Tiere & Kultur

Tiere begleiten die kulturelle Entwicklung des Menschen - als Nutztier oder als Haustier, als jagdbares Wild oder als Jäger des Menschen. Tiere sind Nützlinge, Lästlinge oder Schädlinge. Auch Tiere ohne vordergründige Beziehung zum menschlichen Alltag sind in der Kultur gegenwärtig - in der Sprache und in den Künsten. Ziel dieses Lexikons ist es, dieser Symbolik im Kulturvergleich nachzuspüren.

Ameisen

 

Ameisen werden von einem Gottlosen zerstampft (Babrios: Der Spruch der Götter), beißt einen Vogelfänger ins Bein und rettet damit einer Taube das Leben, die ihr selbst einmal das Leben gerettet hat (Heinrich Steinhöwel: Ameise und Taube)

Apollofalter

 

Aufgrund seiner alpinen Heimat und der namentlichen Verbindung zum Gott der Dichtkunst ist der Apollofalter ein Symbol des in einsamer Höhe über dem Abgrund flatternden Genies bei Uhland (An Apollo, den Schmetterling) und als Geist alpiner Größe bei Guido Gozzano (Dall'Epistola VIII).

Adler

 

Bei Babrios tötet der Adler einen prahlerischen Hahn (Babrios: Die Kampfhähne), entführt bei Steinhöwel hochmütig junge Füchse und wird daraufhin vom alten Fuchs ausgeräuchert (Heinrich Steinhöwel: Der Adler und der Fuchs)

Affe

 

weiser Richter über Wolf und Fuchs (Phaedrus: Der Wolf und der Fuchs am Richterstuhl des Affen), Affe hängt am Metzgerstand, sein Kopf als Ausweis schlechten Geschmacks (Phaedrus: Der Fleischer und der Affe), bittet den Fuchs um ein Stück des Schwanzes (Konrad von Würzburg: Fuchs und Affe)

Biene

 

tadelt als fleißige Nektarsammlerin die faul in ihrem Netz wartende Spinne (Johannes Pauli: Die Spinne und die Biene)

Esel

 

verweigert sich der Mast, weil er Zeuge einer Opferung eines gemästeten Schweins wird (Phaedrus: Der Esel und die Ferkel), ungeschickter Esel will den Herrn liebkosen, wie er es beim Hündchen beobachtet hat (Gesta Romanorum), die Stimme eines eitlen Pfaffen ähnelt der eines Esels (Ulrich Boner: Von einem Pfaffen und einem Esel), überlistet einen hungrigen Wolf (Heinrich Steinhöwel: Von Wolf und Esel), der Esel belehrt seinen Herrn durch Mäßigkeit im Trinken (Johannes Pauli: Der Herr und sein Esel), ein Esel geht an seiner Last zugrunde, weil das Pferd hochmütig seine Hilfe verweigert (Sebastian Brant: Das Pferd verweigert dem Esel seine Hilfe)

Eule

 

tötet lärmende und überdies eitle Grille (Phaedrus: Das Heimchen und die Eule)

Fledermaus

 

Mythologie. Indien. In einer indischen Kosmogonie ist es die Fledermaus, die mit ihrer Landung an den Zweigen eines Baums nach endlosem Flug über Wasserflächen den Gott Sibrai dazu bewegt, eine Landfläche zu schaffen, auf der Krähen, Begleiterinnen der Fledermaus, Flüsse graben. Zuletzt wird auch der Mensch eingesetzt (Haussig / Schmalzriedt, I, V, S. 721-722). Eine andere Mythe des Volks der Abor berichtet, die Fledermaus habe die Menschen dazu bewegt, eine Tochter statt einer Göttertochter der Sonne zu opfern - seitdem seien die Menschen sterblich (Haussig / Schmalzriedt, I, V, S. 766). Griechenland. Für den Frevel, zur Unzeit Minervas Werk (Flechten, Spinnen) vollbracht zu haben und ein Fest des Bakchos versäumt zu haben, werden die Töchter des Minyas in Fledermäuse verwandelt: "Während sie Winkel erspähn, da umläuft die verkleinerten Glieder / Dünne Haut, und bedeckt mit zarten Schwingen die Ärmlein / Auch nicht einmal, wie ihnen die vorige Bildung dahinschwand / Ließ sie das Dunkel erkennen. Es hob nicht jene Gefieder; Dennoch trugen sie sich auf matt durchscheinenden Flügeln. / Rede versuchten sie jetzt; und der feineste Laut für den Körper / Schwirret hervor; und sie üben mit zirpender Stimme die Klagen. / Häuser bewohnen sie nicht gern, nicht Waldungen; immer noch lichtscheu / Schwärmen sie in der Nacht als Fledermäus' in der Dämmrung. (Ovid, Metamorphosen, IV, 405-415). Der Aufklärer Johann Wilhelm Ludwig Gleim erklärt in einer seiner Versfabeln (Die Fledermaus), wie die Fledermaus zu ihren Flügeln kommt und weshalb sie nur des Nachts gesichtet wird. Zeus verleiht ihr "zum Zeitvertreib" Flügel, und "Halb Vogel und halb Maus" erhebt sie sich in die Lüfte - weil Merkur sie daraufhin auslacht, fliegt sie künftig nur noch nachts (Aus: Sämtliche Werke, III. Hildesheim / New York 1971, S. 311-312). Auf Ovid, allerdings nicht auf die Minyaden des IV. Buches, bezieht sich Georg Christoph Lichtenberg in einem Aphorismus aus den Sudelbüchern: "Eine Fledermaus könnte als eine nach Ovids Art verwandelte Maus angesehen werden, die, von einer unzüchtigen Maus verfolgt, die Götter um Flügel bittet, die ihr auch gewährt werden." (Aus: Schriften und Briefe, 1: Sudelbücher, D 64. Frankfurt a. Main 1983, S. 168).

Tiere der Dunkelheit. Fledermäuse sind, schon dem lateinischen Namen verspertiliones (lat. vesper = Abend) nach, Tiere des Abends, der Dämmerung, der Nacht. Die meisten Autoren haben Fledermäuse daher als Nachttiere angesprochen: der israelische Lyriker Dan Pagis nennt sie "Flüchtlinge des Lichts" (Fledermäuse, in: Erdichteter Mensch, Frankfurt a. M. 1993), sein Landsmann David Rokeah stellt fest: "Die Nacht / Verteidigt die Dunkelhäutigen, [...]" - gemeint sind (unter anderen) die Fledermäuse. Den Leser fordert er auf, es der Fledermaus nachzutun, die "Reste fand / einer Fledermaus aus der Vorzeit zwischen den Ölbäumen / und fragte nicht nach ihrem Alter." (Fledermaus, in: Jerusalem. Gedichte. München ( Wien, 1980). Jean de La Fontaine verwendet in La Chauve-Souris, le Buisson, et le Canard die nächtliche Lebensweise und das Versteckspiel der Fledermäuse als Bild für den heillosen Zustand des Bankrotteurs, der sich, von Geldeintreibern verfolgt, nie bei Tageslicht zeigt und sich in enge Schlupfwinkel zurückzieht (Aus: Les Fables, XII). Diese Fabel ist auf die annähernd übereinstimmende Fabel Die Fledermaus, der Brombeerstrauch und der Wasserrabe aus dem Fabelbuch Äsops zurückzuführen, in der es von der Fledermaus heißt, sie ließe sich nur noch nachts sehen, um ihren Gläubigern zu entgehen.

Boten der Vergangenheit. Vermutlich ist es die schon früh beobachtete Neigung der Fledermäuse für alte Gemäuer, die Fledermäuse zu Boten der Vergangenheit werden lässt. Der tschechische Lyriker Konstantin Biebl (Fledermäuse) unterstellt dem Gewimmel der Fledertiere an den Mauern einen verborgenen, urzeitlichen Sinn: "Wer bedeckt des Nachts die Mauern / Mit diesem Gekritzel / Aus Gott weiß was für einem versunkenen Reich".

Tiere zwischen Himmel und Erde. Als einzige Säugetierordnung, die sich nicht nur gleitend, sondern voll flugtüchtig den Luftraum erobert hat, sind die Chiroptera allerhand Verdächtigungen ausgesetzt: sie sind weder Maus noch Vogel, weder Landwesen noch Lufttier. Ein Märchen aus Burma, das den Kampf der Vögel unter der Führung des Adlers gegen die Landtiere im Gefolge einer alten Riesenschlange schildert, lässt die Fledermäuse zunächst auf der Seite der Schlange, dann auf der Seite des Adlers stehen. Nach dem Friedensschluss wird sie verhaftet und fliegt nur noch nachts, um sich nicht dem Spott der anderen Tiere auszusetzen (Aus: Märchen der Völker Burmas. Frankfurt a. Main / Leipzig 1993, 262-265). Interessant, dass Gerhard von Minden, der bedeutendste Chronist der Weserstadt und zugleich ein wichtiger Vertreter der mittelniederdeutschen Dichtung, fast dieselbe Geschichte erzählt: anstelle der Schlange kämpft hier freilich der Löwe als Führer des Landheers. Der Verrat bleibt auch hier nicht folgenlos für die Fledermaus: "Von beiden Seiten wurde geurteilt, / daß man ihr wegen ihres untreuen Wesens / die Federn abnehmen solle / und sie auch aus der Reihe der Tiere ausschließe. / Dadurch kommt es, daß die Fledermaus / weder hierhin noch dorthin gehört; / deswegen wird sie auf lateinisch / vespertilio genannt." (Aus: Deutsche Fabeln aus tausend Jahren, hrsg. Josef M. Werle. München 1998, S. 41-45). In einem Jammerlied der Fledermäuse mit Troststrophe scherzt Reiner Kunze: "Fledermaus, Fledermaus, / Flederhund, Flederlaus, / Fledergeist, / Flederwisch, / weder Fleisch noch Fisch." Die Trostrophe endet mit den tröstlichen Versen: "Augen matt, Stirnen platt - / Mißgeschöpfe, fürwahrt! / Wer aber hat, wer aber hat / in jedem Ohr ein Radar?!" (Aus: Gedichte: Frankfurt a. Main 2001, S. 326-327). Das Motiv der opportunistischen Fledermaus ist in Fabeln nicht selten: Jean de La Fontaine erzählt in seiner Versfabel La Chauve-souris et les deux Belettes (Les Fables, II) zuerst als Vogel einem auf Mäuse lauernden Wiesel entkommt und dann als Maus einem auf Vögel wartenden Wiesel entrinnt. Fledermäuse werden häufig in Zwischenwelten angesiedelt: in Zwischenzeiten und Zwischenräumen. Konstantin Biebl sieht in ihnen gefallene Engel, die "Mit gedämpftem Lachen in den Abgrund [fliegen] / Um dann wieder am Himmel zu erscheinen / Wie Spuren unbekannter Kometen." Ted Hughes verschmilzt in seinem an Sylvia Plath gerichteten Gedicht über Die Höhlen von Karlsbad den Abendflug tschechischer Fledermäuse mit dem Beuteflug mexikanischer Fledertiere im Tal des Rio Grande. Die ungeheure Größe des Schwarms lässt ihn den Zug der Tiere einem "dampfenden Drachen", einer "gigantischen Schlange" vergleichen, der am Himmel aufsteigt und dann wie der "unermeßliche, zerlumpte Körper des Flaschengeistes / [...] in die Phiole" zurückströmt. Er fügt als abschließende Sentenz hinzu: "Im Gegensatz zu uns / Wußten sie, wie und wann man sich von der Liebe / Lossagen muß, die Himmel und Erde bewegt." (The Karlsbad Caves, in: Birthday Letters, 1998). Marie Luise Kaschnitz lässt die in Ostia Antica aus den Höhlungen unter der längst nicht Meer liegenden Hafenstadt aufflatternden Fledermäuse ein unwirkliches Zwischenreich zwischen Tod und Leben durchfliegen: "Asphodeloswiese / Fledermäusekreis / Diesseits oder drüben / Wer das weiß - " (Aus: Werke, V: Die Gedichte. Frankfurt a. Main, 1985, S. 287). Die Zwittrigkeit der Fledermaus kann, das ist bereits in den Fabeln Äsops geschehen, zur Metapher werden. In Clemens Brentanos "verwildertem" Schauerroman Godwi unterhalten sich der Sprecher und eine Brünette über die Unsterblichkeit, und eben dafür macht der Erzähler die Fledermaus zum Symbol: "O weh, es ist Abend, ganz dunkel, es ist eine Fledermaus in der Stube. Ach je, es ist mir eine Fledermaus was Schreckliches; keine Maus, kein Vogel, gar nichts, [...], und die Fledermaus fliegt mir immer um den Kopf herum, sehen Sie, gerade wie die Fledermaus ist Ihre Unterblichkeit, sie kriecht nicht, wie andre honette Mäuse, sie fliegt nicht, wie andre honette Vögel." (Aus: Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter, in: Werke, II. München 1987, S. 267).

