand legt. Leser verlangen nach Bildern: sie können gar nicht anders, als sich Bilder zu schaffen und sinnvoll aufeinander zu beziehen. Neben dem Wohlklang der Worte und einem schlüssigen Zeitgefüge ist ein annehmbares und vor allem ungebrochenes Bildgefüge für erzählende Texte unverzichtbar. Daher die seit Horaz so oft zitierte Forderung, die Dichtung habe der Malerei zu folgen. Befassen wir uns zunächst mit der Frage, wie es Menschen gelingt, innerlich sichtbare Bilder mit sprachlichen Mitteln hervorzurufen.

Wie gelangen Kunstwerke in Texte?

Was eigentlich ist der Gegenstand einer Arbeit über die Beschreibung von Kunstwerken? Sind es die Kunstwerke selbst? Ist es ihre Darstellung in der Sprache? Behelfen wir uns zunächst mit dem Begriff der Instanz. Jedes geistige Abbild eines Kunstwerks, das Bild in der Vorstellung des Betrachters, bezeichnen wir als Instanz. Stellen wir uns vor, es habe eine Vorlage zu Heines chinesischer Prinzessin tatsächlich gegeben, die ihm in der "Romantischen Schule" zum Angriff auf Brentano so gelegen kam. Dieses Kunstwerk, selbst von seiner Vorlage abgeleitet, erzeugt eine erste Instanz in der Vorstellung eines reisenden Betrachters: es erscheint als geistiges Abbild in seiner Vorstellung. Gehen wir nun weiter davon aus, dass der reisende Betrachter diese Vorstellung zeichnerisch fasst: als Abbildung dieses Kunstwerks in einem Reisetagebuch. Dem Betrachter dieses Tagebuchs erzeugt die Abbildung eine Instanz zweiter Ordnung. Das geistige Abbild dieser Abbildung in der Vorstellung des Betrachters könnte nun seinerseits in einen Text einfließen. Dieser Text schafft in der Vorstellung des Lesers eine Instanz dritter Ordnung. Hier begegnen uns drei Instanzen eines einzigen Gegenstands: es könnten aber durchaus noch mehr Instanzen hinzukommen, je nachdem, wie viele Medienwechsel zwischen dem Gegenstand selbst und seiner letzten Instanz liegen.

Fragen wir uns nun, wodurch diese Übergänge von Instanz zu Instanz geprägt sind. Wie kommt es, dass jener Gegenstand, Heines Porzellanfigur, nach aller Umformung noch zu erkennen ist? Wie kommt es, dass sich die vom Gegenstand erzeugte Instanz von späteren Instanzen merklich unterscheidet? Stellen wir uns weiter vor, das Objekt in seiner ursprünglichen Gestalt habe eine Vielzahl von Merkmalen, die sich von Mal zu Mal verändern. Die Ursachen dieser Veränderung bezeichnen wir als Filter. Filter lesen aus, was in der nächsten Fassung des Objekts nicht mehr aufscheinen kann – was bleibt erhalten, was verschwindet? Weshalb erinnern wir uns an die Strahlenkrone der New Yorker Freiheit, aber nicht an ihre Fackel?

Betrachten wir zunächst die stofflichen Bedingungen des Übermittelns: Wege und Brücken sind dem Reisenden zugänglich, der Kaiserpalast in Peking nicht. Porzellantassen finden leicht ihren Weg in die Museen, ein tonnenschwerer Buddha gelangt dorthin nur in Gestalt eines Bildes oder eines Gipsmodells. Wie könnte die Laokoongruppe je einen berühmten Akademikerstreit entfacht haben, wenn man sie im 18. Jahrhundert mit einem Ochsenkarren über die Alpen hätte schaffen müssen? Sie hat ihn Gestalt eines Drucks ausgelöst. In den Reiseberichten des 17. Jahrhunderts, der Persienbericht Engelbert Kaempfers mag als Beispiel dienen, begegnet uns das Fremde im Gewand des Eigenen. Chinesische Hofdamen ähneln ihren europäischen Basen zuweilen bis aufs Haar, persische Adelige könnten dem Statuenschatz der Dresdner Akademie entsprungen sein. Selbst dann, wenn eine recht genaue abbildhafte Wiedergabe beabsichtigt ist und gelingt, selbst dann ist sie noch recht teuer. Bis zur Erfindung des Stahldrucks sind die Abnutzungsraten für Druckvorlagen zu hoch für große Auflagen, und auch danach ist durchgehende Bebilderung noch unverhältnismäßig teuer. Ersatz bietet erst die Einschaltung von Photographien, die zunächst jedoch beigelegt oder eingeklebt werden müssen.

