Geschichte der Reiselyrik in Analysen

Reiselyrik der Aufklärung

Christian Wernicke: Thorheit der Welt

Wir gehn mit Lust und vollen Freuden
Nach Rom, Madrid und nach Paris,
Nach London, Amsterdam und Leyden;
Wir gehn als Jason nach dem Vlies;
Wir gehn nach Wien als Abgesandte,
Wir gehn in's Feld als Oberste,
Auf's Rathhaus als des Raths Verwandte,
Als Flaggenführer in die See;
Wir gehn, verschwendend unsre Stunden,
Mit Brüdern in ein Saufgelag,
Mit Schwestern in ihr Schlafgemach
Und in's Gehege mit den Hunden;
Wir gehn, um niemals still zu stehn,
Und kitzeln uns mit stetem Wandern;
Wir gehn von einem Ort zum andern,
Und woll'n doch in uns selbst nicht gehn.

Kommentar

  • Zum Autor: Der 1661 in Elbing geborene Epigrammatiker und Diplomat Christian Wernicke studierte in Kiel bei Daniel Georg Morhof Philosophie und Poesie. Er absolvierte Bildungsreisen nach Holland, Frankreich und England und ließ sich schließlich 1696 in Hamburg nieder, wo er als Privatgelehrter wirkte. Von 1714 bis 1723 war Wernicke als dänischer Gesandter in Paris tätig. Die zu Lebzeiten Wernickes populären Epigramme, 1749 von Bodmer herausgegeben, wurden von Lessing und Herder geschätzt. Wernicke starb 1725 in Kopenhagen.
  • Zum Text: Der Text erschien 1697 in Wernickes Uberschriffte Oder Epigrammata, In Kurtzen Satyren, Kurtzen Lob-Reden und Kurtzen Sitten-Lehren bestehend, verlegt in Amsterdam; er wurde ferner in die beiden stark vermehrten Hamburger Auflagen 1701 und 1704 aufgenommen.
  • Inhalt: Christian Wernickes Thorheit der Welt greift den barocken Topos auf, der Welterfahrung müsse die Selbsterkundung vorausgehen. Reihum werden die Orte des Weltlebens vorgeführt. Dazu gehören die typischen Studienorte und kulturellen Zentren des ausgehenden 17. Jahrhunderts (Rom, Paris, Amsterdam und Leiden).
  • Aufbau: Das Gedicht beginnt mit kulturgeographischen Reisezielen, mythologischen Reisebezügen zu den Argonauten (Jason) und Hinweise auf Reisen in Diplomatie, Militär und Seefahrt; dann folgen Gänge zu den Zielen profaner Lust (Trank, Beischlaf, Jagd). Noch im Geist des barocken Konklusionsschemas wird zusammengefasst: „Wir gehn, um niemals still zu stehn, / Und kitzeln uns mit stetem Wandern“ (Z. 9-10). Das Gedicht ist pointiert: Das einzige Ziel, das den Menschen nicht naheliegt, ist das im Grunde Wesentliche: die Einkehr.
  • Sprechsituation: Das generalisierende Wir fordert den Leser dazu auf, sich der Selbstreflexion zu unterziehen.
  • Form: Jambische Vierheber; Reimschema: abab / cdcd / effe / ghhg (zwei Kreuzreime, zwei umfassende Reime), zahlreiche Anaphern und Parallelismen verbinden die in spätbarocker Fülle dargebotenen Beispielreihen.

 Gotthold Ephraim Lessing: Entschuldigung wegen unterlassenen Besuchs

So wahr ich lebe, Freund, ich wollte ganze Tage
Und ganze Nächte bei dir sein:
Um mich mit dir die ganzen Tage,
Die ganzen Nächte zu erfreun.
Doch tausend Schritte sinds, die unsre Wohnung trennen;
Und hundert wohl noch oben drein.
Und wollt' ich sie auch gern, die tausend Schritte, rennen,
Und jene hundert oben drein:
So weiß ich doch, daß ich am Ende
Des langen Wegs, dich zwanzigmal nicht fände.
Denn öfters bist du nicht zu Hause,
Und manchmal bist du's nicht für mich:
Wenn nach dem langen Zirkelschmause
Der kleinste Gast dir hinderlich.
Ich wollte, wie gesagt, gern tausend Schritte rennen,
Dich, liebster Freund, dich sehn zu können:
Doch, allzu weiter Freund, dich nicht zu sehn,
Verdreußt michs, Einen nur zu gehn.