Die Fledermaus, das verkehrte Wesen. Fledermäuse, jedenfalls einige für die menschliche Vorstellung prägenden Arten, hängen kopfunter an Höhlenwänden. Dieser Umstand lässt sie als Symbole der Verkehrung durch so manche Dichtung flattern. Der guatemaltekische K'iche'-Lyriker Humberto Ak'abal (Fledermäuse, in: Trommel aus Stein. Zürich: 1998) nützt diesen Umstand in einem reizvollen Gedicht, das die menschliche Perspektive durchkreuzt, indem er sie umkehrt (die vier folgenden Verse liegen überkreuz - ein Chiasmus): "Wenn das Dorf auf den Beinen ist, / stehen die Fledermäuse kopf; / Wenn das Dorf kopfsteht, / sind die Fledermäuse auf den Beinen. // Sie warten, bis es dunkel ist, / damit sie ihren Weg sehen." Die hängende Lebensweise der Fledermäuse ermöglicht es auch dem japanischen Haiku-Lyriker Kikaku, einem Schüler Bashos, von den umherhuschenden Fledermäusen die assoziative Verbindung zu "Kleidern, aufgehängt zum Trocknen" herzustellen. Die Beschreibung der Fledermaus als alter Fetzen oder gar als Regenschirm kommt nicht selten vor - eine Stelle aus D. H. Lawrences Bats mag dafür als Beispiel gelten; die Fledermaus erhebt sich "Like a glove, a black glove thrown up at the light". Auch Rudolf Kassner sieht in der Fledermaus etwas Verkehrtes, Ungehöriges, das er an ihrer Fortbewegungsart nachweist: "Ich möchte sagen, in ihrem etwas zitternden, schwankenden, gespenstischen Fluge fehlt die reine Linie und Balance des Eies, welche Sie im Vogelfluge nur ungeheuer vergrößert und über den Himmelsraum verteilt wiederfinden müssen" (Aus: Sämtliche Werke, III. Pfullingen 1976, S. 205). Vor dem Hintergrund dieser Kassner-Stelle lässt sich mit einiger Berechtigung die Achte Elegie aus den Duineser Elegien Rainer Maria Rilkes lesen, die keinem anderem als Rudolf Kassner zugeeignet ist. Darin heißt es, in Anlehnung an Kassners Urteil über die missratene Fledermaus: "Und wie bestürzt ist ein, das fliegen muß / und stammt aus einem Schoß. Wie vor sich selbst / erschreckt, durchzuckts die Luft, / wie wenn ein Sprung / durch eine Tasse geht. So reißt die Spur / der Fledermaus durchs Porzellan des Abends." (Aus: Werke, II. Franfurt a. M. / Leipzig 1996, S. 226).

Die unzufriedene Fleder. Eine ganze Reige von Fabeln und Mythen sucht zu erklären, wie die Fledermaus ihre Flugfähigkeit erworben hat. Nicht wenige sehen darin eine Gier eines landlebenden Tier, anmaßend die Grenzen zum Luftraum zu überschreiten. Vergleichbares erzählt James Thurber von einer Fledermaus, die Unsterblichkeit anstrebt und deswegen ihre hängende Lebensweise verabscheut - von ihrem Wunsch heilt sie erst der Besuch einer Predigt, die ein fanatisierter Evangelist hält (The Bat, in: Fables for our Time. New York: 1940).

Fledermäuse, Dämonen. Nicht nur dem Vampir, auch vielen anderen Wesen der Finsternis musste die Fledermaus ihre Schwingen leihen. Die nächtliche Lebensweise, der schrille Schrei, die Heimlichkeit, der lautlose Flug, die schauerlichen Wohnstätten, das Überkopfhängen - all das hat im Abendland dazu beigetragen, aus einem nützlichen kleinen Wesen eine Ausgeburt der Hölle zu machen. Viel vom eben Erwähnten hat D. H. Lawrence in seinem Romgedicht Bats verarbeitet, in dem er die Ablösung der hoffnungsträchtigen Schwalbe durch die "Black piper on an infinitesimal pipe" beschreibt: "Creatures that hang themselves up like an old rag, to sleep; / And disgustingly upside down. / Hanging upside down like rows of disgusting old rags / And grinning in their sleep. / Bats!" Ekelhaft kopfüber hängen Fledermäuse, so wie das lyrische Ich D. H. Lawrence sie sieht: "Not for me!", so schließt der Sprecher. Ambivalent erscheint die Fledermaus im zweiten Gedicht, das D. H. Lawrence, ebenfalls in Rom, über eine ermüdende Fledermausjagd in einem Hotelzimmer verfasst hat - das Gedicht, das zwischen lautem Anreden einer Fledermaus und leisem Monologisieren hin und her blendet, heißt Mensch und Fledermaus. Es überwiegen aber Schilderungen des sitzenden Tieres, die nichts weniger als schmeichelhaft für das Tier sind: "Mit hervorstehenden Perlbeerenaugen, schwarz, / und unpassenden höhnischen Ohren / und angelegten Schwingen / und braunem pelzigen Leib. // Brauner, nußbrauner pelz! Doch es hätte ebensowohl Spinnenhaar sein können; Ding / mit langen schwarzen Ohren. [...] Da kauerte sie, wie etwas Unreines!" (Aus: Vögel, Blumen und wilde Tiere. Bonn 2000, S. 78-79.. Eine dämonische Frau stellt Gertrud Kolmar in Troglodytin vor - auch hier kommt der Fledermaus die Aufgabe zu, in einer widernatürlichen Verbindung mit dem menschlichen Körper das Unheimlich-Teuflische herbeizubannen: "Schwer an trankgeschwellten Eutern / Hängen Kind und Fledermaus, [...]." (Aus: Das lyrische Werk. München 1960). Als Dämonentiere sind Fledertiere häufig auch Bestandteil von Hexenmenüs und der Sprüche, die vollbürtige literarische Hexen darüber ausstreuen. Vermutlich ist auch Wolfgang Weyrauchs refrainartig eingeschobener Zweizeiler in Fledermaus und Thymian als magische Gnome zu lesen: "Fledermaus und Thymian, / dreimal bitter-böser Hahn". (Aus: Dreimal geköpft. Assenheim 1983, S. 63-64). Geradezu zu einem dämonischen Überwesen, das zuletzt über den Kamin genagelt werden muss, macht Vicor Hugo die Fledermaus in seinem balladesken Gedicht La chauve-souris, ins Deutsche übertragen von Ferdinand Freiligrath: "O du, des Käuzleins Schwester und der Eule! / Die Töchter Satans rufen mit Geheule / Dich an, dir opfernd, was auf Gräbern wächst! / Flieh' mein Asyl! verhaßt ist mir dein Schauen! / Nicht meine Lyra streife mit den Klauen, / Aus Furcht, daß Tote du erweckst!" (Aus: Freiligrath: Werke, Hamburg o. J.)..

Fledermäuse und Frauen. Woher wohl die unbegründete Vermutung stammt, dass Fledermäuse nichts sehnlicher suchen als lang wallendes Frauenhaar? Diese Vorstellung jedenfalls wird in der Literatur durchaus gepflegt, und nicht immer sind damit so wohlwollende Einstellungen verbunden wie bei Wislawa Szymborska, der polnischen Nobelpreisträgerin von 1996, die in einem Überraschendes Wiedersehen schreibt: "Die Fledermäuse sind längst aus unseren Haaren geflüchtet." (Aus: Hundert Freuden. Frankfurt a. Main 1986, 144). In einem Unsinnsgedicht Christian Morgensterns, Die Fledermaus, entsetzt sich eine Gasthausgesellschaft über den Anflug einer Fledermaus: "Der Damen Schar: / 'Mein Hut! Mein Haar!'" (Aus: Alle Galgenlieder. Frankfurt a. M. 1992, S. 237). Auf die besondere Neigung der Fleder zur Frau spielt auch Ludwig Christoph Heinrich Hölty in seiner Petrarchischen Bettlerode an: "Wär" ich nur das Fledermäuschen, / Das um ihre Mütze schwirrt." (Aus: Gesammelte Werke und Briefe, Göttingen 1998, S. 193-194). Vermutlich bezieht sich auf dieses Verhalten, der Fledermaus zu Unrecht unterstellt, auch die Titulierung Kupidos in einem Lied aus des Knaben Wunderhorn: Kupido verlangt, von einer Schönen ins Bett gelassen zu werden; diese weigert sich und spottet: "Anstatt der Liebesglut / Gehört dir noch die Rut, / Du Fledermaus!" (Kupido die Fledermaus, in: Des Knaben Wunderhorn, II. München 1987, S. 267).

