Die sonderbare Liebe zur Steuererklärung

Glaubt man den Umfragen, wollen Schüler nichts lieber lernen – als die Kunst der Steuererklärung. Ich hatte Zweifel. Das schien mir zu bieder, zu deutsch. Bis ich meine eigene Umfrage machte. Aus der Sicht vieler Schüler ist der Mangel an vernünftiger Steuerkunde ein Symbol – ein Bild des allgemeinen Versagens ihrer Schule, ihnen das Steuer fürs eigene Leben in die Hand zu legen.

Liebe Schüler! Woher kommt eure amour fou zu einem derart trögen Thema, das euch zudem nur indirekt betrifft? Warum verlangt ihr nach einer Sache, die mir größtes Unbehagen, größte Mühe bereitet? Ich habe mehrere Ansätze. Denkbar ist, dass elterlicher Frust den Eindruck erweckt, hier werde etwas Existenzielles verhandelt. Gemessen am Ausmaß des Unbills, der einen vergeistigten Oberstudienrat befällt, wenn er dem Finanzamt kreuzchenweise seine Steuern erklärt, muss das Kind eines Freiberuflers vermutlich einiges aushalten. Auch ist möglich, dass sich in der Wahrnehmung meiner Schüler der allgemeine Unwille, Steuern zu zahlen, mit der Ohnmacht verbindet, die man dem Staat gegenüber empfindet – ihre vielfach beklagte Unkunde in Geldsachen kommt noch hinzu. Diesem Ungetüm möchte man doch bewaffnet entgegentreten! Das probate Mittel, dem gierigen Leviathan das Geld aus den Klauen zu reißen, ist die Steuererklärung.

Aber – ist es denn so wichtig, die rechte Methode des Steuersparens bereits in der Schule zu lernen? Wie viele von euch werden tatsächlich in den nächsten zehn Jahren Steuern zahlen? Und danach: Werdet ihr euch bei der ersten Steuererklärung tatsächlich des Schulstoffs erinnern? Werdet ihr, was zur Unzeit kommt, nicht in den Orkus des Vergessens spülen? Ist es nicht ohnehin die Aufgabe der Eltern, die besten Strategien am eigenen Beispiel zu vermitteln? Außerdem: Wie viele legen nicht ihre Steuersachen in die Hände dankbarer Steuerberater? Gewiss ist Selberdenken und Selberkönnen das Beste: Aber wird nicht auch der Klügste der Kompetenz seiner Berater schon aus Zeitgründen zu trauen haben? Ferner: Gibt es nicht hervorragende Programme, die selbst den weitgehend Ahnungslosen sicher anleiten?

Ihr habt, liebe Schüler, mit eurer Klage durchaus recht. Steuerkunde ist nicht völlig sinnlos. Aber ich bin mir sicher, es würde ausreichen, in einer der letzten Klassenstufen, vielleicht im Planspiel, fiktive Einnahmen zu versteuern. Zwei Doppelstunden, euer Bewusstsein zu schärfen, euer Interesse zu wecken! Denn es gibt durchaus einige Dinge, die ein Steuermensch wissen sollte, bevor er zur Kasse gebeten wird. Keine Sorge, das tiefere Warum und das verzweigte Wie soll uns hier nicht kümmern. Die Feinheiten der Einkommenssteuerklärung wollen euch offenkundig nicht einmal die Finanzämter zumuten – wären deren Schülerseiten sonst nicht etwas anschaulicher, nicht gar so kompliziert? Ich wage mich, als Laie, an eine kurze Zusammenfassung. Vier Hinweise sollten einstweilen genügen.

Sobald ihr Geld verdient, eurem Elternhaus entwachsen seid und einen eigenen Haushalt führt, seid ihr steuerpflichtig. Was müsst ihr tun? Erstens: Anstelle euch anschweigen zu lassen von Formularen des Finanzamts, wendet euch an erfahrene Steuerzahler, an Experten. Setzt ein geeignetes Programm ein, künstliche Intelligenz, die euch berät. Zweitens solltet ihr den Steuertermin beachten. Überziehen kostet Geld und Nerven. Keine Steuererklärung sollte erst kurz vor der Abgabefrist fertig werden! Drittens: Macht euch kundig, welche Ausgaben euch beim Finanzamt angerechnet werden. Kauft, mietet und bezahlt so, dass ihr Steuern spart. Verteilt eure Ausgaben so über die Jahre, dass sie sich tatsächlich auswirken. Viertens: Ihr müsst Belege sammeln. Welche? Das hängt davon ab, womit ihr euer Geld verdient. Falls ihr ordentlich genug seid, könnt ihr eure Belege in einer Tabelle zusammenführen. Das ist nicht schwierig. Man lernt es beim Tun.

Ich halte etwas anderes für wichtiger. Steuern sind ein wichtiges Thema – in Gemeinschaftskunde, Politik und Wirtschaft, auch in Mathe. Hier solltet ihr lernen, was Steuern nicht sind: kein Zehnt, den ihr zähneknirschend ausbeuterischen Vögten vor die Füße werft, damit sich Seine Gnaden Porzellanschlösser hinstellt; keine Zwangsabgabe, mit der euch verkappte Kommunisten den Wohlstand entreißen, um Autobahnbrücken ins Nichts zu bauen. Nein, die Elster ist nicht nur diebisch!

Steuern sollten Gaben sein, die man gern gibt, auch wenn man es muss: dafür, dass Politiker tun können, wofür man sie wählt; dafür, dass der Staat in seinen Gliedern funktioniert; dafür, dass wir alle dazu beitragen, dass wir und alle anderen besser leben. Wir brauchen gewiss keinen Unterricht darin, wie man den Staat bescheißt. Mangelnde Ehrlichkeit in Steuerdingen macht euch nicht zum Robin Hood; wer dem Staat nimmt, was der Staat braucht, bestiehlt nicht die Reichen, sondern die Armen! Es mag sein, dass der Staat allerhand falsch macht mit dem Geld eurer Eltern, mit eurem Geld, wenn es denn soweit ist. Letztlich seid ihr es wieder, die darüber entscheiden – später, mit dem Wahlzettel. Nehmt das Steuer in die Hand!

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