Ernst Huber: Historienstücke für Winnenden

Biographie

Abb.: Josef Huber und Familie, Privatbesitz U. Bodamer

Ernst Huber kommt am 10.5.1886 in Möhringen zur Welt (Grundbuch 1927, R.W.). Am 15.11.1911 wird Huber Taubstummenlehrer an der Paulinenpflege und bezieht – wie seinerzeit üblich – eine Wohnung in der Paulinenpflege. Ab 1922 ist er Vorstandsmitglied. 1923 wurde die Abteilung für Schulkinder aufgelöst und Huber gelangte nach Bönnigheim, wo er den Kirchenchor leitet und 1925 Oberlehrer wird. In Bönnigheim verfasst Huber die Studie Die reine Lautsprachmethode im Licht der kindlichen Sprachentwicklung, ehe er 1931 Direktor wird. 1933 stirbt Huber.

Helfer Heim

Hubers erstes Stück für Winnenden ist ein Jubiläumsstück zum hundertjährigen Jahresfest der Paulinenpflege. Sowohl bei der Uraufführung 1923 als auch bei der Neuaufführung 1948 ist das Stück äußerst erfolgreich. Es spielt im Jahr 1823 und schildert die Umstände, die Friedrich Jakob Heim zur Gründung der Paulinenpflege bewogen haben. Dabei greift er offenbar auch auf zeitgenössische Dokumente zurück. Ziel des Stücks ist es, Heim als historische Figur und sozialen Wohltäter lebendig zu machen, weniger, ihn zu glorifizieren. Dabei verzichtet Huber durchaus nicht auf Kritik am Geiz der Wohlhabenden, was insbesondere in der ersten Szene deutlich wird. 

Helfer Heim empfängt Besuch vom Großbauern Reichhofer – dieser schäumt vor Wut, weil ihm Mattheis Kober, ein arme Knabe, Äpfel gestohlen habe. Heim versucht, den aufgebrachten Bauern zu beruhigen, als Büttel Mutz ihm eine ähnliche Klage überbringt. Auch Schuhmacher Glock hat etwas Vergleichbares beobachtet. Es ist offenkundig: Die Kinder der Armen brauchen Fürsorge. Daraufhin lädt Heim einen Kreis beflissener Honoratioren zum Gespräch.

Der zweite Teil spielt in der ärmlichen Stube der Koberin. Bauer Reichhofer macht ihr Vorhaltungen, ihr Sohn Mattheis habe sein „Hannesle“ in die Güllegrube gestoßen. Erst der hinzutretende Heim kann die Vorwürfe als unbegründet zurückweisen. Er versichert der Mutter, er werde sich der Armenfrage annehmen. Das hat auch die Bacherin, eine ebenfalls verarmte Nachbarin, bereits gehört. Sie beurteilt Heims Plan jedoch ganz anders und rät davon ab. Davon lässt sich die Koberin jedoch nicht beeinflussen. Sie wäre bereit, ihre Kinder in ein Rettungshaus zu geben.

Ein Jahr später kommt bei Heim der Privatverein erneut zusammen: Stiftungspfleger Müller, Schuhmacher Glock, Schulmeister Palmer und Konditor Dieterich. Ihnen ist klar geworden: Die Pflegefamilien sind überfordert – ein Rettungshaus muss her! Es soll im leerstehenden Armenarbeitshaus eingerichtet werden, als Lehrer soll Schulmeister Schmid gewonnen werden. Auch die Taubstummen möchte man nicht vergessen.

Der vierte Teil spielt bereits im Rettungshaus. Milde Gaben werden verzeichnet. Eine wertvolle Gabe bringt die Krämerin Dilger: Materialien zum Spinnen und Stricken. Weitere Winnender kommen herbei: Ein Gerberlehrling bringt eine Haut, die Rickenbas ihre Wärmeflasche, Lieschen ihre Puppe, der Metzgersgeselle Kutteln, selbst eine Blinde und der Bürgermeister wollen helfen. Schließlich erscheinen auch noch der Königliche Hofkammerdirektor von Kohlhaas und Oberregierungsrat Hartmann. Sie überreichen ein Schreiben des Königs, das der Anstalt den Namen „Paulinenpflege“ verleiht. Es folgt eine größere Summe aus Stuttgart: Die Finanzierung der Paulinenpflege ist gesichert.