Fledermäuse und Vampire. Was die Fledermäuse zu dämonischen Wesen macht, das lässt sie selbst vor der Entdeckung blutleckender Vampirfledermäuse in Südamerika zu geeigneten Gefährten oder Erscheinungsformen von Vampiren werden. Fledermäuse tragen die Opfer des Vampirs auf sein Schloss, der Vampir dringt als Fledermaus in die Schlafkammer des Opfers ein. Mit dem Vampirmythos spielt Hans Carl Artmanns humoristischer Kinderreim: "Seht, die flinke Fledermaus, das in den ersten Versen das Bild der unheimlichen Fledermaus entwirft, um es dann in Diminutive aufzulösen: "seht, die flinke fledermaus, / wie sie durch die wolken saust, / wie sie drin im mondlicht schwebt, / s mäulchen ganz von blut verklebt." Die Fledermaus, fährt Armann fort, lebe in ihrem "roten kämmerlein" vom "blut der äderlein"; die Auflösung bringt der Schluss: "schon seit vielen hundert jahr, / bringt sie kinder in gefahr, / und in transsylvania, / wo sie schon so mancher sah, / heißt sie fräulein drakula." (Aus: Allerleirausch. München 1997, S. 97). Artmann spielt auch in seiner polyglossen Satire Drakula Drakula mit dem Mythos des transsylvanischen Vampir-Unwesens. Fledermäuse sind Stimmungsträger, wenn Artmann die Abenddämmerung um das Vampirsschloss beschreibt: "Vor den hohen fenstern bewegen sich fledermäuse im traum, ihre flügel zucken in regelmäßigen abständen wie sinistre spielzeuge, aufgezogen von einem monsterkind." Wenig später rauben eben solche Fledermäuse die junge Edwarda: "Eine schar fledermäuse dringt in das badezimmer ein und entführt Edwarda aus der wanne, fliegt mit ihr hinweg über den mondüberglänzten herbstwald." (Aus: The Best og H. C. Artmann. Frankfurt a. M. 1970, 300-310).

Dichter als Fledermäuse. Günter Kunert hat eine kaum den engagierten Dichter verhüllende Parabel auf Fledermäuse geschrieben: Die Schreie der Fledermäuse (Aus: Die Schreie der Fledermäuse. München / Wien, 1972). Wie Fledermäuse ohne ihren nur ihresgleichen hörbaren Schrei orientierungslos sind und zuletzt tot zur Erde fallen, so muss der Dichter von seiner Stimme Gebrauch machen. Wie Fledermäuse dazu verhelfen, dem Aufschwung des Ungeziefers engegenzuwirken, so gebietet der Lyriker dem Aufkommen der Schlechten Einhalt.

 

Fliege

 