Kommentar

  • Zum Autor: Der 1729 in Kamenz geborene Gotthold Ephraim Lessing gehört zu den einflussreichsten Autoren und Theoretikern der Aufklärung. Nach dem abgebrochenen Studium der Theologie und Medizin in Leipzig und Wittenberg lässt er sich in Berlin nieder, wo er Teil eines Freundschaftskreises von Aufklärern um Moses Mendelssohn wird. 1767 geht Lessing für drei Jahre als Dramaturg und Berater an das Hamburger Nationaltheater, ehe er Bibliothekar in Wolfenbüttel wird. 1781 stirbt Lessing in Braunschweig.
  • Zum Text: Die ersten acht, zunächst in Zeitschriften veröffentlichten Oden Lessings erschienen als Sammlung zuerst 1753im ersten Teil der Schriften in Berlin bei Voss.
  • Inhalt: Gotthold Ephraim Lessings Entschuldigung wegen unterlassenen Besuchs ist ein Freundschaftsgedicht und zugleich der Versuch der Rechtfertigung einer unterlassenen Reise. Typisch für Lessing (und die Lyrik der Aufklärung) sind das Spiel mit Hypothese („Ich wollte ganze Tage / Und Nächte bei dir sein“) und die geistreichen Rechenspiele des lyrischen Ichs. Angemahnt wird, dass sich die Reise nur lohne, wenn der entfernte Freund sich auch im Geist wahrer Freundschaft seines Gasts annimmt.
  • Aufbau: Das erste Quartett (Z. 1-4) führt das Thema ein: Das lyrische Ich verspricht, dem Gastgeber nicht von der Seite zu weichen. Die symbolische Distanz der „tausend Schritte“ (Z. 7) sei dazu leicht zu überwinden. Allerdings (Z. 9-14) sei der Gastfreund oft entweder nicht zu Hause, nicht verfügbar oder nicht auf Gesellschaft erpicht. Nun greift das lyrische Ich die Zusagen vom Anfang auf und spricht den Freund erneut an: Größte Mühen nähme es auf sich, um dem Freund zu begegnen – ist er jedoch nicht zu treffen, lohnt sich kein einziger Schritt.
  • Sprechsituation: Im Sinne des Freundschaftsgedichts wird der Freund direkt angesprochen; dabei ist die Entschuldigung zweierlei: Einerseits ein zarter Hinweis, der Freundschaft durch größeres Entgegenkommen Rechnung zu tragen, andererseits ein Ausdruck freundschaftlicher Wertschätzung.
  • Form: Jambische Sechsheber und Vierheber wechseln ab. Reimschema: abab / cdcd / ee / fgfg / hh / jj: Zwei Kreuzreimstrophen, dann fassen zwei Verspaare die dritte Kreuzreimstrophe ein.
  • Besonderes: Typisch für den Gesprächston der Aufklärung ist die lockere Handhabung der Hebungszahl und des Reims; auch identische Reime (sind nach französischem Vorbild) kein Stilfehler. Beteuerungsformeln („So wahr ich lebe“, Z. 1) und direkte Ansprache („Freund“, Z. 1, Z. 12-13) betonen den lebendigen Duktus zwangloser Konversation.

Christian Fürchtegott Gellert: Der gütige Besuch

Ein offner Kopf, ein muntrer Geist,
Kurz, einer von den feinen Leuten,
Die ihr Beruf zu Neuigkeiten
Nie denken, ewig reden heißt;
Die mit Gewalt es haben wollen,
Daß Kluge närrisch werden sollen;
Ein solcher Schwätzer trat herein,
Dem Dichter den Besuch zu geben.
„O!“ rief er, „welch ein traurig Leben!
Wie? schlafen Sie denn nicht bei Ihren Büchern ein?
So sind Sie denn so ganz allein,
Und müssen gar vor Langerweile lesen?
Ich dacht’ es wohl, drum kam ich so geschwind.“
„Ich bin“, sprach der Poet, „noch nie allein gewesen
Als seit der Zeit, da Sie zugegen sind“

Kommentar

  • Zum Autor: Der 1715 in Hainichen geborene Dichter und Moralphilosoph Christian Fürchtegott Gellert gehörte zu seinen Lebzeiten als meistgelesener Dichter der Aufklärung. Der aus bescheidenen Verhältnissen kommende Gellert einem unterbrochenen Studium der Philosophie und Theologie in Leipzig promoviert 1744 über die Theorie und Geschichte der Fabel. Nach Kuraufenthalten und Ausflügen nach Berlin, Karlsbad und Dresden stirbt der gesundheitlich angeschlagene Autor 1769 in Leipzig.
  • Zum Text: Gellerts Fabeln erschienen zuerst in Leipzig bei Wendler (1746, 1748, 1754). Viele Fabeln waren zuvor schon in Zeitschriften erschienen.
  • Inhalt: Die Besuchskultur des 18. Jahrhunderts, eingebettet in ein bürgerliches Zeremoniell der Artigkeit, fordert gerade vom Gast Geduld und Rücksichtnahme, gerade, wenn der Gast Männer und Frauen des Geists aufsucht. Gellert liefert in einer kurzen Fabel die ironische Karikatur eines Besuchers, der diese Konvention verletzt.
  • Aufbau: Nach einer kurzen Charakterisierung des geschwätzigen Besuchers (Z. 1-6) eröffnet der Sprecher den fabeltypischen Wechsel von Rede (Z. 9-13) und Gegenrede (Z. 14-15). Wendepunkt der Handlung ist die schlagfertige Erwiderung des Dichters. Sie unterstreicht die Finalstruktur des auf die Pointe ausgerichteten Texts.
  • Sprechsituation: Der typischen Konversationston der Aufklärung bezieht den Leser mit ein und macht ihn zum Beobachter der Szene, die der Sprecher entwirft. Er belauscht den Dialog des „Poet[en“ (Z. 14) mit dem „Schwätzer“ (Z. 7), wobei er zum verständnisvollen Parteigänger des Dichters wird.
  • Form: Der Text besteht aus vier- und fünfhebigen Jamben, die streng alternieren; nur am Versrand kommt es bei weiblichen Kadenzen zur Doppelsenkung. Das Reimschema verbindet umfassenden Reim, Paarreim und Kreureim: abba / cc / deedd / efef.
  • Besonderes: Der Text ist ein bitterböses Zerrbild des ebenso geistlosen wie weltläufigen Schwätzers, dessen belangloser Gegenwart der Tiefsinn des belesenen Dichters gegenübersteht. Er greift den Topos auf, dass der Gebildete an sich selbst immer genug hat und keiner Gesellschaft bedarf – erst recht nicht solcher!

