Frankreich

Einführung

Arbeit an der eigenen Sprache war für viele barocke Autoren zugleich Arbeit gegen die Frankophilie der Zeitgenossen. Frankreich vermittelte Deutschland im 17. Jahrhundert jedoch höfische Kultur, Liebesromane, Liebesdramen – überdies spanische Quellen. In der Literaturtheorie ist die Pléjade ein Leitgestirn auch für Opitz und den ihn ergänzenden Buchner. Er übernimmt und verändert das französische Alexandrinersonett. Es waren die Höfe in der Pfalz, in Savoyen und Lothringen, die schon vor der Zeit des Sonnenkönigs höfische Kultur nach Deutschland exportierten. Hinzu kamen die geistlichen Fürstentümer am Rhein (Mainz, Worms). Aber auch Einzelpersonen trugen französische Kultur über die Grenze, darunter Herzog Anton Ulrich von Braunschweig, der im Bericht seiner Parisreise (1655) ausführlich über französische Autoren, über Ballette und Singspiele berichtet. Auf ihren Bildungsreisen oder als Diplomaten gelangten zahlreiche Autoren nach Frankreich – darunter Melissus-Schede, Opitz, Gryphius, Hofmannswaldau. Andere taten sich als Übersetzer hervor, Zesen oder Harsdörffer etwa. Insbesondere geistliches Schrifttum wurde übertragen: früh im 17. Jh. der Hugenottenpsalter, später der Marotsche Psalter (Melissus und Lobwasser, 1572-1573). Den "Welschvers" (vers commun) gebrauchten im Gefolge der Pléjade Melissus, Schwabe von der Heyde, Hübner und Weckherlin. Gryphius übertrug die Felicitas des Jesuiten Nicolas Caussins aus Troyes, Hofmannswaldau übersetzte Théophile de Viaus Mort de Socrate (1621, dt. 1679). Sowohl in Frankreich (Camus) als auch in Deutschland (Bucholtz) ging man gegen die überaus französischen beliebten Ritterromane vor, gegen den Amadis und die Astrée, noch Georg Heidegger wettert 1698 gegen die verderblichen Romanimporte aus Frankreich. Dagegen setzten sich verschiedene Autoren für den höfischen Roman Frankreichs ein. Mit seiner Clelia: eine römische Geschichte (1664) nach Madame de Scudéry führte Wilhelm von Stubenberg die allegorische Landkarte der Liebe in die deutsche Literatur ein.Von französischen Vorbildern abhängig sind außerdem einige Romane Harsdörffers. Der exotische Schauplatz verrät den Einfluss der Cléopatre Gautier Costes de la Calprenèdes auf die Durchlauchtigte Syrerin Aramena (1673) des Herzogs Anton August von Wolfenbüttel. Lohenstein übernimmt den Stoff für den Ibrahim (1650) aus Madame de Scudérys Ibrahim ou L'Illustre Bassa, die Cleopatra folgt dem genannten Werk de la Calprenèdes, die Epicharis verdankt sich der Ariane (1632) Desmarets, die Sophonisbe lässt sich auch auf das Drama Jean Mairets zurückführen.

Bibliographie

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  • Weydt, G.: Die entscheidende erzählerische Quelle des "Simplicissimus": Scarron und Grimmelshausen. In: Simpliciana, 3, 1981, S. 7-16

Geschichte

1619

Hübner übersetzt La Semaine (1578), das Hauptwerk Guillaume Du Bartas'.

1624

Martin Opitz beruft sich in seinem Buch von der deutschen Poeterey auf Joaquin du Bellays Deffénce et illustration de la langue française (1549) und auf Pierre de Ronsards Abbregé de l'art poétique français (1565).

1632

Opitz übersetzte Die süßen Todesgedanken von Jean Puget de la Serre.

1635

Andreas Gryphius verarbeitet für die Catharina von GeorgienHistoires tragiques de nostre temps.

Stoffe aus Saint-Lazares

1643

Lohenstein greift in Epicharis auf Tristan l'Hermites La Mort de Sénèque zurück.

1644

Philip von Zesen überträgt D'Audiguiers Lysander und Kalisten, 1645 folgte seine deutsche Fassung des Romans Ibrahim und Isabella der Madame de Scudéry, zwei Jahre später (1647) eine Übersetzung von Die Afrikanische Sophonisbe de Gerzans. Den Stoff für Assenat entnimmt er der 1664 übersetzten Historia Assenat des Enzyklopädisten Vincent de Beauvais (gest. 1264).

1645

Philipp Harsdörffer erzählt in Frauenzimmer Gespräche, VIILe Berger extravagant nach.

Sorels

1645

Sigmund von Birken spottet in seiner Fortsetzung des Pegnesischen Schäfergedichts über die Schäfermode nach d'Urfés Astrée.

1650

Michael Moscherosch wettert im Philander von Sittewald (2 Bde.) gegen "Frantzosen liebende Teutschlinge" und die Alamodisten bei Hofe.

1650

Georg Greflinger übersetzt Corneilles Cid.

1660

Andreas Gryphius verwendet als Quelle für Das verliebte Gespenst Philippe Quinaults Le Fantôme amoureux .

1660

J. Schwiegers Die verführete Schäferin Cynthie ist als Gegenbild zu d'Urfés Astrée angelegt, ebenso die Die verwüstete und verödete Schäferey (1642).

1662

D. E. Heidenreich übersetzt Corneilles Horace.

1668

Grimmelshausen hat für seinen Simplicissimus auch nach französischen romans comiques gearbeitet, eine stilistische Verwandtschaft zu Ch. Sorels Histoire comique de Francion (1623) lässt sich vermuten.

1669

Christian Cormart überträgt Corneilles Polyeucte.

1673

Lohenstein arbeitet im Ibrahim Sultan nach Tristan l'Hermites La Mort du grand Osman (postum).

1686

Einflüsse der Komödie Molières lassen sich bei Christian Weise (Curiositäten-Krämer) nachweisen, ebenso in Der verfolgte Lateiner (1696).

1695

Christian Reuters L'Honnête Femme oder die Ehrliche Frau zu Plissine zeigt dein Einfluss der Komödien Molières.