Hoffahrt. Vermutlich ist es die unterschiedslose Schamlosigkeit der Fliege, die sie zum Sinnbild der Hoffahrt gemacht hat: auf Königskronen sitzt sie ebenso behaglich wie auf der Spitze eines Misthaufens. Eine Fliege schmäht trotz eigener Ohnmacht einen willfährigen Maulesel (Phaedrus: Die Fliege und der Maulesel). Bei Johann Wilhelm Ludwig Gleim, in seiner Reimfabel Die Ameise und die Fliege, gerät die Fliege mit einer Ameise aneinander, der sie verächtlich entgegenhält: "'An allen Orten / Bin ich oder kann ich sein, / Kannst du das mit deinem Bein?" Selbst im Olymp sei sie mit ihrem Elefantenrüssel zu Gast. In einer an die Äsopsche und Luthersche Fabel von der Landmaus und der Stadtmaus erinnernden Erwiderungsrede preist daraufhin die philosophische Ameise ihre ruhige Lebensweise jenseits aller Fliegenklappen. Auch in einer Gellertschen Reimfabel Die Fliege erweist sich die Fliege als nicht eben bescheiden: eine Spinne, als Architektin eines Netzes offenbar kunstsinnig, und eine ignorant-überhebliche Fliege kommen über den Kunsttempel ins Gespräch, den sie bewohnen. Die bejahrte Spinne vertritt die Ansicht, angesichts von "Gesetz und Ordnung" im Bau könne dieser nur eine Schöpfung der Kunst sein. Die Fliege dagegen hält es mehr mit den Atomisten: "Es kamen einst von ungefähr / Viel Steinchen einer Art hieher / Und fingen an, zusammen sich zu schicken. / Daraus enstand der hohle Stein, / In welchem wir uns beid' erblicken." Menschen werden Fliegen. Der Kinofilm "The Fly" von Kurt Neumann hat 1958 die heute wohl bekannteste Umformung eines Menschen in eine Fliege dargestellt: die des Teleportationsforschers Al Delambre, den schließlich die entsetzte Ehefrau in einer Presse zerquetscht. Jedoch gibt es bereits in den Serapionsbrüdern E. T. A. Hoffmanns eine schauerlich-komische Episode, die diese Metamorphose vorwegnimmt und in ihrer Zweideutigkeit auf Kafkas VerwandlungInsektarium, die den Titel Der hilflose Ehemann trägt: ein Ehemann sucht seine Frau zum Essen zu überreden, sie schrumpfe bald auf die Größe einer ihr befreundeten Stubenfliege namens Elvira, die in der Küche ihr Unwesen treibt. Sprachlich wird die Verwandlung deutlich durch Vergleiche: "als wollte SIE sich veruppen", sitzt die Ehefrau laut Regieanweisung vor der Küchentür, ständig ein Ohr "wie ein Saugnapf an der Tür". Menschen können zu Fliegen werden, aber auch der Vermenschlichung einer Fliege steht literarisch nichts im Weg. Von Herbert Eulenberg gibt es gar einen 1911 erschienenen Roman mit dem Titel Katinka die Fliege, in dessen Mittelpunkt das Leben der durchaus bürgerlichen Stubenfliege Katinka steht, das der Erzähler durch die Fährnisse ihres Lebens mit teils possierlichen, teils zärtlichen Worten begleitet - nicht viel anders, als beschriebe er das Leben eines Bürgermädchens unter Kaiser Wilhelm. Der unliebsame Gast. Im Tapferen Schneiderlein der Grimmschen Kinder- und Hausmärchen, aber auch bei Bechstein, haben sich die Fliegen auf dem Vesper des Schneiders niedergelassen, der die lästigen Gäste, "die kein Deutsch verstanden", nach misslungener Vertreibung kurzerhand erschlägt. Lästlinge sind die Fliegen auch Nicolas Bouvier, der in Die Erfahrung der Welt besonders die asiatischen Fliegen in ihrer Versessenheit nach Aas geißelt: "Wenn der Mensch sich nur einen Augenblick Ruhe gönnt, hält sie ihn für ein krepiertes Pferd und macht sich über ihre Lieblingsbissen her: Mundwinkel, Bindehaut, Trommelfell. Ist man eingeschlafen, wagt sie sich weiter vor, verirrt sie sich und platzt schließlich auf ihre ureigene Manier in den allerempfindlichsten Nasenschleimhäuten, so daß man, von Übelkeit erfaßt, auffährt." Auch Heinrich Heine wird in seiner Pariser Matratzengruft von Fliegen heimgesucht (Babylonische Sorgen): ihm verwandeln sich die aus der Nähe gesehenen, überaus zudringlichen Kerbtiere in dämonische Hindu-Götter: "Mit spöttischem Sumsen mein Bett umschwirrn / Die schwarzen Fliegen; auf Nas und Stirn / Setzen sie sich - fatales Gelichter! / Etwelche haben wie Menschengesichter, auch Elefantenrüssel daran, / Wie Gott Ganesa in Hinostan.-" Aber auch Menschen können im Bild der Fliege als Lästlinge angegriffen sein. Als Metapher für die Zudringlichkeit der Vielzuvielen dient die Fliege Friedrich Nietzsche in Also sprach Zarathustra: "Deine Nächsten werden immer giftige Fliegen sein; das, was groß an dir ist, - das selber muss sie giftiger machen und immer fliegenhafter." Fliegendreck ist literarisch vielfach verwertet worden – darunter auch von Joachim Ringelnatz, der in Flie und Ele berichtet: „Fliegend entfernten sich die Fliegen. / Doch ließen sie auf Ei und Kaviar / Zwei, drei, vier Fliegenexkremente liegen.“ Fliegen und der Weg zum Mitleid. Ihre Kleinheit und ihre Verächtlichkeit scheinen den Menschen zu berechtigen, der Fliege alle denkbaren Grausamkeiten anzutun - das sicher abschreckendste Beispiel menschlicher Rohheit ist Buschs bekannter Sadist Friederich, der den Fliegen massenhaft ihre Beine abnimmt. Elias Canetti berichtet in Fliegenpein von einem Fräulein Misia Sert, aus deren Memoiren er eine von einer Schlafgenossin an Fliegen begangene Ruchlosigkeit wörtlich zitiert: "'Geduldige Studien an diesen Tieren hatten es ihr ermöglicht, genau die Stelle zu finden, durch die man die Nadel stechen mußte, um sie aufzufädeln, ohne daß sie starben. Sie verfertigte sich auf diese Weise Ketten aus lebenden Fliegen und geriet in Entzücken über das himmlische Gefühl, das ihre Haut bei der Berührung der kleinen verweifelten Füße und zitternden Flügel empfand." Auch Samuel Becketts um 1930 verfasstes Gedicht La Mouche erinnert an die absurde Allmacht des Menschen als Herr über Leben und Tod einer Fliege: "den Bauch am Boden / in ihre schwarzen Därme geschnürt / mit erregten Fühlern gefalteten Flügeln / krummen Beinen im Leeren saugenden Mund / das Blau säbelnd sich ans Unsichtbare schmetternd / bringt sie unter meinem machtlosen Daumen / das Meer und den heiteren himmel zum Schreien." Wie mildtätig scheint dagegen der von Adelbert von Chamisso besungene Basso della Penna aus Das Vermächtnis, der, in Pestzeiten von Freunden und Verwandten verlassen, nur die treuen Fliegen unter seine Begleiter rechnet. Von soviel Liebe überwältigt, gibt er seinen Nachkommen auf, "am Jakobstage ... einen Scheffel reifer Feigen" den Fliegen zum Festmahl auszusetzen. Zur Milde mahnt auch Christian Morgenstern in An eine Fliege, denn schließlich könne die lästige Fliege auch "oft der wundersame Trost / von Eingekerkerten" gewesen sein. Christian Morgenstern entwirft auch ein Fliegengedicht, das auch die Menschen - die Verhältnisse der Echtwelt umkehrend - "An Bändern von Honig kleben" lässt und in "süßliches Bier verdammt" sein lässt. Scherzhaft schließt der Sprecher des Gedichts: "In Einem nur scheinen die Fliegen / dem Menschen voranzustehen: / Man bäckt uns nicht in Semmeln, / noch trinkt man uns aus Versehn." (Auf dem Fliegenplaneten). Schon der Freiherr von Knigge bezieht die Fliege in Über den Umgang mit Menschen (Kap. Über den Umgang mit Tieren) ausdrücklich in seine Vorhaltungen ein: entsetzlich sei es, "wenn die Unbesonnenen, die mit dem Leben eines armen Geschöpfs, das in ihre kindischen Hände fällt, wie mit einem Balle spielen, Fliegen und Käfern die Beine ausreißen oder sie spießen, um zu sehn, wie lange ein also leidendes Tier in konvolusivischer Pein fortleben kann". Auch Lew Tolstoj bemerkt: "Das Mitleid bleibt immer dasselbe Gefühl, ob man es für einen Menschen oder für eine Fliege empfindet.". Das gilt, folgt man Eugen Roth ironischer Weisung in Forscherdrang, auch für gestandene Naturkundler: "Ein Kind man bös und grausam heißt, / Das einer Flieg die Bein ausreißt, / Gar, wenn es sie in Tinte taucht / Und schaut wie sie am Löschblatt kraucht, / Dann ist das scheußlich und gemein, / Der Forscher darf so was allein! / Denn der stellt fest, wann sie verstummt, / Und ob sie mit den Flügeln brummt." Auch Yatoro Kobayashi, unter dem Namen Issa als Haiku-Dichter namhaft, setzt sich in seinem Dreizeiler Bitte für das schwache Insekt ein: "Töte sie nicht! / Bittend ringt die Fliege / ihre Hände, ihre Füße." An die Präzision eines Basho, gleichwohl ungeachtet der anderen Regeln des Haikudichtens, stellt Ernst Jandl dem Leser in einem kleinen Alltagsbild den Wimpernschlag der Ewigkeit vor, wenn er schreibt: "ein stückchen schwarzer wolle - nein / eine fliege, daneben / ein zartes bein" (im bett, beim erwachen). Das Gedicht die morgenfeier, 8. sept. 1977 für Friederike Mayröcker überarbeitet diese Beobachtung, verstellt dem Leser aber durch seine breitere Darstellung und die verfremdende Sprachwahl den Weg zum Mitleid: "finden auf den linnen ich kein flecken / losgerissen nur ein zartes bein / und die andern beinen und die flügeln / fest an diesen schwarzen dings gepreßt / der sich nichts mehr um sich selbst bemüht / ach, der morgen sein so schön erglüht." Mitleidlos mordet der Mensch seinesgleichen in Millionenzahl, so Albert Vigoleis Thelen zynisch in Die Insel des Zweiten Gesichts von 1981, mitleidlos, wie er den Fliegen nachstellt: "Eine Fliege, an einem melancholisch summenden Sommermittag, allein mit ihr und einwem Band Gedichte in der Stube, wer vermöchte ihr ein Leid zu tun, wenn sie um eine imaginäre Mitte ihre Spiele treibt, wo auch wir um eine Mitte treiben, die wir wohl ahnen, aber nicht bestimmen können? Doch zu Tausenden, dann saust die Klappe und spritzt das Blut. Der Mensch ist dem Menschen ein Moloch und der Fliege ein Hund, der nach ihr schnappt." Ein mitfühlendes Verschen aus dem Fundbüro hat Joachim Ringelnatz der Fliege gewidmet: „Die Fliege ist ein armer Schlucker. / Wer ihre Lebenskürze kennt, / Gönnt ihr das Bißchen Milch und Zucker / Und schlägt sie nicht vom Exkrement.“ Eine etwas eigenwillig-skurrile, dabei aber humane Art der Fliegenbekämpfung erfindet Georg Lichtenberg in einem Aphorismus aus den Sudelbüchern: „Jemand wollte einmal seinen Fliegen in der Stube den Zucker abgewöhnen, und das hat ihn ein halbes Pfund Zucker gekostet, und doch kamen immer welche, die ihn nicht verschmähten.“ Ein wahres Beispiel edler Gesittung gibt Friedrich Hebbels Sprecher des Gedichts Schwalbe und Fliege. Aus dem Schnabel einer verstorbenen Schwalbe befreit er eine Fliege: „Mittags, der längst Erstarrten den Schnabel öffnend, erspäht’ ich / Eine Fliege im Schlund, welche sie halb nur verschluckt. / Diese zappelte noch, ich zog sie hervor, und, die Flügel / Trocknend im Sonnenstrahl, schwirrte sie bald mir davon.“ Sterben wie die Fliegen. Die Kurzlebigkeit der Fliege hat ihr einen Ehrenrang in der Gallerie der Vergänglichkeitssymbole verschafft. Fliegen sterben in der Literatur - wie die Fliegen, ist man zu sagen versucht. Auf Vanitasstilleben sitzt sie auf bereits faulenden Früchten, und auch in der Predigtliteratur des Barock ist sie bekannt. Christian Scriver (zit. n. Gottholds Zufällige Andachten oder Erbauliche Reden. Basel 1893, S. 228 f.) mahnt seine Leser: [...] Den Tod zweier Fliegen besingt Christian Fürchtegott Gellert in seiner Versfabel Der Tod der Fliege und der Mücke: die Fliege stirbt an übermäßigem Genuss ihrer Sinne im Weinglas, die Mücke gibt sich zu leidenschaftlich der im Licht veranschaulichten reinen Erkenntnis hin. Den so Verschiedenen ruft der Sprecher hinterher: "Ruht wohl und laßt zu euren Ehren / Mich sagen, daß ihr menschlich starbt." Aus der Verbundenheit im Schicksal lässt sich, so Johann Gabriel Seidl in Die Eintagsfliege, eine sittliche Verpflichtung ableiten. Eingedenk seiner eigenen Sterblichkeit soll einer, der eine Fliege "morden" will, Mitleid haben: "O laß sie leben, laß sie schweben, / Bis ihre Feierstunde schlug: / Ihr Himmel ist ein Eintagsleben, / Ihr Paradies ein Abendflug." Auch Ludwig Tieck verfällt im Zeichen der Fliege romantischer Melancholie: "Mein Leben ist weniger als ein Possenspiel, nüchterner als das Erwachen nach einem Rausch, und mein Tod wie das Vergehen der Fliege an der Wand, ein Verhauchen, spurlos und geräuschlos, kein Wesen wird mich vermissen, auch der schwächsten Seele wird nicht nach mir bangen: ich war tot, längst eh ich gestorben war." Vom Sterben der Fliegen spricht auch der Erzähler in Rilkes Malte Laurids Brigge - die befremdende Erzählhaltung setzt sich in Rilkes Roman fort bis in die Beschreibung dieses herbstlichen Absterbens, und Brigge unterscheidet sich in seinem Überdruss nicht viel von den Fliegen: "Sie waren merkwürdig vertrocknet und erschraken bei Ihrem eigenen Summen; man konnte sehen, daß sie nicht mehr recht wußten, was sie taten. Sie saßen stundenlang da und ließen sich gehen, bis es ihnen einfiel, daß sie noch lebten; dann warfen sie sich blindlings irgendwohin und begriffen nicht, was sie dort sollten, und man hörte sie weiterhin niederfallen und drüben und anderswo. Und endlich krochen sie überall und bestarben langsam das ganze Zimmer." Das herbstliche Absterben der Fliegen, das die Melancholie der heraufziehenden dunklen Zeit ankündigt und den Menschen an seine Sterblichkeit erinnert - auch Alfons Paquet beschreibt es in Letzte Fliege. "in dieser kühlen Septembernacht so spät / (Der ersten nach dem heißen Sommer, an der mich sehr fröstelt), / Erstaunt mich eine einzige Fliege, die im Zimmer umherschießt, / Dies leichte schwarze lebendige Pünktchen, das nicht weiß, wo es sich verkriechen soll. / Sie hat mich nun entdeckt und plagt mich zudringlich, als ob sie Schutz suche; / Verjag ich sie von der Hand, so fliegt sie mir ans Kinn und ans Ohr; / Aber sie ist nicht so blitzgeschwind wie die frechen, boshaften, kitzelnden Sommerfliegen waren. / Nun fliegt sie matt ans Fenster, sie klebt auf der kalten harten Glasscheibe; / Sie rückt kaum beiseite, wenn ich mit zwei Fingern nach ihr greife." Allerdings leitet der Sprecher aus dem Sterben der Fliege keine Pflicht zur mitleidenden Fürsorge ab: "Ich fassie sie zart an und werfe sie aus dem Fenster in die kalte Nacht / Und vergesse mich und sage: armes Ding." In unvergleichlich fliegennaher – fast kann man nicht mehr sagen: neutraler – Erzählperspektive berichtet Hugo Loetscher vom Ertrinken einer Stubenfliege in der Suppe: „Ihr Flügelschlag war nur mehr ein Winken. Als sie den festgeklebten Flügel befreien konnte, hing er schwer an ihrer Seite herab, weder Klauen noch Haftläppchen boten Halt.