Wenden wir uns nun dem zweiten wichtigen Filter zu: der Zeit. Abgesehen davon, dass die historische Verortung eines Kunstwerks seine Verfügbarkeit bedingt, dass Kunstwerke vergänglich sind und sich im Raum bewegen, dass die Verfügbarkeit von Wissen und Technik die Mittelbarkeit von Gegenständen eingrenzen, hat die Zeit eine weitere wichtige Funktion: im Gedächtnis verwandelt sie den ersten lebhaften Eindruck des Betrachters in eine zunehmend blasse Erinnerung. Wichtiger noch ist die Erscheinung der verspäteten Ankunft: der Zeitabstand zwischen der Aufnahme eines Kunstwerks und der Ankunft dieser Aufnahme beim Publikum, heute Sache eines Mausklicks, war mitunter beträchtlich. Jahre konnten vergehen, Jahrzehnte oder Jahrhunderte gar: die Herkunftskultur des Kunstwerks hat sich weiterentwickelt, die Vorstellungskraft der fernen Betrachter zehrt noch immer von den Bildern der Vergangenheit. Mancher Reisende stellt erstaunt fest, dass Chinesen heute ohne Zöpfe auskommen und dass die Polynesier Gauguins mittlerweile bekleidet gehen.

Der nächste Filter ist die Kultur, die dem Betrachter eingeschrieben ist. Er beobachtet nach Regeln, die ihm vertraute Diskurse zur Hand geben, bewertet nach Maßstäben, die von seiner Kultur geprägt sind, bedient sich sprachlicher Darstellungsregeln: was er nicht weiß, das sieht er nicht; was er nicht sehen darf, das übersieht er. Die Darstellungsregeln für das Exotische entstammen oft nicht der Erfahrung, selbst dann, wenn vor Ort gearbeitet wird: das Arbeiten nach Vorbildern aus der eigenen Kultur zwingt die Wahrnehmungstatsachen in die feste Formen. Selbst photographische Abbilder sind keineswegs echt: sie werden so komponiert, dass sie im Einklang mit dem Weltwissen und den Normen der Photographen stehen: Unanständiges wird unterdrückt oder umgeformt. Mitunter dienen Bausteine der westlichen Vorstellung geradezu als Wasserzeichen, als Siegel der Echtheit: Albert Eckhout gibt als Expeditionsmaler Johann Moritz von Nassau-Siegens einer Tarairiu-Frau einen abgetrennten Fuß in ihren Tragekorb, allem Vernehmen nach eine Erfindung Eckhouts. Allein, die Bewohner Brasiliens galten als Kannibalen, und so werden sie auch gezeichnet, unabhängig davon, wie sich eine solche Erfindung in die ansonsten ethnographisch genaue Darstellung einfügen lässt.

Allgemeiner noch als dieser dritte Filter ist der vierte: die Wahrnehmung. Die menschliche Wahrnehmung unterliegt anatomischen Schranken, folgt psychischen Mechanismen, wie sie Köhler und seine Schule in den Gestaltgesetzen beschrieben haben. Wahrnehmung ist nicht die simple Abbildung von Dingen auf einer inneren Leinwand, Formen müssen gedeutet werden: ein erkennendes Sehen, das Zurechtfinden in der Umwelt wäre sonst unmöglich.

Nachgeordnet ist der fünfte Filter, der Filter der Individualität. Die Persönlichkeit lenkt über ihre Aufmerksamkeit die auswählende Wahrnehmung, im Weltwissen des Einzelnen ist seine Wahrnehmung der Welt gegründet.

Der sechste und letzte Filter schließlich ist das jeweilige Medium der Weitergabe: mündliche Weitergabe, Schrift und Bild haben ihre Eigengesetzlichkeit, bestimmte Eigenschaften der Gegenstände sind in bestimmten Medien nicht zu befördern. Den Geruch eines Kellergewölbes kann der Verfasser einer Beschreibung dieser Gruft nur annähernd versprachlichen oder abbilden. Ein weiteres Beispiel: Jehan de Mandeville beschreibt 1357 die ägyptischen Pyramiden als Scheuern, weil sie ihm als Grabmäler grob überdimensioniert scheinen – weshalb die Illustrationen zur Übersetzung von Michael Velser aus dem Jahr 1482 anstelle altägyptischer Bauwerke mittelalterliche Speicher und Scheunen zeigen. Der Irrtum des Beschreibenden erzeugt einen unpassenden Begriff, der seinerseits unangemessene Darstellungen nach sich zieht; Darstellungen, die zwar dem wirklichen Erscheinungsbild der Pyramiden keineswegs Rechnung tragen, sie aber als das zeigen, was sie nach biblischer Tradition sein müssten: Josephs Kornspeicher.