Abb.: Ensemble der Uraufführung von Hubers Helfer Heim (1923). Marie Müller (3. V. l.) als Rickenbas, dahinter Rosa Gaugel, Privatbesitz U. Bodamer

Abb.: Ensemble der Uraufführung von Hubers Helfer Heim (1948), Privatbesitz U. Bodamer

Aufführungsgeschichte des „Helfer Heim“

Die Erstaufführung des „Helfer Heim“ im 1914 erbauten Festsaal der Heilanstalt fand am 25.8.1923 im Rahmen einer häuslichen Feier vor Lehrern und Angestellten der Paulinenpflege statt. Ansprachen von Inspektor Bäßler und Hausvater Dürr leiteten die Veranstaltung ein. Bereits am folgenden Tag wurde das Stück erneut aufgeführt, diesmal in Gegenwart Dr. von Hiebers und Vertretern der Oberschulbehörde. Diesmal hält auch Oberlehrer Gotthold Börner eine kurze Ansprache, es werden Angebinde von einigen Millionen überreicht. Die Aufführung wird ein großer Erfolg, jedoch ist das waschkörbeweise gesammelte Geld bereits wenige Tage später wegen der galoppierenden Inflation kaum mehr etwas wert (Dürr 1923, Tagebuch).

Eine zweite Aufführung des Stücks wurde 1948 auf die Bühne gebracht. Der Enkel des Gründers, der betagte Tübinger Professor Karl Heim, hatte sich die Inszenierung erbeten und sollte auch die Festtagspredigt halten. Krankheitsbedingt konnte er sie nicht halten (JB 1948, S. 3). Mit dem Abschreiben der Rollen und der zehn Monate dauernden Proben wurde der Taubstummenlehrer Karl Seeger beauftragt (ebd.). Die Hauptprobe fand vor der versammelten Anstaltsgemeinde erneut im überfüllten Festsaal statt, in einigen Rollen spielten Mitglieder des Ensembles von 1923. Erneut ist das Stück überaus erfolgreich, viermal wird es insgesamt aufgeführt. Die Hauptaufführung fand am Tag des Todes von Ernst Huber statt und schließt mit dem Choral „So kommet vor sein Angesicht“. Zwei weitere Aufführungen schlossen sich an: Am Montag dürfen Zuhörer und Konfirmanden aus Winnenden dabei sein, am Dienstag wird für die Angestellten der Heilanstalt gespielt. Gedruckt werden kann das Stück nicht, auch weiterhin spielen lässt es sich nicht. Immerhin sagt man den Mitspielenden „bei einer Tasse Kaffee“ verbindlichsten Dank (JB 1948, S. 6).

Die dritte Neuaufführung des Stücks durch das „Freie Theater Winnenden“ fand Mitte Juni 2019 (13.6., 14.6. und 15.6.) unter der Regie von Gudrun Obleser im Theatersaal der „Alten Kelter“ statt. Zum Ensemble gehören unter anderem Felicitas Faßnacht (Helfer Heim), Heidi Halagah (seine Frau), Doris Kunz (Koberin), Erika Kuhn (Bacherin) und Walter Etzel (Reichenhofer). In der Gastrolle des Stadtschultheißen tritt Oberbürgermeister Hartmut Schultheiß auf. Die Kostüme gestaltet Ursula Bodamer, die auch bei der Übertragung des in Sütterlin ausgeführten Originals behilflich ist. Dabei werden einige Rollen doppelt besetzt, während einige Statistenrollen neu geschaffen werden (TH 2019, S. 5).

Der grimmige Kommenthur

„Der grimmige Kommentur“ entsteht 1925, anlässlich der Sechshundertjahrfeier der Zugehörigkeit Winnendens zu Württemberg. Huber bemüht sich in seinem tragischen Fünfakter um historische Genauigkeit und versucht mit volkstümlichen Knittelversen den Geist der Konfessionskriege aufzurufen. Insbesondere die Schlussszene auf dem Schlachtfeld mag sich auch an die Teilnehmer des sieben Jahre zuvor beendeten Weltkriegs gerichtet haben. Jedenfalls ist überdeutlich, dass Huber bestrebt ist, den Parteikämpfen seiner Zeit ein Idealbild der Versöhnung entgegenzustellen. Dennoch ist „Der grimmige Kommenthur“ kein nationalistisches Hetzstück: Huber thematisiert zwar die Besetzung Deutschlands durch ausländische Truppen (Schweden und Spanier), verzichtet aber weitgehend auf nationalistische Invektiven gegen das Ausland. Unter diesem weiteren Horizont ist der „Grimmige Kommenthur“ jedoch auch ein Lokalstück: Hubers Personal spiegelt die auch um 1925 noch maßgeblichen sozialen Gruppen wieder.