Johann Peter Uz: Der Schäfer

Arkadien! sey mir gegrüsst!
Du Land beglückter Hirten,
Wo unter unentweihten Myrthen
Ein zärtlich Herz allein noch rühmlich ist!
 
Ich will mit sanftem Hirtenstab
Hier meine Schafe weiden.
Hier, Liebe! schenke mir die Freuden,
Die mir die Stadt, die stolze Stadt nicht gab.
 
Wie schäfermässig, wie getreu
Will ich Climenen lieben,
Bis meinen ehrfurchtvollen Trieben
Ihr Mund erlaubt, daß ich ihr Schäfer sey!
 
Welch süssem Traume geb ich Raum,
Der mich zum Schäfer machet!
Die traurige Vernunft erwachet:
Das Herz träumt fort und liebet seinen Traum.

Kommentar

  • Zum Autor: Der 1720 in Ansbach (Franken) geborene Johann Peter Uz studiert in Halle (Saale) Jura, wo er auf Götz und Gleim trifft. Ein Dichterkreis entsteht, der das im Rokoko vorgeprägte Modell der adeligen Schäferdichtung in die bürgerliche Sphäre überträgt. Auch der Anakreontik sind die Hallenser verpflichtet. Ohne die Zustimmung seines Freundes Uz veröffentlicht Götz 1746 die „Oden Anakreons in reimlosen Versen“. Uz kehrt 1743 nach Ansbach zurück. Werke späterer Zeit sind „Theodicee“ von 1755 und das 1760 erschienene vierteilige Lehrgedicht „Versuch über die Kunst stets fröhlich zu seyn“. 1796 stirbt Uz in Ansbach.
  • Zum Text: Der Text stammt aus der von Jacob Christoph Posch in Ansbach gedruckten Sammlung Lyrische und andere Gedichte. Neue und um die Hälfte vermehrte Auflage von 1755.
  • Inhalt: Der Text ist ein typisches Beispiel einer Traumreise ins mythisch verklärte Arkadien, das Land der Pans und der genügsamen Hirten; das auf der Peloponnes liegende Arkadien ist bereits in der Antike ein Gegenentwurf zur Polis, zur Stadt. Climene ist ein üblicher Stellvertretername der Empfindsamkeit, vermutlich nach der Begleiterin Aphrodites. Die Schäferdichtung der Empfindsamkeit schließt an Longos (Daphnis und Chloe) und die Idyllen Theokrits an.
  • Aufbau: Der Text beginnt mit einer Lobpreisung Arkadiens, des idyllischen Landes der Pastoraldichtung und der Liebe (Z. 1-4). Das lyrische Ich, des Stadtlebens überdrüssig, zieht das Landleben Arkadiens vor (Z. 5-8). Dort nämlich will er „Climenen“ als Schäfer umwerben Allerdings erwacht das lyrische Ich zuletzt – Arkadien ist lediglich ein Traum, der jedoch in der Liebe fortlebt (Z. 9-12).
  • Sprechsituation: Nach der Ansprache des personifizierten Arkadiens in der ersten Strophe wird in der zweiten Strophe die Liebe apostrophiert. Im Grunde dienen die Personifikationen aber dazu, das Traumhafte des Erlebens zu betonen.
  • Form: Das Lied umfasst vier Quartette, die ein umfassender Reim (abba /cddc /effe /hggh) gegeneinander abgrenzt. Der vierhebige Jambus des ersten Verses wird im dritten wiederaufgenommen; der zweite Vers ist dreihebig, der jeweils letzte fünfhebig. Das eingefasste Verspaar hat eine klingende Kadenz, die umfassenden Verse eine stumpfe. Eine Wirkungspause nach dem vorletzten Vers leitet die Pointe ein.
  • Besonderes: Die Myrte (Z. 3) ist der Aphrodite geweiht und zudem ein altes Symbol der Liebe und Ehe.