“ Die Fliege versinkt, und ein Rückblick auf ihre Metamorphose gipfelt in dem Satz: „Ihren Tod aber fand sie in einer Beutelsuppe, die mit Suppenwürze verfeinert worden war. Geradezu schlachtfeldhaft lässt Robert Musil in seiner im Nachlass überlieferten Erzählung Das Fliegenpapier die Fliegen auf einem gelben Leimband aus Kanada sterben: "So liegen sie da. Wie gestürzte Aeroplane, die mit einem Flügel in die Luft ragen. Oder wie krepierte Pferde. Oder mit unendlichen Gebärden der Verzweiflung. Oder wie Schläfer. Noch am nächsten Tag wacht manchmal eine auf, tastet eine Weile mit dem Bein oder schwirrt mit dem Flügel. Manchmal geht solch eine Bewegung über das ganze Feld, dann sinken sie alle noch ein wenig tiefer in ihren Tod." Erich Fried spielt dagegen in seinem Gedicht Totschlagen mit dem Idiom "die Zeit totschlagen": "Erst die Zeit / dann eine Fliege / vielleicht eine Maus / dann möglichst viele Menschen / dann wieder die Zeit.". Auch in August von Kotzebues Menschenhass und Reue aus dem Jahr 1795 werden Fliegen auf höchst militärische Art ums Leben gebracht. Sie fallen unter den Streichen des alternden Generals und Grafen von von Wintersee, der auf einem Zimmer seines Schlosses folgenden denkwürdigen Monolog hält (V, I): "Ehemals zog ich gegen Menschen zu Felde, und nun gegen Fliegen. Beide sind impertinentes Geschmeiß. Den heutigen Feldzug eröffne ich aus Langerweile, wie es die großen Herren zu machen pflegen, wenn sie nichts Besseres zu tun wissen. - Kaiser Domitian schlug Fliegen tot, so gut, als ich; darüber lacht die ganze Welt: aber daß der Kaiser Karl der Große Menschen totschlug, wie Fliegen, weil sie nicht beten wollten, wie er, darüber lacht niemand; und es ist doch, bei Gott! sehr lächerlich, - Guter Domitian! deine Asche ruhet in Frieden, die Seelen der ermordeten Fliegen lassen dich ungehudelt. Selig ist der Kaiser, der fein zu Hause bleibt und Fliegen totschlägt." Miroslav Holub lässt in seinem Gedicht Die FliegeNekiya (1964) den Untergang Hamburgs im Bombenhagel, indem er das Schwärmen der Fliegen nach der Katastrophe beschreibt: "Ratten und Fliegen beherrschten die Stadt. Frech und fett tummelten sich die Ratten auf den Straßen. Aber noch ekelerregender waren die Fliegen. Große, grünschillernde, wie man sie nie gesehen hatte. Klumpenweise wälzten sie sich auf dem Pflaster, saßen an den Mauerresten sich begattend übereinander und wärmten sich müde und satt an den Splittern der Fensterscheiben. Als sie schon nicht mehr fliegen konnten, krochen sie durch die kleinsten Ritzen hinter uns her, besudelten alles, und ihr Rascheln und Brummen war das erste, was wir beim Aufwachen hörten." Ein Bote des Todes ist die Fliege auch in Klabunds Gedicht Das Ende, das in beklemmenden Bildern den Tod eines Vereinzelten zeigt: "Das Geläut der Uhr verstummte, / Mondes Antlitz ist verweint. / Und ein leeres Fenster scheint, / Wo die große Fliege brummt." Verwandt scheint das sicher bekannteste Gedicht Emily Dickinsons, Dying; auf die berühmte Anfangszeile "I heard a Fly buzz -- when I died --" antwortet die letzte Strophe: "[...] and then it was / There interposed a Fly -- / With Blue -- uncertain stumbling Buzz -- / Between the light -- and me -- / And then the Windows failed -- and then / I could not see to see --." Die Fliege aus Musenpferd. Friedrich Rückert erbaut sein Kleines Denkmal einer Fliege einer in seinem Tintenfass ertrunkenen Stubenfliege, will "Unter allen Kleinigkeiten" seiner Kunst auch ihr ein poetisches Denkmal errichten. Von der vertrauten Zweisamkeit zwischen Fliege und Dichter berichtet auch Robert Walser in seiner Skizze Die Lieblingsfliege. In dieser parodistischen Anverwandlung des Falkenmotivs aus Boccaccios Decamerone schneidet ein Dichter der ihm treu ergebenen Fliege den Kopf ab, um einer rundlichen Dame zu Gefallen zu sein, die er verehrt - allerdings lebt die Fliege auch ohne Kopf weiter in der Nähe des Dichters, und ihr in einem "köstlichen Schächtelchen" aufbewahrtes Haupt vermag auch weiter Eingebungen zu gewähren. Von Arno Holz wiederum gibt es ein Gedicht in freier Form (Nächtlicher Besuch), das die Fliege als nächtliche Besucherin vorstellt und ihr zugleich die Kraft zuspricht, im Wirrwar der Buchstaben die Hölle zu weisen: "Sie klettert über den verstaubten Büttenrand, / putzt sich die Flügel, / läuft geschäftig drei Finger breit / durch das krause Letterngewirr, / stutzt, / duckt sich und tupft mit dem Rüssel auf das Wort: / INFERNO." Margerite Duras, die in der Fliege eine Todesbotin erkennt, lässt sie in Schreiben zur Verfasserin rätselhafter Botschaften werden, die erst den Nachgeborenen begreiflich sind: "Alles schreibt um uns herum, das gilt es wahrzunehmen, alles schreibt, die Fliege, sie schreibt an den Wänden, sie hat viel geschrieben im Licht des großen Zimmers, das sich im Weiher bricht. Sie könnte eine ganze Seite füllen, die Schrift der Fliege. Dann wäre sie eine Schrift. Da sie es sein könnte, ist sie bereits eine Schrift. Eines Tages, im Lauf der kommenden Jahrhunderte würde man vielleicht diese Schrift lesen, auch sie würde entziffert und übersetzt." Gedanken um das Entziffern der Fliegenschrift macht sich auch Wilhelm Raabes Chronist aus der Chronik der Sperlingsgasse. Er fragt: "Wer weiß, was der Punkt, den der kleine Tourist da eben hinterlegt hat, eigentlich bedeutet? Wer weiß, ob es nicht ein Tagebuch ist, voll der geistreichsten Bemerkungen; ein Tagebuch, das man nur aufzurollen und zu entziffern brauchte, wie einen ägyptischen Papyrus, um wunderbare, unerhörte Dinge zu erfahren. Welch eine Revolution würde es hervorbringen, wenn man sich vor den Fliegen an der Wand schämen müßte!". Pablo Neruda sieht in Fliege, Dichter und Katze die Fliege als Mittlerin zwischen dem Dichter und der Schwalbe: "Die Fliege übt den Flug der Schwalbe, / der Dichter eifert nach der Fliege, [...]." Ludwig Börne dagegen hat sich und die Seinen in der Kampfschrift Menzel, der Franzosenfresser als lästige Fliege im Bett des deutschen Michels vorgestellt, die seine Ruhe zu vermindern, aber nicht zu brechen verstehen: "Wir sind seine Fliegen, die ihm um die Ohren summen und im Gesicht herumkitzeln; ich wenigstens glaubte nie mehr zu sein." Sein Zeitgenosse Heinrich Heine sieht die Tagesschriftsteller als "Eintagsfliegen", denen er ein Zitat Goethes hinterdreinwirft: "Matte Fliegen! Wie sie rasen! / Wie sie sumsend überkeck / Ihren kleinen Fliegendreck / Träufeln auf Tyrannennasen." Die musikalische Fliege. Nicht nur die verführerische Ähnlichkeit des Fliegenschritts mit dem Auf und Ab der Partitur haben die Fliege auch als Musiktier erscheinen lassen, sondern auch der fatale Gleichklang zwischen Fliegenschiss und Note. So spöttelt Fritz von Herzmanovsky-Orlando über die Großen der Wiener Musikgeschichte: "Was für eine direkt kindliche Freude konnten diese guten Leutchen an einem Fliegenschiß haben! Wenig hatte Gefehlt und Meister Schubert hätte ein Lied gesungen: 'Dort wo die ersten Fliegenschisse sind'. Oder Johann Strauß (der Ältere) hätte uns einen flotten Fliegenschiß-Walzer beschert." Ilya Kabakov schreibt gar in seinem Beitrag zu Das Leben der Fliegen (Ausst. Kölner Kunstverein, 1992): "Viele Grundpositionen und Schritte im klassischen Ballett /Fouetté, Pas de Deux, Pas de Trois, zweifache und dreifache Pirouette) wiederholen fast die Bewegung der Fliegenbeine auf der glatten Oberfläche eines Tisches." Auch als Geißel der Musen kann die Fliege dienen, so etwa bei E. T. A. Hoffmann in Der MusikfeindWanderungen durch die Mark Brandenburg einige Zeilen aus Theodor Storms Im Walde, die er sowohl dem Dichtervorbild als auch dem Naturvorbild summender Insekten verdankt: "Hier an der Bergeshalde / Verstummet ganz der Wind; ( Die Zweige hängen nieder, / Die blauen Fliegen summen / Und blitzen durch die Luft." Bei Storm dagegen heißt es noch: "Hier an der Bergeshalde / verstummet ganz der Wind; / die Zweige hängen nieder, / darunter sitzt das Kind. / Sie sitzt im Thymiane, / sie sitzt in lauter Duft; / die blauen Fliegen summen / und blitzen durch die Luft." Der Herr der Fliegen. Als Überträger aller Krankheiten ist den Fliegen, nicht nur der Musca domestica, der zweifelhafte Ruhm zuteil geworden, ein Bote des Satans, eine Verkörperung des Teufels zu sein. Durch sie bringt der Herr Leid über die, die er strafen will. Bei Jesaja (Jes. 7, 18) heißt es: "Zu der Zeit wird der HERR herbeipfeifen die Fliege am Ende der Ströme Ägyptens und die Biene im Lande Assur, daß sie kommen und sich alle niederlassen in den tiefen Tälern und in den Steinklüften und in allen Hecken und an jeder Tränke." In Die Fliege vor dem Fenster, berichtet von den Grimms in den Deutschen Sagen, belauscht ein böser Geist in Gestalt einer großen Schmeißfliege, wie der Langobardenkönig Kunibert mit seinem Stallmeister berät, die Adligen Aldo und Grauso zu töten. Der König hackt ihr ein Bein ab, und auch der menschlichen Inkarnation des bösen Geistes fehlt das Bein. Die Satanssymbolik wendet Luther in seinen Tischreden ins Polemische: Ich bin den Fliegen darum feind und gram, quia sunt imago diaboli et haereticorum. Denn wenn man ein schön Buch auftut, bald so fleuget die Fliege drauf und läuft mit dem Ars herum, als sollt sie sagen: Hie sitze ich, und allhier soll ich meinen Balsam oder meinen Dreck her schmieren. Also tut der Teufel auch; wenn die Herzen am reinesten sein, so kömmt er und scheißt drein." Fliege, du Kunststück Gottes. Zur Theologie der Fliege hat sich Durs Grünbein im Leserbrief eines emeritierten Theologieprofessors mit einiger Breite geäußert - angesichts der Existenz der Fliege wird die Theodizee-Debatte aufgerührt, der Streit, wie die Fliege die sintflut überlebt habe, ferner die Auseinandersetzung zwischen Funktionalisten und Negativisten. Erörtert wird, ob der Mensch erst durch die Fliege zur Sprache gekommen sei und weshalb sie als Satanstier gelte. Über die Betrachtung einer grün schimmernden Schmeißfliege gelangt Barthold Hinrich Brockes in Die kleine Fliege aus Irdisches Vergnügen in GottZeig deine Hand im Jahrbuch der Lyrik des Jahres 2001 daher: "Ich glaube die mücke / dir nicht / und die Fliege". Vor diesem Hintergrund wird begreiflich, das 2005 neue Mikrolaser dazu eingesetzt werden, einer Stubenfliege ein Brillengestell auszustanzen. Die amoureuse Fliege. Die Fliege gelangt im Gespräch dorthin, wo die Zucht der Hand und dem Blick längst Einhalt geboten hätten - als Botin der Phantasie schwebt sie in verbotene Räume oder wird gleich selbst zum Besucher. So etwa in Gottfried August Bürgers satirisch-anzüglichem Lied Stutzertändelei: der Sprecher befindet sich mit Amor im Zwiegespräch und ruft ihm schließlich zu: "In eine kleine Fliege / Siehst du, was ich erfand! / Verwandle dich und fliege / Auf ihrer Schnürbrust Rand. // Dort gleite durch die Falte. / In zarten Musselin, Bis zu dem tiefen Spalte / Des warmen Busens hin." Vermutlich ist es auch die jede Scham verletzende Triebhaftigkeit der Fliege, die in aller Öffentlichkeit ihren erotischen Instinkten nachgeht, die das Insekt zum Symbol der Lüsternheit hat werden lassen. Büchners Woyzeck, den seine Frau Marie betrügt, vergleicht das schändliche Tun mit dem der Fliegen, die es selbst auf den Händen der Menschen nicht unterlassen, für Nachwuchs zu sorgen. Friedrich von Logau macht in Von einer Fliege die auf "des süßen Mündleins Rot" seiner Chloris erschlagenen Fliege zum Gesprächsanlass: "... o wenn nur ich / Dürfte dies erkühnen mich; / Dieser Schlag, hielt ich dafür, / Diente mehr, als schad'te mir." Eher scherzhaft wendet Peter Altenberg in seiner auf Schillers Handschuh anspielenden Skizze Fliegen in der Sommer-Schwüle das Thema: ein besonders geschickter Fliegenfänger macht sich durch sein Jagdvermögen zum Liebhaber einer Dame, die den solcherlei Fähigen zunächst verachtet hatte. Aus gegensätzlichen Gründen fängt Klabunds Sprecher in Die Leiden der LiebeDes Knaben Wunderhorn, Zudringlicher Liebhaber, das zunächst in jedem Quartett eine andere lästige Eigenart der Stubenfliege nennt, um dem Ganzen dann zuletzt mit der Übertragung auf menschliche Verhältnisse eine Pointe zu drehen: "Auch ich umfliege eine, / Und sie erwehrt sich mein, / Doch find ich sie alleine, / So ist sie dennoch mein." Doch kann die Fliege auch als Minneverderbin auftreten, wenn sie wie in Eichendorffs Taugenichts den im Dorngestrüpp versteckten Voyeur aufspürt: "Aber das einemal, sie stand grade wieder am Fenster und alles war stille rings umher, fliegt mir eine fatale Fliege in die Nase und ich gebe mich an ein erschreckliches Niesen, das gar nicht enden will." Zuweilen erscheint der Liebhaber auch als Fliege, die in den Flammen der entfachten Sehnsucht verglimmt - so etwa in Hölderlins Hyperion: "Aber die reizende Flamme versucht mich, bis ich mich ganz in sie stürze, und, wie die Fliege, vergehe." Die selbstquälerische Lust am Fliegendasein erfasst auch Peter Altenbergs Erzähler, der sich der Geliebten hingibt wie die Fliege der Spinne: "'Kannst du, Anna, einer Fliege die Flügel, die Beine ausreißen und den Leib so langsam dahinsterben lassen?!? Wegen nichts, wegen einer Laune?!? Aus Ungezogenheit?!?". Wenn du es kannst, dann bin ich verloren. Denn unsere Seele ist nicht anders vor euch wie eine lebende und eingefangene Fliege." Eher ungewöhnlich dagegen sind Lieder über Fliegen, wo sie eine zu erobernde Geliebte betören sollen. Der Intrigant Leporello aus Grabbes Faust schlägt seinem Herrn, Don Juan, im Scherz folgendes Minnelied vor, um Donna Anna zu gewinnen: "Ein Käfer auf dem Baume saß - Brumm, Brumm, / Die Fliege, die darunter saß - Summ, Summ, / Fliege, willst du mich heiraten? - Brumm, Brumm, / Ich gebe dir einen Dukaten - Summ, Summ." Das Volkslied vom Käfer und der Fliege nimmt auch Heine auf in Die Leiden der Verliebten: einer gewöhnlichen Fliege macht ein prachtvoller Mistkäfer einen Heiratsantrag. Die Fliegenbraut wird nun unter Aufwendung der halben Kerbtierwelt für die Hochzeit zurechtgemacht, der Käfer jedoch, ein echter Mistkäfer, bleibt auf einem Kothaufen sitzen und vergisst die Angebetete. Fliegenschnäpper. Peter Altenbergs Skizze Fliegen in der Sommer-Schwüle eingerechnet, gibt es in der deutschen Literatur mehr als einen ehrgeizigen Fliegenfänger. In vierhebigen Trochäen besingt Karl Immermann in seinem komischen Gedicht Tulifäntchen eine denkwürdige Heldentat des Junkers Tulifäntchen, der mit einem wohlgezielten Schwertstreich einen der Königin des Staates Mikromena lästigen Brummer erlegt und dafür „vom Kusse / Der Erfreuten“ fast „zu Tode gedrücket“ wird. Zuletzt aber siegt die schiere Freude über die Heldentat, und deshalb heißt es allerorten: „‚Es lebe / Tulifäntchen Fliegentöter.“ Ebenso erfolgreich ist Wilhelm Buschs Inspektor, der „aufgeschreckt aus halbem Schlummer“ mit seiner Fliegenklatsche zwar zunächst das Teeservice zertrümmert, zuletzt aber doch obsiegt: „Und fröhlich sieht er das Insekt / Am Boden leblos ausgestreckt.“ Fridolin Wasserburgs Sprecher des Gedichts Die Mücke – ein Drama aus Die Ringelschneuze und andere Raritäten des täglichen Lebens (1996) jagt noch weitaus zerstörerischer. Das Dach bricht ein, die Fliege entrinnt. Montiert ist an das Gedicht die fiktive Gegendarstellung der Vereinigung der Hautflügler e. V. – das verwundert, denn eigentlich wären nicht die Interessenvertreter der Hymenoptera, sondern die der Diptera zuständig. Diese Gegendarstellung kontert das lyrische Ich mit einer nun entschärften Version, die zur Mildtätigkeit gegenüber Fliegen aufruft. vorausweist. Der Hofmeister Magister Tinte ist, das entwickelt der Erzähler im Gespräch des Ehepaars von Brakel mit ihren Kindern Felix und Christlieb, in Wahrheit der Gnomenkönig Pepser, oder genauer: "'eine abscheuliche Fliege, die eine Perücke trägt und Schuhe und Strümpfe.'" Der Fasanenkönig habe ihn totgebissen, berichtet Felix. Nun ist er aber doch noch nicht tot: was der Erzähler schon mehrfach angespielt hat, immer wieder auf das Kommende vorausdeutend, das wird nun auch dem Leser drastisch und gerafft vor Augen geführt: "In der Tat kam der Magister Tinte den Birkengang herauf, aber ganz verwildert mit funkelnden Augen, zersauster Perücke im abscheulichen Sumsen und Brummen sprang er von einer Seite zur andern hoch auf und prallte mit dem Kopf gegen die Bäume an, daß man es krachen hörte. So herangekommen, stürzte er sich sofort in den Napf, daß die Milch überströmte, die er einschlürfte mit widrigem Rauschen." Nachdem er sich auf auf die "Butterbröte" niederlässt und gegen die Fenster anbrummt, ergreift Herr von Brakel die Fliegenklatsche und verfolgt ihn. Umsonst: "Ächzend stürzte er zu Boden aber in dem Augenblick, daß der Herr von Brakel ihn mit einem zweiten Schlag treffen wollte, schwang er sich mit erneuter Kraft in die Höhe, stürmte sausend und brausend nach den Birken hin und ließ sich nicht wieder sehen." Der Erzähler lässt offen, ob sich die Verwandlung nun auch äußerlich vollzieht oder nur im sonderbaren Verhalten des Magisters besteht. Unentschieden lässt diese Frage auch Gert Jonke in einer grotesken Szene aus die Fliege im Gewimmel der Schlacht von Crécy, die zum Untergang des französischen Ritterheers im Hagel englischer Pfeile führt, das tun, was Fliegen ungerührt noch unter der Fliegenpatsche tun: "Während der vierzehnten Attacke / der französischen Reiterei / paarte sie sich / mit einem braunäugigen Fliegenmänchen / aus Vadincourt." Das Todestier wird zum Sinnbild des großen Sterbens, des Sterbens eines militärischen Ideals: "Sie rieb sich die Beinchen / auf einem aufgeschlitzten Pferd / und dachte / über die Unsterblichkeit der Fliegen nach." Sterben lässt sie Holub dann doch - sie endet im Schnabel einer "Mauerschwalbe". Die Entsetzlichkeit eines Vorgangs, der Geruch von Verwesung und Tod, stellt sich dem Leser dann ein, wenn Fliegen über dem literarischen Ort sich erheben. Hans Erich Nossack veranschaulicht in seinen Fantasiestücken in Callot's Manier, dessen Erzähler die merkwürdigen Grimassen und "komischen Seitensprünge" auf eine kreisende Fliege zurückführt: "Es war aber nichts als eine kleine feindselige Fliege, die hatte ihn mit beharrlichem Eigensinn in demselben Kreise bleibend, umsummt, und sich, tausendmal verjagt, immer wieder auf die Nase gesetzt." Theodor Fontane zitiert, allerdings zwei Strophen zu einem einzigen Schlummerlied verschmelzend, in den zu der Erkenntnis, in der Funktionalität des Fliegenbaus sei derselbe Schöpfer zu erkennen wie der, dem "der Sonnen Pracht" zuzuschreiben ist: "Hast du also, kleine Fliege, / Da ich mich an dir vergnüge, / Selbst zur GOttheit mich geleitet." Als Gottessuche anhand des Facettenauges und des Fliegengebets kommt Philipp Luidls Fliegen - aus Liebeskummer nämlich: "In verräucherter Taverne / Sitz ich weinend nun beim Weine. / Fange Fliegen. Träume Sterne. / Und ich bin so ganz alleine....". Geradezu unapettitlich ist ein längeres Lied aus Vierzeilern aus Arnims und Brentanos