Zwei Annahmen gleichwohl kippen diese so fest anmutende Theorie: wir verhalten uns so, als beschäftigten wir uns nur mit dem "Text", einem unabänderlichen Sachverhalt. Wie ist dies möglich, da doch einer der Filter, jener der Persönlichkeit, immer zwischengeschaltet ist? Wir befassen uns also lediglich mit einer Abstraktion dessen, was unsere Vorstellung des Texts mit den unterstellten Vorstellungen anderer gemein hat. Wir haben außerdem bis jetzt positivistisch vorausgesetzt, dass eine Abhängigkeit zwischen einem uns vielleicht gar nicht bekannten Gegenstand und dem Text besteht. Was aber ist, wenn nicht nur ein einziges Objekt vorliegt? Die Hauptschwierigkeit beim Erfassen eines versprachlichten Bildwerks, das viele Interpreten aus praktischen Gründen nicht sehen oder nicht sehen wollen, ist sein Kompositcharakter. Wir können nicht an der Wirklichkeit überprüfen, welches bestimmte Kunstwerk in welchem Text dargestellt wird. Das Kunstwerk ist zwar nicht "autonom" im Sinne dessen, dass es auf nichts verweist; es ist aber das Ergebnis von Wahrnehmungen eines Ausschnitts des Wirklichen. Gleichzeitig aber sind diese Wahrnehmungen umgeformt und nicht einfach "gespiegelt", umgeformt durch die oben beschriebenen Filter. Als Kunstwerk folgt es den Darstellungsregeln einer Kultur, ist Konstruktion. Wer sich mit Konstruktionen befasst, der wird deren Elemente nicht außer Acht lassen können, wenn er sich auch hauptsächlich mit den Konstruktionsregeln befasst.

Zurück zu unserem Beispiel aus Heines: "Romantischer Schule": wird eine Instanz in eine neue Instanz überführt, dann greifen verschiedene Filter. Nehmen wir einmal an, dass dies auf alle Filter zutrifft, dann bleibt uns nach den beschriebenen drei Instanzen nur das, was eine Vielzahl von Filtern vom Gegenstand uns lassen. Das ist nicht viel, kann aber zu weiteren Untersuchungen verwendet werden. Fassen wir es einmal so: wir lesen einen Text, der ein Kunstwerk beschreibt; wir machen uns auf die Suche nach diesem Kunstwerk und finden es; wir vergleichen beide Kunstwerke und untersuchen, wie der Text das Kunstwerk aufnimmt. Die dabei auftretenden Schwierigkeiten sind bekannt: es gibt nicht wenige Texte, die ein verlorenes oder erfundenes Kunstwerk aufbauen. Zweitens ist nie sicher, ob sich der Text auf ein einzelnes Kunstwerk bezieht, und wenn doch, ob es gerade das ist, das uns vorliegt.

Wir wissen, dass zwei Zeichen ein und denselben Gegenstand bezeichnen können, wir wissen, dass manche Zeichen erfundene Gegenstände bezeichnen, die wir uns nur aufgrund unseres Weltwissens und der Kenntnis geltender Bauregeln vorstellen können. Es versteht sich, dass sich Vorstellungen von Mensch zu Mensch unterscheiden: jeder erfindet sich seine eigene Wirklichkeit. Setzen wir also voraus, dass wir aufgrund unserer Kenntnis der Bauregeln die Gedankengebäude anderer Betrachter nachbauen können, obgleich sich unsere Entwürfe von ihren Entwürfen so deutlich unterscheiden. Ohne diese Voraussetzung wäre jedes Reden über Wahrnehmungen sinnlos, gleichsam autistisch. Bemühen wir uns nicht, das vorgestellte Kunstwerk mit wirklichen Kunstwerken in Beziehung zu setzen, fragen wir vielmehr nach den Bauregeln und deren Verfasser. Es erscheint nützlich, nach den Gründen für die Versprachlichung von Kunstwerken zu fragen.