Friedrich von Matthisson: Die Alpenhirten (1791, Erstdruck: Zürich 1802)

Unten im Rauch’ und Gerassel der Städte, wie dünkte des Hirten
Patriarchalischer Stand oft so beneidenswerth mir!
Und ich erklimmte die Berge den Glücklichen selber zu grüßen,
Doch da zerflossen wie Dunst plötzlich die Bilder des Wahns.
Wißt! auf den Triften der Alpen, treibt heerdengesegnet ein Völkchen
Wünschend und fürchtend wie wir, nimmer befriedigt sein Werk.
Du, der Genügsamkeit Blume! wo diesseits der Lethe dich finden?
Ach! nur im Lande der Fee’n, unter dem singenden Baum.

Kommentar

  • Zum Autor: Friedrich von Matthisson, 1761 in Hohendodeleben bei Magdeburg geboren, studierte in Halle Philologie und Theologie, ehe er 1781 Lehrer am Dessauer Philanthropin wird. In den folgenden Jahren ist Matthisson Reisebegleiter und Fürstenerzieher, ehe ihn Friedrich I. von Württemberg als Theaterintendant und Oberbibliothekar nach Stuttgart beruft. Matthisson lernt schon früh Friedrich Gottlieb Klopstock, Johann Heinrich Voß und Matthias Claudius kennen, in Tübingen trifft er zudem auf Hölderlin. 1831 stirbt er in Wörlitz bei Dessau.
  • Zum Text: Die Alpenhirten ist 1791 entstanden, erstmals gedruckt wurde es 1802 in Zürich.
  • Inhalt: Matthisson stellt sich mit seinem Text in eine lange Traditionsreihe bukolischer Alpendichtung, die von Hallers schwärmerischem Lehrgedicht Die Alpen ausgeht und sich mit der Pastoraldichtung des Rokoko verbindet.
  • Aufbau: Der Text ist dreiteilig. Der erste Abschnitt (Z. 1-2) bietet eine Einführung: Aus dem Gewühl der Städte heraus erscheint das Almleben gradezu idyllisch. Das lyrische Ich bereist die Alpen, muss aber erkennen, dass auch das Hirtenleben keine Zufriedenheit kennt (Z. 3-6). Das letzte Distichon (Z. 7-8) verweist darauf, dass Genügsamkeit nirgendwo außerhalb der Phantasie existiert.
  • Sprechsituation: Das lyrische Ich wendet sich zunächst an die fiktive Leserschaft („Wißt“, Z. 5). Rhetorisch spricht es zudem das Ziel des Verlangens an, die personifizierte „Blume“ der Genügsamkeit (Z. 7).
  • Form: Es handelt sich um ein Gedicht in elegischen Distichen (Hexameter und Pentameter). Es greift im resignativen Ton die Elegie auf, die Pointiertheit und Kürze verweisen auf das Epigramm. Abgesehen von der Verwendung gräzisierender Partizipien („heerdengesegnet“, Z. 5) erinnert auch die Erwähnung des Jenseitsflusses Lethe an das Vorbild der Griechen.
  • Besonderes: Der Begriff „patriarchalisch“ bezieht sich auf die Schlichtheit der biblischen Erzväter, nicht auf die Vaterherrschaft.

Friedrich von Hagedorn: Der Traum

Ich schlief in einem Garten,
Den Ros’ und Myrthe zierten,
In dem drei holde Schönen
Den halbentblößten Busen
Mit frischen Blumen krönten,
Die jede singend pflückte.
Bald gaukelten die Spiele
Des Stifters leichter Träume
Mir um die Augenlider,
Und mich versetzten Morpheus
Und Phantasus, sein Bruder,
Ans Ufer von Cythere.
Der bunte Frühling färbte
Die Blumen dieser Insel;
Der leichte Zephyr küßte
Die Pflanzen dieser Insel;
Und sein Gefolge wiegte
Die Wipfel dieser Insel.
Wie manches Feld von Rosen,
Wie mancher Busch von Myrthen
War hier der Venus heilig!
Der Göttin sanfter Freuden,
Der Freuden voller Liebe,
Der Liebe voller Jugend.
Ich sah die Huldgöttinnen,
Geführt vom West und Frühling,
Gefolgt von Zärtlichkeiten,
Mit Rosen sich umkränzen,
Sich Mund und Hände reichen
Und ohne Gürtel tanzen
Und bei den Tänzen lachen.
Hier fand ich auch den Amor,
Der seine Flügel sonnte,
Die ihm vom Thau befeuchtet
Und so betröpfelt waren,
Als da er seinen Dichter
Anacreon besuchte.
Er wollte von mir wissen,
Wer von den holden Dreien
Bei mir den Vorzug hätte,
Als mich von jenen Schönen,
Die sich die Blumen pflückten,
Die Schönste lächelnd weckte.
 

