Mimik im Theater

Nicht nur, weil das Gesicht noch vor der Sprache unser wichtigstes Kommunikationsmittel ist, hat es im Schauspiel besondere Bedeutung – dieses Gewicht der Mimik deutet sich bereits in der Etymologie des Wortes an: μιμικός (mimikós) heißt „was den Schauspieler angeht“. Fast 3.000 verschiedene Gesichtsausdrücke sind dem Menschen möglich – es liegt also nahe, sich mit Mimik zu befassen.

Was ist Mimik?

Als Mimik bezeichnen wir die Muskelbewegungen unseres Gesichts:

  • der Stirn (insbesondere der Stirnfalten): Ein Stirntrunzeln symbolisiert Tadel, Besorgtheit oder Nachdenklichkeit;
  • der Augenpartie: Rollen wir die Augen, sind wir genervt; kneifen wir die Lider zusammen, wollen wir etwas prüfen;
  • der Augenbrauen: Heben wir die Augenbrauen, sind wir freudig überrascht; senken wir sie, sind wir wütend;
  • die Nase: Rümpfen wir die Nase, dann ekeln wir uns;
  • der Mundpartie: Ein einseitiges Lächeln zeigen wir bei Spott; die Mundwinkel senken wir, um Traurigkeit oder Ahnungslosigkeit anzudeuten;
  • der Zunge: Lecken wir uns die Lippen, sind wir nervös oder flirten.

Die Bedeutung des Gesichts im Alltag

Unser Gesicht ist im Alltag für uns wichtig:

  • als Symbol unserer sozialen Identität – es macht uns erkennbar;
  • als sichtbarer Anteil unseres Körpers, der unseren Gesundheitszustand offen legt;
  • als Kommunikationsmittel, das unsere verbalen Äußerungen begleitet;
  • als Spiegel unserer Gefühle: Sind wir schockiert, erbleichen wir, wenn wir uns schämen, werden wir rot;
  • als Träger unseres sozialen Ansehens – wir können unser Gesicht wahren oder verlieren es;
  • als maßgeblicher Gradmesser unserer Attraktivität (oder Schönheit);
  • als Hinweis darauf, ob wir lügen oder die Wahrheit sagen (Mikroexpressionen);
  • als Schlüssel zu unseren Absichten.

Warum uns Gesichter so wichtig sind

Die Wichtigkeit des Gesichts für den Menschen ergibt sich aus Forschungsbefunden:

  • Schon unmittelbar nach der Geburt zeigen Menschen eine Vorliebe für das menschliche Gesicht;
  • Menschen mit Autismus können Gesichter oft nicht deuten, was sie in ihrer Kommunikation einschränkt – dasselbe gilt für Menschen mit einer erworbenen Unfähigkeit, Gesichter zu erkennen (Prosopagnosie) ;
  • Wenn wir Bilder ausdrucksvoller Gesichter betrachten, werden unsere Spiegelneuronen aktiviert: Werden wir angelächelt, lächeln wir zurück;
  • Unser Gesicht bestimmt mit, wie wir uns fühlen – gesenkte oder gehobene Mundwinkel können unser Befinden verändern;
  • Wenn Kinder aufgefordert werden, Menschen zu zeichnen, hat das Gesicht meist eine große Bedeutung (etwa im Kopffüßler-Stadium).

Mimik auf der Bühne

Für das Spiel mit Mimik gelten auf der Bühne folgende Bedingungen:

  • Damit Mimik funktioniert, bedarf es des Blickkontakts;
  • Insbesondere aus der Distanz sind Gesichter auf der Bühne schwer zu sehen; wo nötig, muss man den Ausdruck durch Haltung und Gestik verstärken oder Projektionen einsetzen;
  • Abgesehen von den durch Paul Ekman beschriebenen Basisexpressionen gibt es auch kulturspezifische Mimik; dies sollte man im Spiel berücksichtigen.

Übungen

  • Schnappschuss: Zeigt einander nach einem Klatschen der Spielleitung eine möglichst exzentrische Grimasse!
  • Spiegeln: Seht einander an! Bewegt langsam eure Gesichtsmuskeln und lasst sie von euren Partnern spiegeln.
  • Gestörter Dialog: Führt bei ständig wechselnder Mimik einen Dialog!
  • Gesichtslandschaft: Führt mit Blicken einen ausführlichen Erkundungsgang im Gesicht eurer Partner durch!
  • Gesichtserkennung: Wascht euch die Hände! Stellt euch mit dem Rücken zu einander in einen Kreis. Versucht euren Partner durch Ertasten des Gesichts zu finden!
  • 3000 Grimassen: Erprobt jeden einzelnen Gesichtsmuskel durch Anspannen!
  • Mimik-Raten: Signalisiert auf 1-2-3 nur mit mimischen Mitteln eine Stimmung, die erraten werden muss!
  • Gesichtsmassage: Wascht die Hände. Schließt die Augen. Gönnt euch eine sanfte Gesichtsmassage!

Bibliographie

  • Belting, Hans: Faces: Eine Geschichte des Gesichts. München: Beck, 2013
  • McNeill, Daniel: Das Gesicht: Eine Kulturgeschichte. Wien: Kremayr & Scheriau, 2001
  • Matt, Peter von: ... fertig ist das Angesicht: Zur Literaturgeschichte des menschlichen Gesichts. München: Hanser, 1983
  • Bates, Brian ; Cleese, John: Gesichter: Das Geheimnis unserer Identität. Köln: vgs, 2001
  • Cole, Jonathan: Über das Gesicht: Naturgeschichte des Gesichts und unnatürliche Geschichte derer, die es verloren haben. München: Kunstmann, 1999
  • Schwarz, Hans Peter (Hg.): Mienenspiele: Das ZKM Medienmuseum vom 18. Mai bis 03. Juli 1994 zu Gast im Badischen Landesmuseum Karlsruhe, Museum beim Markt. Karlsruhe: ZKM, 1994
  • Schmidt, Gunnar: Das Gesicht: Eine Mediengeschichte. München: Fink, 2003