Notenverhandlungen führen

Im Grunde sind Notenverhandlungen oft erfolgreich. Auch Lehrer scheuen Konflikte und geben aus reiner Zeitnot oft nach, anstelle die Sache sorgfältig zu prüfen. Je nach Temperament können Lehrer sich auch stur stellen und jegliche Verbesserungswünsche von vornherein abblocken. Die folgenden Überlegungen sollen dazu beitragen, unnötige Konflikte zu vermeiden und faire Verhandlungen zu ermöglichen. Notenverhandlungen sind beiden Seiten oft unangenehm, sowohl Lehrer als auch Schüler haben berechtigte Interessen. Natürlich lassen sich unerfahrene und zaghafte Lehrkräfte manchmal überrumpeln, allzu oft wird man mit dieser Masche aber nicht Erfolg haben. Die Amtsautorität schützt auch nachgiebige Lehrer vor allzu dreisten Schülern.

Zeitpunkt

Notenverhandlungen solltest du dann führen, wenn der Lehrer Zeit hat, deinen Ausführungen zuzuhören. Das kann im Anschluss an die Stunde geschehen, wenn es die Gesamtsituation zulässt und keine weiteren Schüler ihre Korrekturwünsche vortragen. Hilfreich ist es auch, wenn du deine Arbeit noch einmal einreichst, mit einer mündlichen Bitte um Kontrolle und mit einem farbigen Zettel, auf dem du deinen Korrekturwunsch festhältst. Vor der Besprechung solltest du keine Notenverhandlungen führen. Auch dann, wenn die Lehrkraft übermüdet oder gereizt wirkt, solltest du nicht verhandeln.

Schüler-Lehrer-Beziehung

Bei Lehrern, mit denen du dich gut verstehst, hast du verständlicherweise mehr Aussicht auf Erfolg – zumindest solange, bis du deine „guten Beziehungen“ nicht zum Argument machst. Das dürfte deinem Ansehen massiv schaden. Kein Lehrer wird dir bei Notenverhandlungen entgegenkommen, wenn du im Unterricht (und darüber hinaus) durch Unhöflichkeit und mangelnde Selbstdisziplin auffällst. Ein guter Ruf und ein wenig Beziehungspflege sind wichtige Voraussetzungen für erfolgreiche Verhandlungen.

Absichten

Bevor du eine Notenverhandlung beginnst, prüfe zuerst, was dich dazu motiviert. Reines Notenschinden wird in der Regel bemerkt und führt dazu, dass sich der Lehrer bei künftigen Verhandlungen noch unflexibler verhält. Wer zudem durchscheinen lässt, dass er aus niedrigen Motiven verhandelt (Geltungssucht, Prinzipienreiterei), verliert die Verhandlung. Ein lauteres Motiv ist die Herstellung von Gleichheit und Gerechtigkeit. 

Mehrere Kritikpunkte

Wenn du gleich mehrere Korrekturfragen hast, solltest du dem Lehrer unbedingt vor Beginn der Verhandlungen sagen, dass du mehrere Anliegen hast. Überlege dir auch, ob du wirklich jeden Punkt vortragen möchtest – wenn du jeden vergessenen halben Punkt aufzählst, erweckt du leicht den Anschein, dass es dir gar nicht um die Sache geht (sondern ums Punkteschinden). Niemals solltest du dich nach einer abgelehnten Korrektur auf die Suche nach dem nächsten Kritikpunkt machen.

Begründungen

Es ist zwar dein gutes Recht, nach der Begründung für eine Note zu fragen. Ob es sich in jeder Hinsicht empfiehlt, ist eine andere Sache. Keinesfalls sollte man einen Korrekturwunsch mit „Warum haben Sie…?“ einleiten. Wer Druck aufbaut, fordert Widerstand heraus. Wenn man eine Begründung nicht nachvollziehen kann, empfiehlt es sich, einen gesonderten Termin mit der Lehrkraft zu vereinbaren – einen Schüler, der sich aus eigener Einsicht und Kraft verbessern möchte, werden die meisten Lehrkräfte unterstützen.

Mündliche Noten

Rückfragen zu mündlichen Noten sind besonders heikel. Offen gesagt: Mündliche Noten sind oft Eindrucksnoten, die schwer aus dem Stand heraus zu rechtfertigen sind. Weil sie zudem oft Züge einer Verhaltens- oder gar Persönlichkeitsbeurteilung tragen, muss sich die Lehrkraft im Wortlaut besonders zurückhalten. Besser ist es, die Note zu akzeptieren und für das nächste Mal nach Verbesserungsmöglichkeiten zu fragen. Denkbar ist es auch, um Veränderungen der Sitzordnung zu bitten oder den Lehrer regelmäßig um Rückmeldung zu bitten (aber nicht nach jeder Unterrichtsstunde).