 

Kommentar

  • Zum Autor: Der 1708 in Hamburg geborene Friedrich von Hagedorn war der Sohn des dänischen Regierungsrats Hans von Hagedorn. Ein Studium der Rechtswissenschaften führt Hagedorn an die Universität Jena, 1729 -1731 reist er als Privatsekretär des dänischen Gesandten Henrik Frederik von Söhlenthal nach London. Hagedorns bescheidene Vermögensverhältnisse, auch als Hauslehrer, verbessern sich mit der Anstellung am englischen Handelshof in Hamburg. Hagedorn korrespondiert mit Klopstock, Gleim und Lessing, den er auch trifft. Der Anakreontiker, der auch Versfabeln verfasst, stirbt 1754 in Hamburg.
  • Zum Text: Einzelne Oden und Lieder Hagedorns wurden erstmals gedruckt in den Gedichtbänden von 1742 und 1744. Der vorliegende Text entstammt dem Erstdruck von Oden und Lieder in fünf Büchern, Hamburg (Bohn) 1747. Auch die bereits in Jugendjahren entstandenen Oden und Lieder wurden erstmals 1747 hier gedruckt.
  • Inhalt: Der idyllische Liebesgarten mit den drei Schönheiten, bestanden mit Myrten und Rosen, wird im Traum zur Liebesinsel Cythera, die wir heute vor allem aus der malerischen Aneignung durch Watteau kennen. Die Wirklichkeit spiegelt sich im Traum, den die Traumgötter Morpheus und Phantasus (Z. 10 -11) erzeugen. Cythera wird vom Träumenden als konventionelle Allegorie der Liebe geschaut: Es herrscht ewiger Frühling, der Zephyr durchweht üppige Vegetation, Venus, die Charitinnen und Amor zeigen sich. Ein intertextuelles Verweisspiel bringt Anakreon auf die Bühne, der (ganz wie Paris in der Troja-Sage) eine Schönheitswahl vornehmen soll. Vom Traum gelangt der Text erst im letzten Vers wieder in die Realität zurück.
  • Aufbau: Der erste Abschnitt (Z. 1-6) widmet sich der Beschreibung eines idyllischen Gartens, in dem das lyrische Ich schläft. Im zweiten Abschnitt (Z. 7-12) schildert die erträumte Ankunft an der Insel Cythera nach dem Einschlafen. Der Beginn des Traums ist zugleich der Wendepunkt des Gedichts. Nun (Z. 13-18) wird die Insel beschrieben. Der folgende Abschnitt (Z. 19-24) wendet sich Venus zu, die auf der Insel verehrt wird. In ihr Gefolge gehört der nun (Z. 25-31) beschriebene Tanz der „Huldgöttinnen“. Der sechste Abschnitt (Z. 32-37) unternimmt die Beschreibung Amors, ehe mit dem Aufwachen im siebten Abschnitt (Z. 38-43) der Traum im Garten endet.
  • Sprechsituation: Das lyrische Ich bezieht sein Publikum in eine Traumerzählung ein, die den Traum im Rahmen der Gartenszene wahrnehmen.
  • Form: Der monostrophische Text besteht durchweg aus dreihebigen Jamben mit klingender Kadenz. Der an einen Blankvers erinnernde ungereimte Dreiheber betont – vor allem in der Beugung des Satzakzents – einen behutsam rhythmisierten Erzählton.
  • Besonderes: Hagedorns Lied erinnert stark an die Bildtradition der „Fêtes galantes“, wie sie Jean-Antoine Watteau in drei Bildern geprägt hat. Bekannt ist besonders das 1718 geschaffene Bild Embarquement pour Cythère in Schloss Charlottenburg.

Reiselyrik des Sturm und Drang

Johann Gottfried Herder: Columbus

Ha, Schöpfer Colon! Ha, wie hast Du uns die Welt
Mit Land und Volk und Silbergeld 
Und Schmuck und Zier und Wissenschaft
Ums Viertheil uns vermehret!
 
Ach, Mörder Colon! ach, wie hast Du uns die Welt
Und Alles, was sie Schönes hält,
Reiz, Sitte, Leben, Jugendkraft,
Mit Deinem Gift verheeret!