Florfliege

 

Das Sterben einer mit lupenhafter Genauigkeit beobachteten Florfliege (im Text als Eintagsfliege aufgefasst) schildert Wolfdietrich Schnurre in seiner Skizze Auf dem Schreibtisch aus Was ich für mein Leben gern tue: "Wohl vibrieren die Fühler noch sacht; wohl halten die filigranfeinen Beine das hellgrüne Stäbchen von Körper eben noch in der Schwebe. Aber dann ist zu sehen, wie plötzlich, zarter als der zärtlichste Wind, der Atem des Todes über sie hinweggeht. Sie verfärbt sich, als zöge eine Wolke über sie hin, und hebt man sie jetzt an den Flügeln empor und legt sie sich auf die Hand, ist sie unter ihren durchsichtigen Flügeln so starr und so schön wie Schneewittchen im Glassarg." Eine vergleichbare Bewegung scheint den Sprecher in Gottfried Kellers Gedicht Die kleine Passion zu überkommen: auch er sieht im Verlauf einer Woche dem Sterben einer Florfliege zu, die sich auf seiner Lektüre niederlässt: "Vier Flügelein von Seiden fein / Trug's auf dem Rücken zart, / Drin man im Regenbogenschein / Spielendes Licht gewahrt! / Hellgrün das schlanke Leibchen war, / Hellgrün der Füßchen dreifach Paar, / Und auf dem Köpfchen wundersam / Saß ein Federbüschchen stramm; Die Äuglein wie ein goldnes Erz / Glänzten mir in das tiefste Herz."

