Friedrich Schiller und Winnenden

Soviel vorweg: Friedrich Schiller hat sich nicht in Winnenden aufgehalten, zumindest soweit wir wissen. Für eine Durchreise auf dem Weg von Marbach nach Stuttgart oder Ludwigsburg gibt es keine Belege. Dennoch hat Schiller auch auf Winnenden ausgestrahlt. Die 1905 gepflanzte Schillereiche steht im Winkel zwischen Palmerstraße und Bachstraße und ist mittlerweile ein Naturdenkmal. Auch im Stadtplan ist Schiller vertreten: Wie überall in Württenberg gibt es in Winnenden eine Schillerstraße, die von der Breuningsweilerstraße hinaufführt auf den Stöckach und am Ostlanddenkmal endet. Die Schiller-Begeisterung reicht bis in die Gegenwart: Im Jahr 2005, zum Gedenken des zweihundertsten Todestags, gibt es auch in Winnenden Schiller-Veranstaltungen; die Buchhandlung Halder verkauft neben Schiller-Devotionalien die Werkausgabe in Broschur zum Jubiläumspreis. Und 2020? Eine Kopie der Dannecker-Büste Schillers bewacht am Gießübel den Eingang zum Steinbruch Martin Kirsteins, des bekannten Winnender Bildhauers.

Schillers Eltern in Winnenden

Spätestens seit dem beginnenden 17. Jahrhundert sind Schillers in Winnenden nachweisbar. Schillers gab es in Breuningsweiler und Höfen, ein Johann Jacob Schiller war Nachtwächter in Winnenden (Schiller 1909, S. 118-120). Doch auch direkte Vorfahren Schillers lebten in der Umgebung: Schillers Ururgroßvater war Bäcker in Waiblingen, der Urgroßvater und der Großvater Schiller buken ihr Brot in Bittenfeld (VuAB, 9.5.1905). Selbst die Wege von Schillers Eltern haben Winnenden gekreuzt. Johann Caspar Schiller war Wundarzt im Dienst des Herzogs, erst später machte der Vater des Dichters als Fachmann für Obstbau von sich reden. Nachdem nun Johann Caspar Schillers Regiment im Siebenjährigen Krieg bei Lutterberg gegen preußische Truppen im Einsatz war, werden die Württemberger 1758 über Kassel ins Herzogtum zurückgeführt. Schillers Regiment nimmt über den Winter in Winnenden Quartier. Dort sieht er regelmäßig seine Frau Dorothea (eine geborene Kodweiß), die entweder von Marbach aus nach Winnenden kommt oder von Schiller bei den Großeltern in Marbach besucht wird, wo das Ehepaar wohl bis August 1759 wohnt (Egger 1868, S. 10). Ein Umzug Dorothea Schillers nach Winnenden war wohl weder praktikabel noch besonders schicklich (Müller 1894, S. 20).

Die große Schillerfeier zum hundertsten Todestag

Zum Hintergrund

Um den 9. Mai 1905 herum werden zum 100. Todestag des Dichters in ganz Württemberg Gedenkfeiern abgehalten, insbesondere dort, wo Schiller sich aufgehalten hatte und wo verwandtschaftliche Beziehungen bestanden. In der Landeshauptstadt Stuttgart huldigen schon am Vorabend des Jubiläumstags etwa sechshundert Studenten dem Dichter mit einem großen Fackelzug. Am 10.5. erscheint das Königspaar zur Kranzniederlegung vor dem Stuttgarter Schillerdenkmal, ebenso Ministerpräsident von Breitling. Auch Winnenden will nicht zurückstehen. Gotthold Börner verweist noch 1923 in seiner Stadtgeschichte auf die Feierlichkeiten zum hundertsten Todestag Schillers. Börner schreibt:

„Da die Schillerforschung im Jahr 1905 herausgebracht hatte, daß Vorfahren des großen Dichters einst im nahen Höfen ihre Heimat hatten, so wurde Schillers 100. Todestag (9. Mai) hier besonders festlich begangen durch Anpflanzung des Schillergärtchens mit Schillereiche in der Palmerstraße, sowie durch ein gelungenes Kinderfest und ein Höhenfeuer auf dem Roßberg“ (Börner 1923, S. 456).

Im Vorfeld der Schillerfeier

Wie darf man sich die Winnendens Schillerfeier im Einzelnen vorstellen? Schon Monate vorher bringt das Volks- und Anzeigenblatt Artikel zum Schillerjahr, etwa einen Hinweis auf „Dr. Molapps Schillerbüchlein“ (VuAB, 2.3.1905). In Bittenfeld wird eine Gedenktafel angebracht, in Marbach bittet der Schwäbische Schillerverein um Einsendungen (VuAB, 13.3.1905), in Waiblingen wird am 7.5. der Wilhelm Tell aufgeführt (VuAB, 2.5.1905). Auch der Winnender Gemeinderat bewilligt Gelder für eine „würdige Schillerfeier“ (WGRP, 1905, §549). Im Verlauf der Sitzung wird auf die neue Marbacher Ausgabe der Gedichte und Dramen hingewiesen, die zu einem „ungewöhnlich minderen Preis“ angeboten werde (WGRP, 1905, §500). Es sei, so stellt der Protokollant fest, bereits ein Komitee gegründet worden, das eine Schülerfeier und die Pflanzung einer Eiche vorgeschlagen habe. Im unmittelbaren Vorfeld der Feier informiert nun das evangelische Konsistorium die Schulen, dass „unter Ausfall des gewöhnlichen Unterrichts“ eine Schillerfeier stattzufinden habe (VuAB, 25.3.1905). Für die Gestaltung gibt es weitere Hinweise. So soll darauf geachtet werden, „daß sich die Feier möglichst lebendig und volkstümlich gestalte, und durch Vorträge, die der Fassungskraft der Schüler entsprechen, durch eine geeignete Auswahl von Deklamationen und Gesängen und … durch etwaige Aufführungen ein tieferer Eindruck von den Dichtungen und der Persönlichkeit Schillers erweckt werde“ (Ebd.).