Kommentar

  • Zum Autor: Johann Gottfried Herder stammt aus Mohrungen in Ostpreußen. Als Kopist des örtlichen Diakons bildet er sich autodidaktisch fort und geht schließlich als Student der Theologie nach Königsberg, wo er unter anderem Kant hört. Ab 1766 tritt er als Literaturkritiker auf (Kritische Wälder, 1769). Auf Reisen nach Paris und durch angrenzende Länder, auch als Begleiter des Erbprinzen von Eutin, lernt er neben Claudius und Lessing auch Goethe kennen. In den Siebzigern erscheinen überwiegend kulturphilosophische Arbeiten (Abhandlung über den Ursprung der Sprache, 1771; Von deutscher Art und Kunst, 1772), dazu Arbeiten über Ossian und Shakespeare. 1777 wird Herder Stadtprediger in Weimar, 1778 erscheint Herders Volksliedsammlung, die 1807 unter dem Titel Stimmen der Völker in Liedern erneut erscheint. 1788 bereist Herder Rom. 1798 wird Herder Vizepräsident des Oberkonsistoriums für das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, es folgen weitere philosophische Schriften. Herders Beiträge erscheinen in Schillers Horen und in dessen Musenalmanach, ehe er mit der Adrastea eine eigene Zeitschrift publiziert. 1803 stirbt Herder in Weimar.
  • Zum Text: Das Entstehungsjahr des Texts ist nicht überliefert; wahrscheinlich ist, dass es im Kontext von Herders Auseinandersetzung mit der Eroberung Mexikos (1776-1803) entstanden ist; in diesem Zeitraum entsteht auch Herders Gedicht über Magellan. Die vorliegende Fassung entstammt der Berliner Ausgabe von Herders Gesamtwerk (1879).
  • Inhalt: Die Entdeckung des amerikanischen Doppelkontinents durch Christopher Columbus (1492) verschiebt das Mächteverhältnis in Europa, lässt zahlreiche Güter der Neuen Welt nach Europa gelangen, zerstört aber auch die Kulturen des heutigen Lateinamerikas. Herders Auseinandersetzung mit Columbus spiegelt diese Tatsache. Das „Gift“, das er in der zweiten Strophe erwähnt, ist der verderbliche Einfluss der europäischen Zivilisation auf die „edlen Wilden“.
  • Aufbau: Der Text befasst sich in zwei parallel gebauten Strophen mit Columbus und der Entdeckung Amerikas. Die erste Strophe (Z. 1-4) bietet eine Huldigung an Columbus und hebt die Bedeutung seiner Entdeckungsfahrt für die Alte Welt hervor. In der zweiten Strophe (Z. 5-8) beklagt der Sprecher die fatalen Konsequenzen dieser Entdeckung. Jede Strophe wird mit einer Ansprache des Seefahrers eröffnet, die ihn als „Schöpfer“ (Z. 1) oder als „Mörder“ (Z. 5) kennzeichnet. Es folgt eine akkumulierende Beschreibung der Folgen der Entdeckung für die bekannte Welt, ehe das Verb im Schlussvers Lobpreis oder Kritik zuspitzt.
  • Sprechsituation: Denkbar ist die Aufteilung des Gedichts in zwei Sprechrollen. Das lyrische Ich der ersten Strophe ist im „Wir“ der Eroberer und Profiteure enthalten. Es wendet sich, ganz wie das lyrische Ich der zweiten Strophe, direkt an Columbus selbst: Um ihn zu preisen (1. Strophe) und um ihn anzuklagen (2. Strophe).
  • Form: Die beiden Quartette im Schema aabc werden von einem Paarreim zum Reimwort „Welt“ eröffnet (aa); durch die Folgereime (bc) werden die Strophen verschränkt. Metrisch schwierig ist der erste Vers durch einen in den jambischen Sechsheber eingestreuten Anapäst (Schö-pfer Co-lón), geht man davon aus, dass die Pause nach der Anrede eine Senkung ersetzt. Es folgen jeweils zwei jambische Vierheber und ein abschließender Dreiheber, allesamt mit stumpfer Kadenz.

Zum Vergleich: Friedrich Schiller: Kolumbus (1795)

Steure, mutiger Segler! Es mag der Witz dich verhöhnen,
Und der Schiffer am Steur senken die lässige Hand.
Immer, immer nach West! Dort muß die Küste sich zeigen,
Liegt sie doch deutlich und liegt schimmernd vor deinem Verstand.
Traue dem leitenden Gott und folge dem schweigenden Weltmeer,
Wär sie noch nicht, sie stieg‘ jetzt aus den Fluten empor.
Mit dem Genius steht die Natur in ewigem Bunde,
Was der eine verspricht, leistet die andre gewiß

Vergleich

Es gibt zahlreiche Columbus-Gedichte, etwa von Nietzsche oder Georg Heym. Besonders Schillers Epigramm Kolumbus (s. o.) zeigt deutlich, wie der Genueser und seine Entdeckung in der Klassik wahrgenommen werden. Aus der antipatriarchalischen Kritik an der Zerstörung naturnaher Sittlichkeit ist ein Beherrschen der Natur geworden; dabei steht die Natur im Einklang mit dem Genie, das sie unterwirft und dem sie sich fügt. Die Perspektive beider Gedichte unterscheidet sich: Herder blickt auf die Entdeckung zurück, Schiller blickt der Ankunft entgegen. Bei Herder stehen die Folgen im Vordergrund, bei Schiller das Genie des Entdeckers. Herder stellt Columbus dem „Wir“ des Publikums gegenüber, Schiller lädt den Leser dazu ein, den Blick des Columbus zu teilen. Auch metrisch unterscheiden sich die Texte: Den tänzelnden Jamben Herders steht das beruhigte Distichon Schillers gegenüber.