Frosch

 

bitten Zeus um einen König, erhalten erst ein Holzstück, dann eine Wasserschlange (Phaedrus: Die Frösche erbitten sich einen König), der Frosch als Fährmann sucht die Maus als Fahrgast zu ertränken (Martin Luther: Vom Frosch und der Maus)

Fuchs

 

redegewandter Angeklagter (Phaedrus: Der Wolf und der Fuchs am Richterstuhl des Affen), verweigert aus Geiz dem Affen ein Stück seines Schwanzes (Konrad von Würzburg: Fuchs und Affe), räuchert einen hochmütigen Adler aus, der seine Jungen entführt hat (Heinrich Steinhöwel: Der Adler und der Fuchs), überlistet den Wolf, der ihn beim Löwen wegen Majestätsbeleidigung verklagt (Johannes Pauli: Der Wolf verklagt den Fuchs falsch), der Fuchs gewöhnt sich an einen Löwen, der zuletzt kaum mehr schrecklich erscheint (Sebastian Brant: Fuchs und Löwe), ein Fuchs verspottet die Löwin, weil sie nur ein einziges Junges wirft (Burkhard Waldis: Die Löwin und der Fuchs)

Habicht

 

Der Habicht wird vom Fuchs als voreingenommener Richter über harmloses Vieh verklagt und wehrt sich mit ebensolchen Beschuldigungen ( Burkhard Waldis: Vom Fuchs und dem Habicht)

Hahn

 

Hähne erscheinen als prahlerische Kämpfer (Babrios: Die Kampfhähne, Burkhard Waldis: Von zwei Hähnen)

Hecht

 

Seehecht schwimmt ins Meer, um seine Herrschaft auszudehnen und wird vom walfisch gedemütigt (Burkhard Waldis: Von einem Hecht)

Heimchen

 

lärmt und wird von der schmeichelnden Eule getötet (Phaedrus: Das Heimchen und die Eule)

Hund

 

schläft beim Lärm der Schmiede, erwacht nur zum Essen (Babrios: Die Auszeichnung), gieriger Hund schappt nach seinem Spiegelbild (Phaedrus: Der Hund, der ein Stück Fleisch durch den Fluss trug; Martin Luther: Vom Hunde), Warnung, einen Hund für seinen Biss zu belohnen (Phaedrus: Über den Erfolg der Gottlosen), versucht den Wolf zur Domestikation zu überreden (Phaedrus: Der Wolf und der Hund, Heinrich Steinhöwel: Der Wolf und der Wachhund), verspottet das Lamm, das unter Ziegen weidet (Phaedrus: Der Hund und das Lamm), Hundefell wird von einem Widder zur Tarnung missbraucht (Heinrich Steinhöwel: Von Hund, Wolf und Widder), Hunde als vorgeblicher Grund der Wölfe, die Schafe anzufallen (Johannes Pauli: Feindschaft zwiwschen Wölfen und Schafen), erst nach einer Einigung gelingt es streitsüchtigen Hunden, einen Wolf zu überwältigen (Johannes Pauli: Die uneinigen Hunde), Wölfe ziehen zunächst die Hunde mit Wolfsfarbe auf ihre Seite, töten dann aber alle Hunde (Johannes Pauli: Die Wölfe und die Hunde sind von einer Farbe)

Kalb

 

altkluges Lamm belehrt einen Stier (Phaedrus: Der Stier und das Kälbchen)

Katze

 

Klosterkatze erhält einen Orden und tut nichts mehr, weil andere Katzen ("Statthalter und Knechte") ihre Arbeit erledigen (Johannes Pauli: Den Orden legt man einer Katze an)

Krähe

 

schmückt sich mit fremden Federn (Phaedrus: Die stolze Krähe und der Pfau)

Krebs

 

der schiefe Gang der Krebse wird vererbt (Babrios: Der Naseweis)

Kuh

 

vom Löwen um ihren Jagdanteil betrogen (Phaedrus: Die Kuh, die Ziege, das Schaf und der Löwe)

Lamm

 

unschuldiges Opfer des Wolfs (Phaedrus: Der Wolf und das Lamm), Lämmer mit Menschenköpfen infolge von Sodomie (Phädrus: Aesop und der Bauer), bevorzugt die liebende vor der leiblichen Mutter (Phaedrus: Der Hund und das Lamm)

Löwe

 

beansprucht den Löwenanteil (Phaedrus: Die Kuh, die Ziege, das Schaf und der Löwe), König der Löwen schindet den Wolf, um von seiner Krankheit zu genesen (Johannes Pauli: Der Wolf verklagt den Fuchs falsch), ein junger Löwe, der seinen alten Vater pflegt, hält zunächst zwei Ochsen, dann einen Hengst für Menschen - vom Menschen selbst wird er übertölpelt (Johannes Pauli: Ein Löwe ließ die Klauen im Baum), die Löwin bringt zwar nur einzeln Kinder zur Welt, dafür aber Löwen (Burkhard Waldis: Die Löwin und der Fuchs)

Maulesel

 

Bei Phädrus erträgt die Schmähungen einer Fliege (Phaedrus: Die Fliege und der Maulesel), rühmt sich des adligen Vaters, missachtet die Mutter, eine Eselin, die nur einem Müller gehört (Johannes Pauli: Der überhebliche Maulesel)

Maus

 

Mäuserich freit um die Töchter der mächtigsten Wesen: Wolke, Wind, Turm, ist aber selbst das mächtigste Wesen (Marie de France: Der Mäuserich als Freier), vertrauensselige Maus wird vom Frosch in die Tiefe gezogen, kann ihn aber an Land zerren, wo beide von der Weihe verspeist werden (Martin Luther: Vom Frosch und der Maus), die Feldmaus zieht das ruhige Landleben dem Reichtum der Stadtmaus vor (Martin Luther: Von der Stadtmaus und der Feldmaus)

Mops

 

I. Möpse berühmter Herren. Vielfältig belegt ist, dass der Schoßmops Wilhelm I. von Oranien, Pompey, den damaligen Statthalter der Niederlande 1572 vor einem Angriff der Spanier gewarnt habe (etwa bei Sir Roger William, 1618). Ebenso bekannt ist die Geschichte des Winnender Mops, der seinem Herrn aus einer Schlacht bei Belgrad 1717 bis nach Winnenthal nachgelaufen sei. Belegt ist auch, dass Möpse im Zeremoniell bestimmter Freimaurerlogen eine bedeutsame Rolle innehatten – etwa als Totemtier der Initianten beim Initiationsgespräch [48-49]. Der englische Stecher und Maler Hogarth hat sich gleichfalls mit einem Mops verewigt – das Tier hieß Trump. Auch Napoleon besaß einen Mops, Fortuné genannt – genau genommen war es das Haustier Joséphines, und er soll Napoleon beim Betreten des Brautgemachs ins Bein gebissen haben [70]. Eben diesen Fortuné lässt auch Anthony Burgess in seiner Napoleonsymphonie auftreten [80]. Anton Bruckner soll, das behauptet eine Anekdote Fred Brouwers, seinen Mops gegen die Wagnersche Musik abgerichtet haben – sobald Wagner ertönte, soll er davongelaufen sein [104]. Auch George Eliot, die britische Romancière, gehört nach Elsemarie Maletzke zu den Mopsvernarrten [117]. Verstorbene Möpse. Die zärtliche Hinwendung zum Hofmops hat vielerorts seltsame Blüten getrieben. Im Park des psychiatrischen Krankenhauses ist das wohl einzige Mopsdenkmal Europas zu bewundern: „So darf nach deinem Tod hier dein Gedechtnus stehen, / Mops, ausgehauener Mops!“. Johann Wilhelm Gleim hat seinem Mops ein poetisches Denkmal aufgerichtet: Mors Epitaphium. „[…] Nun wird der dürre Tod die Höflichkeit vergessen / Indessen, da du schläfst in deiner kühlen Gruft, / So warte, bis man dich zum Essen wieder ruft.“ [29]. Einen poetischen Nachruf auf seinen Mops hat auch August Moritz von Thümmel verfasst – der Herr erkennt im Entwurf des Hundes seine eigenen Falten [108-109]. Ein Kunstwerk eigener Art ist der in ein Edelsteingebildete verwandelte Mops in Goethes Märchen, den die Berührung der schönen Lilie wieder zum Leben erweckt [64]. Verweigt im Gemälde wird ein Mops von einem jungen Künstler in Hans Christian Andersens Kurzerzählung Das Metallschwein [130]: „Als Modell diente ihm ein kleiner weißer, kurz geschorener Mops. Das Tier wollte aber nicht stillstehen und war darum mit Bindfaden am Kopf und am Schwanz festgebunden. Es lag eine Lebendigkeit und Wahrheit darin, die jeden ansprechen musste.“ Geradezu ekelhaft dagegen wirkt die von einem gewissen Hoffräulein von Götze beauftragte Konservierung eines Mopses, die Uwe Timm in Der Mann auf dem Hochrad schildert [95]. Ein stattliches Begräbnis erhält dagegen der Mops der Gerberswitwe in Hans Christian Andersens Ein Herzenskummer [101]. Diebische Möpse. Der sicher berühmteste Raubmops ist jenes diebische Exemplar aus dem Kinderreim, dem „viele Möpse“ einen Grabstein setzen; dass sich das Gedicht wie ein Mopsschwanz zum Kreis schließt, ist vermutlich Zufall [121]. Diebisch, das sei unpassenderweise hier eingefügt, ist auch der Mops, der in Adolf Oberländers Bildgeschichte Hundekomplott gemeinsam mit einem Terrier den Teller eines Gründervaters ausplündert [122-123] - fast dieselbe Paarung wie in Wilhelm Buschs heiterer Bildgeschichte Plisch und Plum [145]. Eine wunderbare Parodie auf Goethes Heideröslein hat Werner Zganiacz verfasst: ein diebischer Mops und die avisierte Wurst dialogisieren ähnlich wie Rose und Knabe bei Goethe [135]. Komische Möpse. Die drollige Erscheinung des Mopses nutzt Jost Nickel in seiner Rilke-Parodie An meinen Mops: „Oh, du bist einsam. Du bist Einsamkeit, / Mein Mops, der weich auf hartem Felsen steht.“ Das stumpfschnäuzige Tier macht das feingliedrige Pathos Rilkes zur Farce. Heines Erzähler in der Harzreise schildert seine Begegnung mit zwei Damen, die von einem verbissenen, mopsgesichtigen Herrn begleitet werden: „Der kleine Mann sprach kein Wort, und nur dann und wann, wenn ihm die ältere Dame etwas Freundliches zuflüsterte, lächelte er wie ein Mops, der den Schnupfen hat.“ [87]. Einen ernsten Hintergrund haben dagegen Karl Reinhards 13 Variationen zum Thema in Thema mit Variationen: „Wenn der Mops mit der Wurst über den Spucknapf springt / Und der Storch in der Luft den Frosch verschlingt“ [107]. Sie sind das Sinnbild einer schneckenhaften, spiralförmigen Politik nach innen. Einen Mops hat – um des Reimes willen – Christian Morgenstern in sein absurdes Gedicht Der GaulMopsenleben dem Leser zuruft: „O Mensch, lieg vor dir selber auf der Lauer, / sonst bist du auch ein Mops nur auf der Mauer.“ Einen Wachmops schildert in aller Kürze Lewis Carroll in Sylvie & Bruno – er scheint mit beredten Zügen zu sprechen [113]. Die erheiternde Erscheinung des Mopses veranlasst auch Stevie Smith zu einer Liebeserklärung an den als schreckhaft geltenden Mops mit seinen Kugelaugen: O Mops! Kaum zu erkennen ist ganz im Gegensatz dazu der starckdeutsche „Mauppz“ aus Matthias Koeppels Nonsenssammlung Tierleben in Starckdeutsch ottos mops über die Schwierigkeit, einen Mops adäquat und zugleich konsequent zu erziehen [137]. Verwöhnte Möpse. Lady Bertram in Jane Austens Mansfield Park hält einen Mops, den sie so sehr verwöhnt, dass ihre Kinder und ihr Ehemann neben dem Tier zu Randfiguren werden [88]. Auch Wilhelm Buschs Fräulein Ammer meint es mit ihrem Mops Schnick etwas zu gut. Sie füttert ihn mit Zuckerbrot, lässt ihn im Bett übernachten, mit einem Wort: verdirbt sich seinen Gehorsam. Eben deshalb gelingt es dem Hundefänger, den Mops zu fangen und zu schlachten. Der Dame bleibt nichts anderes übrig, als die ausgestopfte Hülle anzuschaffen. Salomonisch vermerkt Busch: „Hier steht der ausgestopfte Schnick, / - Wer dick und faul, hat selten Glück.“ Das Problem der Mopsdressur stellt sich auch dem Sprecher in August Heinrich Hoffmann von Fallerslebens Als unser Mops ein Möpschen war. Der Mops wird in der zweiten Strophe von seinem jugendlichen Besitzer der Schleckhaftigkeit bezichtigt, was er mit dem Hinweis auf seine unzureichende Erziehung zurückweist [104-105]. Einen Kinderreim zum Mops hat ausgerechnet Winston Churchill verfasst – das zärtliche Gedicht Puggy-Wug, das der Staatsmann für seine Tochter geschrieben hat, sei in voller Länge zitiert: „Oh what ist he matter with poor Puggy-Wug, / Pet him and kiss him and give him hug. / Run and fetch him a suitable drug. / Wrap him up tenderly all in a rug, / That ist he way to cure Puggy-Wug.“ Das 156. Sonett Jost Nickels (nach Shakespeare) mit dem Titel An den schwarzen Mops ist ein weiteres Zeugnis skurriler Mopsverehrung [128]: „Then I will swear beauty herself is black / And all they foul that thy complexion lack.“ Bildmöpse Grab der Ilaria Carretto, Duomo di Lucca (1406), Marmor Vittore Carpaccio: Santa Ursula (1495), Ö/L Nicolas de Largillière: Familienbild des Künstlers (1704), Ö/L Johann Joachim Kaendler: Freimaurergruppe mit Mopshund (1714), Ö/L William Hogarth: Portrait of the Fountaine Family (1730), Ö/L William Hogarth: A Rake's Progress, 5. Blatt (1735), Kupferstich William Hogarth: Guilelmus Hogarth (Self-Portrait with Trump), 1745, Ö/L Louis François Roubiliac: Trump (c1740), Porzellan William Hogarth: Self-Portrait with Trump, 1745, Kupferstich Johann Joachim Kaendler: Freimaurergruppe als Liebespaar, 1745, Porzellan Paul Sandby: Pugg's Graces (u. a. 1754), Kupferstich Francisco José de Goya: Bildnis der Marquesa de Pontejos (1796), Ö/L Thomas Theodor Heine: Eheleben (1895), Lithographie Oskar Kokoschka: Mops (1957), Zeichnung Werner Zganiacz: Ach Gottchen (1981) eingefügt. Er komplettiert das Bild einer vom sprechenden Pferd überraschten Familie [112]. Auch sonst scheint Morgenstern von Möpsen angetan; so sehr, dass er in [117]. Die bekannteste Nonsensdichtung möpsischen Inhalts ist Ernst Jandls lettristisches O-Gedicht