Wir schreiben das Jahr 1611: Vor der Wirtschaft zur Ratsstube unterhält sich Bäckerobermeister Kreß mit dem Gerbermeister Kelle über den verstorbenen Komtur von Gleichen und die bevorstehende Ankunft seines Nachfolgers, Bernhard von Schwalbach. Gelobt wird Gleichen für seine besondere Standfestigkeit „[v]or Türkensäbel und vor römisch Geifern“. Der hinzutretende Sattler Scharf deutet an, der neue Komtur sei keineswegs so verträglich wie der alte. Dieser ist mittlerweile angekommen und wird vor dem „Deutschen Haus“ festlich empfangen: Kühl nimmt er die Huldigungen der Stadt entgegen. Unterdessen blick er unverwandt Lotte an, die Tochter des Bürgermeisters. Auf dem Rückweg wird sie überdies vom Stadtschreiber Salmen bedrängt, der ihr den Hof macht.

Im zweiten Teil, der im Jahre 1618 spielt, empfängt Lotte ihren Bruder, den evangelischen Pfarrer Wilhelm. Sie eröffnet ihm, dass sie verliebt sei. Deswegen verteidigt sie von Schwalbach, als der Bürgermeister ihn für seine Verfehlungen anprangert. Den Heiratsantrag des Schreibers weist Lotte mit dem Einverständnis ihres Vaters zurück. Scharf, der nun hinzukommt, beklagt sich bitter, der Komtur habe ihn nachts über eingeschlossen.

Der dritte Teil beginnt mit einem Gebet des fastenden Komturs vor einem Madonnenbild, dem er seine heimliche Liebe zu Lotte bekennt. Die Mahnungen des alten Küchenmeisters Martin, er möge sich mäßigen, weist er zurück.

Es ist mittlerweile Juni geworden. Kelle und Kreß besprechen den gerade aufflackernden Glaubenskrieg, als Scharf hinzukommt und den Komtur in Bausch und Bogen verdammt. Dieser reitet indessen ohne jede Rücksicht die Winnender Reben nieder. Den Weingärtner Georg Weber, der ihm in die Quere kommt, verwundet er schwer. Die Bürgerschaft greift bereits zu den Waffen, um den frevlerischen Komtur festzusetzen, als Johann von Ambringen, der Sendbote des Herzogs, den Befehl zur Schleifung des Ordensschlosses überbringt. Auch Visitierer des Generalkapitels des Deutschen Ordens treffen ein. Schwalbach befindet sich mittlerweile in Haft. Scharf ist in seinem Rachebegehren gehemmt und lässt sich als Soldat anwerben. Im Kreuzverhör gesteht Schwalbach unterdessen seine Liebe zu Lotte. Der treue Küchenmeister sieht seinen Herrn im Prozess unterliegen und zerreißt zum Zeichen des Ordensaustritts sein Gewand. Schwalbach entgeht einer drohenden Strafe, indem er sich dem Heer der katholischen Liga anschließt.

Der fünfte Teil des Stücks beginnt mit einer Kriegsszene unweit von Winnenden: Scharf wacht bei seinem tödlich verwundeten Landsmann Schorsch, dem Sohn des ermordeten Weingärtners Weber. Auch der verwundete Komtur ist anwesend, als der fiebernde Schorsch von der Ermordung seines Vaters phantasiert und im Fieberwahn beschreibt, wie der „steinerne Gleichen“ den Täter würgt – Bernhard von Schwalbach. Dieser erkennt seine schwere Schuld und schließlich versöhnt sich der katholische Adlige mit dem protestantischen Bürger Scharf. Lotte wird herbeigerufen und Bernhard von Schwalbach stirbt mit ihrem Namen auf den Lippen.

Abb.: Ensemble der Aufführung von „Der grimmige Kommentur“ (1925), StA Winnenden

Quellen

  • Helfer Heim (Programmheft), red. Ursula Bodamer, Walter Etzel, Gudrun Obleser. Winnenden: 2019 (= PH)
  • Helfer Heim (Textheft), red. Gudrun Obleser. Winnenden: 2019 (= TH)
  • Grundbuch der evangelischen Volksschulen in Württemberg, 1927, S. 190 (pers. Mitt. R. Wieland, Schriftgutarchiv Ostalb, 29.4.2021)
  • Dürr, Jakob: Tagebuch (Aufzeichnungen zur Geschichte der Paulinenpflege), Privatbesitz U. Bodamer