Friedrich Leopold von Stolberg: Lied auf dem Wasser zu singen, für meine Agnes. Juli 1782

Mitten im Schimmer der spiegelnden Wellen
Gleitet wie Schwäne der wankende Kahn;
Ach, auf der Freude sanftschimmernden Wellen
Gleitet die Seele dahin wie der Kahn;
Denn von dem Himmel herab auf die Wellen
Tanzet das Abendrot rund um den Kahn.
 
Über den Wipfeln des westlichen Haines
Winket uns freundlich der rötliche Schein;
Unter den Zweigen des östlichen Haines
Säuselt der Kalmus im rötlichen Schein;
Freude des Himmels und Ruhe des Haines
Atmet die Seel' im errötenden Schein.
 
Ach es entschwindet mit tauigem Flügel
Mir auf den wiegenden Wellen die Zeit.
Morgen entschwinde mit schimmerndem Flügel
Wieder wie gestern uns heute die Zeit,
Bis ich auf höherem strahlenden Flügel
Selber entschwinde der wechselnden Zeit.
 

Kommentar

  • Zum Autor: Graf Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg kam im damals dänischen Bramstedt (Holstein) zur Welt und wuchs in Hirschholm und Rungstedt bei Kopenhagen auf, erzogen von Klopstock. Während des Studiums der Rechtswissenschaften in Halle, später in Göttingen, wurde Stolberg gemeinsam mit seinem Bruder Christian in den Hainbund aufgenommen, wo er auf Voß, Hölty und Boie trifft. 1775 unternahm er mit Goethe eine Bildungsreise in die Schweiz, eine Stelle am Weimarer Hof schlägt er aus. Nach einigen Jahren als Gesandter des Fürstbischofs Friedrich August in Kopenhagen wird Stolberg Landvogt im oldenburgischen Neuenburg, ehe zunächst dänischer Gesandter in Berlin und schließlich Präsident der fürstbischöflichen Kollegien in Eutin wird. Ab Juni 1791 bereist er mit seiner Frau, seinem ältesten Sohn sowie Hofmeister Georg Heinrich Ludwig Nicolovius die Schweiz, Italien und Sizilien. 1800, nach der Übersiedlung ins Münsterland, werden die Stolbergs katholisch, was bei den ehemaligen Weggefährten (insbesondere bei Voß) Befremden auslöst. 1819 verstirbt Stolberg auf Gut Sondermühlen bei Osnabrück.
  • Zum Text: Der Text entstand in Stolbergs Zeit in Eutin, 1782. Gedruckt wurde er 1783 im Hamburger Musenalmanach, gegründet von Stolbergs Göttinger Weggefährten Johann Heinrich Voß, später betreut von dem Hamburger Verleger Carl Ernst Bohn.
  • Inhalt: Stolbergs Lied gibt sich durch die Gleichförmigkeit des Strophenbaus auch formal als „Lied auf dem Wasser zu singen“ zu erkennen. Adressatin ist Stolbergs Braut Agnes von Witzleben, die er in Eutin heiratet. Im Abendlicht verschwimmen die Grenzen von Ich und Natur, die pantheistisch belebt und lautmalerisch reich ist: der Kalmus „[s]äuselt“ (Z. 10), der Abendsonnenschein „[w]inket“ (Z. 8). In friedlicher Abendstimmung vergeht im ruhig sich wiegenden Boot die Zeit und das Gefühl der Zeit, das im Verlangen nach Ewigkeit gesteigert wird (Z. 14-18).
  • Aufbau: Stolbergs Lied besteht aus drei Sextetten, die eine abendliche Kahnfahrt schildern. Die erste Stophe (Z. 1-6) entwirft zunächst das Bild des im Abendrot dahinfahrenden Kahns. In der zweiten Strophe (Z. 7-12) schweift der Blick zum Ufer, zunächst zum westlichen, dann zum östlichen. Die letzte Strophe (Z. 13-18) bespricht das Motiv der schwindenden Zeit und endet mit der vorweggenommenen Entrückung des lyrischen Ichs.
  • Sprechsituation: Das lyrische Ich beschreibt zunächst die abendliche Kahnfahrt, ohne sich zu offenbaren; erst in der zweiten Strophe (Z. 8) wird ein „Wir“ erkennbar. Im letzten Sextett konzentriert sich das lyrische Ich auf sich selbst.
  • Form: Jedes der drei Sextette reimt überkreuz mit identischen Reimen. Das Versmaß ist ein ruhig dahingleitender vierhebiger Daktylus, im letzten Fuß verkürzt, der das Schwappen der Wellen und das Dümpeln des Kahns imitiert. In allen Strophen alternieren klingende und stumpfe Kadenzen. Je zwei Verse bilden eine syntaktische Einheit, die ein Zeilensprung betont; damit ergibt sich – in Übereinstimmung mit dem Reim – eine gleichmäßige Dreigliederung jeder Strophe.
  • Besonderes: Das Motiv der Kahnfahrt in Gesellschaft ist seit der Empfindsamkeit üblich und vertraut. Man denke an Klopstocks Ode An den Zürchersee. Bootspartien wie diese gehören untrennbar zum Gefühls-, Natur- und Freundschaftskult der Stürmer und Dränger. In freier Natur, auf dem Wasser, erfährt der dichterisch empfindende Mensch Weite, Harmonie, Freiheit und Ewigkeit.