Die Schillerfeier

Rechtzeitig zum 9.5.1905 erscheint im Volks- und Anzeigenblatt ein Programm zur Schillerfeier. Um halb zehn eröffnet das Fest ein Glockengeläut, das auf Schillers Lied von der Glocke anspielt (VuAB, 11.5.1905. Die drei ältesten Jahrgänge erhalten in ihren Schulen Schillerbände, die der Gemeinderat finanziert. Um zehn findet die Schulfeier im Evangelischen Gemeindehaus statt, die Oberpräzeptor Dr. Ziemssen mit einem Festvortrag ergänzt. Unter Anleitung von Lehrer Münz wird gesungen, Anstaltslehrer Beck spielt Klavier, ein Fräulein Bäßler deklamiert Goethes Epilog zur Glocke, weitere bekannte Schillertexte werden vorgetragen (etwa eine Stelle aus Wallensteins Lager und die Bürgschaft. Über Schillers Bedeutung ist man sich dabei einig: „Schillers Ideale sind vor allem deutsche Ideale. Deutsch ist insbesondere auch sein unerschütterlicher Optimismus, der Glaube an den Sieg des Guten in der Welt und die Herrschaft des Guten in der Menschennatur“ (VuAB, 15.5.1905). Nach dem Mittagessen, um halb zwei, versammelt sich die Einwohnerschaft auf dem Marktplatz zum Festzug. Die Schulkinder sind dabei, Vereine, Gemeinderat und Kirchengemeinderat: Ziel des Festzugs, den Militärmusik durch die „reichbeflaggte Stadt“ begleitet, ist zunächst die Schillereiche in der Palmerstraße. Die Mädchen, „von grünen, mit Blüten gezierten Bögen überspannt“ (Ebd.), führen den Zug an. Es folgt die Lokalprominenz aus Gemeinderat und Kirche, den Abschluss bilden die Vereine mit ihren Fahnen. In der Palmerstraße singt der Schülerchor zunächst das Mozart-Lied O Schutzgeist, ehe Stadtschultheiß Hiemer in die Symbolik der Eiche einführt. Gemeinsam pflanzen die Honoratioren den noch jungen Baum. Zum Abschluss singt der Männerchor Stumm schläft der Sänger. Dann führt der Zug in den Schlossgarten. Dort spricht Stadtpfarrer Mehl über Schillers „Seelengröße“, die sich von der „Schmutzlektüre“ der Gegenwart wohltuend abhebe (Ebd.). Endlich beginnt das Kinderfest, man vergnügt sich an der Kletterstage, die Liedertafel stimmt einige Lieder an. Um sieben ist für die Kinder das Fest beendet. Sie sammeln sich auf dem Marktplatz, wo Hiemer erneut eine Ansprache hält. Der Schlusschoral Nun danket alle Gott beendet den offiziellen Teil der Feier. Um neun wird auf dem Roßberg ein Gedenkfeuer entzündet, besonders neugierige Winnender wandern noch nach Buoch, um „über hundert Höhenfeuer“ zu sehen (Ebd.).

Die Heilanstalt feiert mit

Am 24.9.1905 schließt sich eine „wohlgelungene Schiller-Feier“ der Heilanstalt an (VuAB, 25.5.1905). Der Festakt beginnt mit einer vierhändigen Wiedergabe der Ode an die Freude in der Fassung Beethovens, vorgetragen von Frau Medizinalrat Kreuser und Anstaltslehrer Immanuel Beck. Es folgt ein Vortrag von Medizinalrat Kreuser, dem Anstaltsleiter. Vier Szenen aus der Glocke, dargestellt als lebende Bilder, „verfehlen ihre Wirkung nicht“. Kreusers Tochter liefert einen „freien, ausdrucksvollen Vortrag“ des Schiller’schen Drachenkampfs. Unter Leitung von Anstaltslehrer Beck singt der gemischte Anstaltschor noch Holder Friede, süßeEintracht aus Rombergs Glocke und Regst du, o Lenz von Lindpaintner, ehe zum Abschluss die Stuttgarter Sopranistin Kamerer Schuberts Vertonung von Des Mädchens Klage singt.

Bibliographie

  • Egger, Alois: Schiller in Marbach. Wien: 1868
  • Müller, Ernst: Schillers Mutter. Ein Lebensbild. Mit vielen Abbildungen in und außer dem Text. Artur Seemann, Leipzig 1894
  • Börner, Gotthold: Winnenden in Sage und Geschichte. Winnenden: Selbstverlag d. Verf., 1923
  • Schiller, Richard: Die Schiller-Geschlechter Deutschlands: mit besonderer Berücksichtigung der Schwäbischen Schiller und des Stammbaums des Dichters Friedrich von Schiller: Festschrift zum 150. Geburtstage des Dichters. Stuttgart: Hoffmann, 1909
  • Winnender Gemeinderats-Protocoll (WGRP), 1903-1905, S. 272 u. 275
  • Volks- und Anzeigenblatt (VuAB), 1905, 57. Jg., 2.3., 25.3., 15.4., 22.4., 2.5, 9.5., 11.5., 15.5., 25.5.