Dadaistisches Theater

Warum sollte man sich mit dem dadaistischen Theater befassen?

  • Das dadaistische Theater entfaltet an großes Arsenal an Verfremdungstechniken, deren Einsatz man üben kann.
  • Die absurden Dialoge erlauben eine Spielfreude, die vom psychologisierenden Theater oft unterdrückt wird.
  • Dadaistische Texte eignen sich oft sehr gut für sprechtechnische Übungen.

Zur Aufführungspraxis

  • Die Autoren sind in der Regel auch Interpreten ihrer Werke, die bei Matineen und Soireen aufgeführt werden.
  • Mitunter wird das Publikum mit irreführenden Einladungen versammelt – was folgt, sind keine „Theaterstücke“, sondern die Verlesung von Manifesten, Publikumsbeschimpfungen und sogenannte Simultangedichte. Auch mit dem Rücken zum Publikum wird rezitiert. Selbst die Zerstörung der Bühne durch das aufgebrachte Publikum wird eingebracht.
  • Typisch sind extravagante Fantasiekostüme, die Körpersilhouetten auflösen. Geometrische Formen und grelle Formen dominieren.
  • Ziel ist es, das Publikum zu verblüffen und zu provozieren: Es wird dadurch zum Resonanzkörper des Stücks.
  • Die Aufführungen ließen Raum für Improvisation und Fehler.
  • Auch in Realsituationen dringt dadaistisches Theater ein. Bekannt ist eine Aufführung im Berliner Dom im Jahr 1918, als Johannes Baader den Hofprediger Dryander mit den Worten unterbrach: „Einen Augenblick! Ich frage Sie, was ist Ihnen Jesus Christus?“.
  • Die Bühnendekoration verzichtet auf Naturalismus: Elemente werden gekippt, gestapelt oder ihrer Funktion beraubt.
  • Das dadaistische Theater verzichtet auf eine erkennbare Logik in der Komposition.
  • An die Stelle der Sprache tritt oft die Äußerung in Form von Urlauten und Fantasiewörtern.

Zielrichtung des dadaistischen Theaters

  • Zu Anfang ging es den Dadaisten um ein Signal: Die Gründung des Cabaret Voltaire sollte belegen, dass im Wahnsinn des Krieges einige jungen Leute (1916) ihre Unabhängigkeit bewahrt hatten.
  • Dadaistisches Theater wendet sich gegen das traditionelle Theater und die bürgerlichen Sehgewohnheiten.
  • Schauspiel soll nicht mehr Darstellungs- und Verwandlungskunst sein: „Schauspieler ist jeder, der öffentlich auf eine Bühne oder ein Podium tritt, um sich (coram publico) zum Besten zu geben“ (Hugo Ball: Wedekind als Schauspieler, 1914).
  • Gegenbild des dadaistischen Theaters ist das psychologisierende Schauspiel. Vom Schauspieler erwarten die Dadaisten keine Verwandlungskunst, sondern das Vortreten der Persönlichkeit (Hugo Ball: „Das Psychologietheater“, Juni 1914).
  • Dada lehnt leib- und lustfeindliche Tendenzen im Christentum ab.
  • Auch die konventionelle Sprache soll aufgelöst werden. Der wichtigste Grund dafür ist der Missbrauch der Sprache durch den Journalismus, Werbung und die politische Propaganda.

Zentren dadaistischer Bewegungen und ihre Autoren

  • Zürich: Hugo Ball, Emmy Hennings, Hans Arp (1887–1966), Tristan Tzara (1896–1963), Richard Huelsenbeck (1892–1974), Walter Serner (1889-1942).
  • New York: Man Ray, Francis Picabia, Marcel Duchamp.
  • Berlin: Raoul Haussmann (1886–1971), Richard Huelsenbeck (1892–1974), Johannes Baader (1875–1955), George Grosz (1893–1959), John Heartfield (1891–1968), joWalter Mehring (1896–1981), Jefim Golyscheff (1897–1970).
  • Hannover: Kurt Schwitters
  • Köln: Johannes Theodor Baargeld (1892–1927), Max Ernst (1891–1976), Hans Arp (1886–1966).
  • Paris: Tristan Tzara (1896–1963), André Breton (1896-1966).

Chronik

1914

Juni: Hugo Ball verfasst die Aufsätze „Wedekind als Schauspieler“ und „Das Psychologieetheater“.

1916

März: Tzara, Huelsenbeck und Janco tragen im Cabaret Voltaire das erste Simultangedicht vor. --- 14.7.: Der erste Dada-Abend im Cabaret Voltaire in Zürich findet statt: Hugo Ball trägt das erste Lautgedicht vor.

1917

29.3.: In der von Emmy Hennings gegründeten Galerie DADA tritt die Ausdruckstänzerin Sophie Taeuber auf. Getanzt werden in schamanischer Maske Verse von Hugo Ball.

1923

26.7.: Die dadaistische Soirée „Cœur à barbe“ führt zum Bruch zwischen den Pariser Dadaisten und zur Auflösung als Bewegung.

Aktivitäten

  • Lautgedicht (nach Tzara): Einen Text zerschneiden, gut durchschütteln und neu zusammensetzen.
  • Simultangedicht (nach Hugo Ball): Zwei Texte werden simultan vorgetragen.
  • Dada (nach Hans Arpa): Variationen zu „Bevor Dada da war, war Dada da“.
  • Kostümierung: Vier Schüler drapieren vorhandene Kleidungsstücke über einen Akteur, der dadaistische Gedichte rezitiert.
  • Gromolo: Zu einem vorgegebenen Thema improvisieren die Schauspieler eine Szene.

Dadaistische Stücke und Rezitationsstücke

  • Alfred Jarry: Ubu Roi / König Ubu (1896)
  • Hugo Ball: Lautgedicht (1914)
  • Hans Arp, aus: Die Wolkenpumpe (1920)
  • Kurt Schwitters: Dramatische Szene (1922)