Johann Wolfgang Goethe: Rastlose Liebe

Dem Schnee, dem Regen,
Dem Wind entgegen,
Im Dampf der Klüfte, 
Durch Nebeldüfte,
Immer zu! Immer zu!
Ohne Rast und Ruh!
 
Lieber durch Leiden
Möcht ich mich schlagen,
Als so viel Freuden
Des Lebens ertragen.
Alle das Neigen
Von Herzen zu Herzen,
Ach, wie so eigen
Schaffet das Schmerzen!
 
Wie soll ich fliehen?
Wälderwärts ziehen?
Alles vergebens!
Krone des Lebens,
Glück ohne Ruh,
Liebe, bist du!

Kommentar

  • Zum Autor: Johann Wolfgang Goethe kam 1749 im heutigen Goethe-Haus am Frankfurter Großen Hirschgraben geboren, wo er in großbürgerlichen Verhältnissen aufwuchs. In Leipzig studierte er Jura, hörte aber auch Gellerts Poetikvorlesungen und nahm bei Adam Friedrich Oeser Zeichenunterricht. Erste Gedichte werden 1769 unter dem Titel Neue Lieder Von pietistischen Vorstellungen wendet er sich während des Studiums in Straßburg ab; eingeschrieben für Jura, begegnet er Herder, Jung-Stilling und Jakob Michael Reinhold Lenz. Für die Pfarrerstochter Friederike Brion schreibt er die Sesenheimer Lieder, darunter Willkommen und Abschied. Goethe wird schließlich Praktikant beim Reichskammergericht in Wetzlar; die unglücklichen Liebe zu Charlotte Buff wird in Die Leiden des jungen Werthers (1774) verarbeitet. In den anschließenden Frankfurter Jahren entstehen die bekannten Hymnen. 1775 wird die Verlobung mit Lili Schönemann gelöst, Herzog Carl August lädt ihn jedoch zu einer Reise nach Weimar ein – Goethe bleibt und wird 1776 Geheimer Legationsrat.
  • Zum Text: Entstanden ist der Text 1776, vermutlich während eines Schneesturms im Thüringer Wald, der Erstdruck erschien in der von G. J. Göschen in Leipzig verlegten Ausgabe von Goethes Schriften.
  • Inhalt: Der Text schildert nicht nur eine rasche Bewegung zur unentrinnbaren Liebe, die atemlosen Verse in druckvoll alternierendem Metrum machen diese Bewegung erlebbar. Auch der Rückzug in die die Einsamkeit des Waldes ist „vergebens“: das ruhelose Glück der Liebe ist die metaphorische „Krone des Lebens“.
  • Aufbau: Goethes Lied umfasst drei Strophen zu sechs, acht und wieder sechs Versen. Die erste Strophe (Z. 1-6) schildert eine rastlose Bewegung durch atmosphärische Zustände und Wetter. Die zweite Strophe (Z. 7-12) verlegt die Bewegung ins Seelische: Mäßiges Leiden ist erträglicher als übermäßiges Glück. Die dritte Strophe verrät das Ziel der Bewegung: Keine Flucht ist möglich vor dem „Glück ohne Ruh“ (Z. 17), der Liebe.
  • Sprechsituation: Das lyrische Ich, das sich in der zweiten Strophe zu erkennen gibt, wendet sich in gedrängtem Sprechen an die Liebe selbst.
  • Form: Die erste der drei Strophen ist in drei Reimpaare gegliedert; die zweite Strophe teilt ein Kreuzreim in zwei Versgruppen. Das abschließende Sextett greift das Muster der ersten Strophe auf und wiederholt im Abschlusspaar den Reimklang des ersten Sextetts. Auch metrisch fällt die Mittelstrophe auf: Sie besteht aus daktylischen Zweihebern, verkürzt zu klingender Kadenz, während die beiden Sextette jambische Zweiheber und im abschließenden Reimpaar Trochäen bieten. Häufig sind die betonten Silben durch Alliteration und Assonanz verbunden. Das abschließende Verspaar beider Sextette hat eine stumpfe Kadenz. Selbst im Satzbau fällt die Achterstrophe heraus: Sie besteht aus zwei Sätzen, die mit dem Reimschema übereinstimmen; Enjambements zum zweiten und vierten Vers erhöhen den Lesefluss.
  • Besonderes: Auffallend ist die Geschwindigkeit, mit der sich der Text entwickelt. Dazu tragen neben dem durchgehend zweihebigen Vers die bis zur Ellipse fragmentierten Sätze bei. Der drängende Rhythmus des Texts überträgt sich in die bekannte Vertonung des Lieds durch Franz Schubert.