Kritischer Umgang mit Statistiken und Grafiken

„Ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe“: Diesen Satz schreibt man Winston Churchill zu. Forscht man nach (wie das Werner Barke getan hat, seinerzeit Pressereferent des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg), wird rasch deutlich: Sehr wahrscheinlich ist dieser Satz kein Churchill-Zitat, sondern das Ergebnis einer Reihe von Entstellungen und Fehldeutungen. Kritisches Denken ist unbequem, aber notwendig, wenn man nicht beschwatzt und übertölpelt werden will. Es folgt eine Liste, die zu mehr Wachsamkeit im Umgang mit Daten und Statistiken verhelfen kann!

  • Traue nie allzu genauen Zahlenwerten!
  • Prüfe, ob eine exakte Zahl das Ergebnis einer simplen Division sein kann! (2,667 = 8:3)
  • Überlege, wie die Darstellung einer Zahl deine Wahrnehmung beeinflusst! Drei Dutzend scheinen weniger als 36!
  • Ermittle, ob der Vergleichswert manipulativ ist – wenn eine Zahnbehandlung zu 90% erfolgreich ist, dann klingt das erfreulich – wenn sie in 10% aller Fälle misslingt, dann erschrickt der Leser!
  • Überlege bei Kurven, welcher Ausschnitt gewählt wurde! Beginnt sie im Tal? Wird ein Abwärtstrend ausgeschnitten?
  • Wird bei der Beurteilung eines Prozentwerts vergessen, auf welcher Basis er beruht? Jugendliche begehen nicht mit höherer Wahrscheinlichkeit Suizid als Alte, sie sterben nur weniger häufig an anderen Ursachen!
  • Werden bei Diagrammen bestimmte Ausschnitte gewählt?
  • Vorsicht bei Diagrammen! Wurde der Maßstab an der x- oder y-Achse verzerrt?
  • Wurde bei Diagrammen die Beschriftung weggelassen?
  • Suggeriert im Diagramm die Darstellung der Kurve selbst etwas anderes, als die Zahlen nahelegen? Ein Pfeil wirkt z. B. dynamischer als eine bloße Linie!
  • Beginn ein Diagramm an der y-Achse bei Null oder wurde der Sockel weggeschnitten?
  • Sind die Zahlenabstände an der x-Achse unterschiedlich groß?
  • Wo täuscht ein Prozentwert über die absoluten Zahlen hinweg? Wenn in einer abgelegen Wohngegend 66% aller Kinder weiblichen Geschlechts sind, klingt das anders, als wenn man weiß, dass von drei Kindern einer Familie zwei Mädchen sind!
  • Ist die Basis einer Datenerhebung zu klein, um aussagekräftig zu sein?
  • Wie ist bei Mittelwerten die tatsächliche Verteilung? Wenn einer am Geburtstag den ganzen Kuchen verdrückt, haben im Mittel alle etwas davon gegessen…!
  • Wo ist statt des arithmetischen Mittels der Median angegeben – oder umgekehrt?
  • Wird ein aktueller Trend oder Zustand fälschlich als dauerhaft bezeichnet? Wenn es in einem Sommer weniger Bienen gibt, sterben nicht in zehn Jahren die Honigbiene aus!
  • Misstraue allen Prognosen!
  • Sei auf der Hut, was vermeintliche Einzigartigkeiten und synthetische Superlative angeht! Es ist leicht, der einzige Dichter des 19. Jahrhunderts aus Frankfurt zu sein, der eine Biographie von Cellini übersetzt hat – oder der größte Landschaftsmaler des 19. Jahrhunderts aus Winnenden, der zugleich Akademiker war.
  • Überprüfe die Stichprobe! Ist sie überhaupt repräsentativ?
  • Zu wessen Gunsten könnte die Statistik verfälscht sein?
  • Welche kulturellen Vorlieben könnten das Ergebnis verfälschen?
  • Verzerren die gewählten Piktogramme den Eindruck durch Fläche oder Volumen?
  • War die Fragestellung bei der Datenerhebung suggestiv?
  • Verleitet die Reihenfolge der Fragen bei einer Befragung zu einem bestimmten Ergebnis?
  • Soll eine Alternative dadurch geschwächt werden, dass ihr Gegenteil zum Ja verlockt? „Stimmen Sie zu, dass …?“
  • Wurde eine Befragung dadurch verzerrt, dass bestimmte Personengruppen eher nicht teilnehmen?
  • Verzerrt die Umgebung oder die Person der Datenerhebung das Ergebnis?
  • Verzerren die Eigeninteressen der Befragten das Ergebnis?
  • Sind die Ergebnisse einer Studie von einer bestimmten Definition des Sachverhalts abhängig?
  • Welche Aussage vermittelt eine Karte, z. B. durch die Wahl der Mitte, die Orientierung oder die Projektion?
  • Wird bei einem gleichzeitigen Auftreten von A und B unterstellt, dass A die Ursache von B ist?