Danse macabre, Totentanz: Vom Sterben auf der Bühne

„Das Leben ist wie die Lampe, die auch schon anfängt auszubrennen, wenn sie angezündet wird! So alt wie jeder von euch ist, so viele Jahre habe ich schon mit euch getanzt. Jeder hat seine eigenen Touren, und der eine hält den Tanz länger aus als der andere. Aber die Lichter verlöschen zur Morgenstunde, und dann sinkt ihr alle müde in meine Arme – das nennt man sterben.“ (Hans Christian Andersen)

Gedanken zum Tod als Gegenstand des Theaters

  • In zahlreichen Kulturen sind Tod und Bestattung begleitet von szenischem Spiel und Tänzen. Tanzprozessionen gab es bei den Ägyptern und den Etruskern, in Dänemark und auf den Färöern umtanzten Trauernde bis in 20. Jahrhundert den Sarg.
  • Das Rollenspiel bietet die Möglichkeit, den Verstorbenen zumindest für die Bühne wieder zum Leben zu erwecken. In manchen Kulturen verlässt der Darsteller den Bezirk des Schauspiels, wenn er wähnt, vom Geist des Toten ergriffen zu werden.
  • Besonders im Tanz gehört der Tod mit dem Totentanz zum Motivschatz (Danse macabre, Danza de la muerte). Es gibt ihn als lineares Ballett, als Prozession oder Reigen. Dass Totentänze aufgeführt wurden, liegt nahe. Es gibt jedoch außer einem Nachweis am Burgunderhof, einer Rechnung, nur zum Klever Totentanz einen Rollentext. In Kärnten hatte sich im Brauchtum bis ins 19. Jahrhundert ein Totentanzspiel erhalten (Neuaufführung 1957). Es gibt eindrückliche moderne Totentänze, etwa Mary Wigmans „Danse macabre“ (1921) nach der Musik von Camille Saint-Saëns.
  • Der Tod zumindest eines der Protagonisten setzt in der Tragödie den natürlichen Endpunkt der Katastrophe.
  • Für den weniger begabten oder schlecht ausgebildeten Schauspieler birgt die Darstellung von Sterbenden ein enormes Risiko, auf der Bühne zu scheitern. Das wundert nicht: Zum Tod gibt es keine Zugänge von innen heraus.
  • Manchen ereilt der Tod auch auf der Bühne: Molière starb als Darsteller seiner Komödie „Le malade imaginaire“.

Totentänze auf der Bühne: Tanz und Schauspiel

  • 1558: Totenfest Karls V. in Brüssel: Lineares Ballett
  • 1936: Mary Wigman: „Lamentation“ (Tanz)
  • 1940: Martha Graham: „El Penitente“ (Tanz)
  • 1942: Aurel Miholy Millos: „Coro di morti“ (Tanz)
  • 1946: Roland Petit: „Le jeune homme et la Mort“ (Tanz)
  • 1951: Georges Balanchine: „La Valse“ (1951, Musik: Maurice Ravel)
  • 1954: Lola Roge: „La Danse des Morts“ (Tanz)
  • 1930: Kurt Jooss: „Das Totenmal“ (Tanz)
  • 1900: August Strindberg: Totentanz (Dt. UA: 1905)
  • 2016: Bamberg, Theater im Gärtnerviertel: Szenische Lesung zu Hugo Distlers „Totentanz“
  • 2021: Düsseldorf, Düsseldorf-Festival: Uraufführung von Martin Zimmermanns „Danse macabre“
  • 2021: Steyr (A), Theater am Fluss: Stationentheater nach mittelalterlicher Vorlage
  • 2022: Raron (CH), Freilichttheater: Inszenierung des Walliser Totentanzes

Übungen

  • Wechselsterben: Sterbt euch gegenseitig etwas vor! Findet möglichst viele Todesarten!
  • Nachts auf dem Friedhof: Wenn sich der Wärter umdreht, erwachen die Toten zum Leben!
  • Mord in Palermo: Alle Spieler bekommen Karten. Der Tod geht um und blinzelt seinen Opfern zu, worauf sie einen schrecklichen Tod erleiden und dramatisch versterben – es sei denn, er erwischt den Engel der Erlösung.
  • Nekromant: Der Totenbeschwörer lässt mit der Kraft seiner Hände einen liegenden Toten auferstehen und bewegt ihn durch die Bewegung seiner Hände.
  • Der Tod als Marionettenspieler: An unsichtbaren Fäden führt der Tod die Spielfigur.
  • Klipp-Klapp: Bei Klipp bewegt der Spieler den Arm, bei Klapp das Bein. Es darf aber nur jeweils ein Gelenk bewegt werden.
  • Totentanz: Die Gruppe geht im Kreis, die Hände auf den Händen des Vordermanns. Man geht im Gleichschritt. Auf ein Signal nehmen die Spielenden eine Berufspose ein.

Abb.: Tanz der Gerippe, Holzschnitt von Michael Wolgemut in Hartmann Schedels Weltchronik von 1493