Drohen

Drohungen mit den Eltern oder gar mit Beschwerden beim Schulleiter sollte man unterlassen. Mag sein, dass sich vereinzelte Schulleiter sogar einschalten, in der Regel haben sie aber keine Zeit für einzelne Notenprobleme und respektieren die Korrekturhoheit der Lehrkräfte. Außerdem zerstörst du damit die Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit mit der Lehrkraft.

Zweitkorrektur

Nach dem alten Grundsatz, dass eine Krähe einer anderen kein Auge aushackt, werden sich Lehrkräfte meistens zurückhalten, wenn du sie um eine Zweitmeinung bittest. Niemals solltest du eine Zweitmeinung bei Notenverhandlungen als Argument anführen oder gar einfordern.

Publikum

Führe Notenverhandlungen niemals vor Publikum! Die Lehrkraft will sich, selbst, wenn sie einsichtig ist, vor den anderen Schülern keine Blöße geben. Außerdem wäre zu befürchten, dass in diesem Fall weitere Schüler nachfragen. Auch bei den Mitschülern machst du dir durch penetrantes Feilschen oft keine Freunde.

Autorität anerkennen

Es ist äußerst gefährlich, bei Notenverhandlungen die Autorität des Lehrers zu untergraben. Schon das Wort „Fehler“ ist problematisch. Unterstelle weder Flüchtigkeit noch mangelndes Fachwissen. Aussichten hat, wer in der Sache bestimmt und klar ist, aber in der Form zurückhaltend. 

Versetzung

Ist die Versetzung gefährdet, sollte man frühzeitig beginnen, an sich zu arbeiten. Notenverhandlungen, bei denen man in letzter Minute um seine Versetzung bettelt, verlaufen selten wie erwünscht.

Anrede

Beim Ansprechen von vermeintlichen Korrekturfehlern empfiehlt es sich, neutrale Formulierungen zu verwenden. Sätze wie „Da haben Sie sich verrechnet“ gefährden den Status der Lehrkraft. Besser sind sachliche Aussagen wie: „Ich bin mir nicht sicher, ob die Aufgaben im ersten Teil auch einberechnet wurden.“

Kritische Selbstprüfung

Bevor man einen Korrekturfehler beanstandet, sollte man prüfen, auf welcher Grundlage man bewertet wurde. Voraussetzung jeder erfolgreichen Notenverhandlung ist, dass man weiß, wovon man spricht. Reines Anspruchsdenken und Überheblichkeit bringt dich nicht weiter („Ich bin einfach gut, ich verdiene eine bessere Note“). Du solltest dich also zuerst gut vorbereiten, bevor du in Verhandlungen trittst.

Vergleiche

Man sollte sich grundsätzlich nicht mit anderen Schülern vergleichen, was Bewertungen angeht – vor allem nicht namentlich („Aber der Max hat eine Zwei und tut fast nichts!“). Erstens erweckst du so den Eindruck, du handeltest aus Neid, zweitens kennst du meistens die Bewertungsgrundlage nicht. Wenn du bei gleicher Punktzahl eine schlechtere Note bekommen hast, kannst du allerdings schon das Gesamtergebnis eines Mitschülers vorlegen und vorsichtig fragen, wer von euch beiden die richtige Note hat.

Distanz und Höflichkeit

Notenverhandlungen sind beiden Seiten unangenehm. Schon deswegen solltest du betont zurückhaltend, offen und freundlich auftreten. Das gilt auch für deine Körpersprache. Lehrer schätzen es überhaupt nicht, wenn du ihnen deine Arbeit vors Gesicht hältst und ihr Blickfeld damit verengst. Auch die in westlichen Kulturen üblichen Mindestabstand solltest du respektieren. Flirten oder Schleimen solltest du ebenfalls unterlassen.

Angst

Natürlich löst es zunächst einmal Ängste aus, wenn man die Lehrkraft auf mögliche Korrekturfehler hinweist. Davon solltest du dich nicht abschrecken lassen. Für Schülerängste und Schüchternheit haben deine Lehrer sicher mehr Verständnis als für Anspruchsdenken und Respektlosigkeit.

Selbstkontrolle

Wenn man spürt, dass man sich ärgert und diesen Ärger nicht kontrollieren kann, sollte man die Verhandlung in jedem Fall vertagen. Aggressionen nach Verkündung der Note sollte man unterdrücken – wer danach unfreundlich wird und Blockaden aufbaut, schadet sich nur selbst.

Für andere eintreten

Für seine eigenen Belange sollte man auch selbst eintreten – ohne Flankenschutz durch die Klassensprecherin oder den besten Freund. Auch solltest du dich nicht zum Anwalt für die zweifelhaften Interessen anderer machen! Was allerdings möglich ist: Deinen guten Ruf und dein Ansehen bei der Lehrkraft dazu nutzen, sich für sehr zurückhaltende Mitschüler einsetzen, damit die Lehrkraft den betroffenen Schüler selbst ansprechen kann.