Nachtfalter

 

Gérard de Nerval (Les papillons) stellt den verhassten Nachtschmetterlingen ("Sombres hôtes de la nuit", "Düstere Gäste der Nacht") den scheinbar alterslosen Tagfalter gegenüber, der als "un emblème / De poésie et d'amour" ("ein Emblem / Der Dichtung und der Liebe") erscheint.

Panther

 

Gefangener Panther rächt sich an seinen Peinigern (Phaedrus: Der Panther und die Hirten)

Pfau

 

Pfauen schänden die hochstaplerische Krähe (Phaedrus: Die stolze Krähe und der Pfau)

Pferd

 

ein hochmütiges Pferd verweigert dem Esel seine Hilfe und erhält die Last selbst aufgelegt (Sebastian Brant: Das Pferd verweigert dem Esel seine Hilfe).

Rabe

 

ein kranker Rabe wird von seiner Mutter belehrt (Babrios: Der kranke Rabe)

Schaf

 

vom Löwen um seinen Jagdanteil betrogen (Phaedrus: Die Kuh, die Ziege, das Schaf und der Löwe), Grund für die Feindschaft der Wölfe vorgeblich die Hütehunde (Johannes Pauli: Feindschaft zwiwschen Wölfen und Schafen)

Schildkröte

 

I. Die wehrhafte Schildkröte. In einer Traumfabel der Anna Louise Karsch ertränkt eine Schildkröte den Skorpion, der sie beim Übersetzen über ein Gewässer aus Neid zu vergiften sucht. Die Karschin sieht in der Schildkröte "ein Geschöpf, das sich mit breitem Schilde trägt, / Und schmackhaft ist am Fleisch, und nach dem Tode glänzet / In seinem Deckel schön polirt." Einen herrschsüchtigen Elefanten tötet die Schildkröte in einer indischen Fabel, weil jener sie verschluckt; selbst spaziert sie gänzlich unbeschadet aus dem verendeten Elefanten hervor. Die Schildkröte konnte das Wasserloch des Elefanten nicht gegen den Zugriff des Löwen verteidigen. II. Schildkröt, bleib bei deinen Leisten. Eine Schildkröte wird bei Äsop (Der Adler und die Schildkröte) von einem Adler aus Turmhöhe auf einen Felsen abgeworfen, weil sie durch ständige Bitten, endlich Flugstunden nehmen zu dürfen, den Adler vergrämt. Äsop folgert: "Trachte nicht nach Dingen, die die Natur dir versagt hat; was die Natur versagt, kann niemand geben." III. Die stetige Schildkröte. Die bewundernswerte Langsamkeit der Schildkröte, die sie erst in Wettstreit mit Achilles treten lässt, dann zum Haustier Baudelaires macht und zuletzt ihre Gegnerschaft zu Michael Endes Grauen Herren begründet, sie verschafft ihr auch in der äsopischen Fabel vom Hasen und der Schildkröte den Sieg im Wettlauf. Während die unermüdliche Schildkröte sich letztlich durchs Ziel schiebt, ist der saumselige Hase eingenickt. Äsops Moral ist eine Warnung an die Unbeständigen: " Oft werden gute, aber flatterhafte Köpfe von mittelmäßigen, aber anhaltend fleißigen, eingeholt, ja übertroffen." IV. Schildkröten als Speise. Christoph Martin Wieland berichtet in seinen Anmerkungen zu Lukians Lügengeschichten ein Orakel der deplhischen Pythia für den Lyderkönig Kroisos: "Mir ist die Zahl bekannt des Sandes am Meer und der Wellen, / Ich verstehe den Stummen, und brauche nicht Töne zum hören, / Und ein scharfer Geruch rührt meine Sinnen, wie einer / Schildkröte, die in Erzt mit Lammesfleische gekocht wird, / Und hat unter sich Erzt, und ist mit Erzte bedecket." Der Lyder hatte sieben Orakel, um ihre Wahrhaftigkeit zu überprüfen, um Auskunft darüber gebeten, was er an jenem Tag getan habe - Kroisus hatte gekochte Schildkröte gegessen, und allein die Pythia hatte es erraten. Das jedenfalls berichtet Wielands Gewährsmann Herodot in seinen Historien. V. Alte und weise Schildkröten. Das sprichwörtliche Alter der Schildkröten, die in der Tat ein für Wirbeltiere ungewöhnlich hohes Alter erreichen, hat sie zu Sinnbildern der Weisheit werden lassen. Die alte Morla aus Michael Endes Unendlicher Geschichte ist eine übergroße Sumpfschildkröte, die Cassiopeia aus dem Jugendroman Momo desselben Verfassers ist eine Landschildkröte, deren Panzer Leuchtbotschaften erteilt. VI. Mythologische Schildkröten. Die Muster auf dem Panzer der Schildkröte wurde von chinesischen Mythographen als Schriftzeichen gedeutet - weshalb die Schildkröte zum Sinnbild des Kosmos wird. Der legendäre Gründer der Xia-Dynastie soll etwa die Schrift des Luo, ein magisches Quadrat, auf dem Rücken einer Schildkröte entdeckt haben. Im vedischen Schöpfungsmythos trägt die im Urozean schwimmende Schildkröte Kurma den Weltenberg Meru auf ihrem Panzer. Dieses Bild übernimmt Terry Pratchett, dessen "Discworld" auf dem Rücken der Schildkröte Great A'tuin ruht. Als Träger eines Turms treten Schildkröte in Rilkes Aus einer Sturmnacht auf: "Die Glocken, die sich in die Türme krallen, / hängen wie Vögel, bebend stehn die Türen, / und an den Trägern zittert jedes Glied: / als trügen seinen gründenden Granit / blinde Schildkröten, die sich rühren." Zahlreiche Indianerstämme Amerikas glaubten gar, Nordamerika sei in Wirklichkeit eine gewaltige, ruhig daliegende Schildkröte – deren Bewegungen Erdbeben auslösten. Daher kann sich auch der letzte Mohikaner Unkas in James Fenimore Coopers Lederstrumpf als „Sohn der Schildkröte“ bezeichnen. In Burjatien nahm man an, Gott habe die Welt auf dem Bauchschild einer umgedrehten Schildkröte erbaut. Die Mongolen glaubten, die Welt ruhe auf einer goldenen Schildkröte, die ihnen verwandten Kalmücken nahmen an, das Weltende werde durch das Stürzen der Weltschildkröte ausgelöst. In China tritt die Schildkröte als Vertreterin des Wassers neben Drache (Luft) und Phönix (Feuer) neben den menschgestaltigen Weltschöpfer Pangu. In einer indischen Mythe gebären die 13 Töchter des Dakshas, vom Schildkrötengott Kacyapas geschwängert, alle Lebewesen. In arabischen Schöpfungsberichten schafft Allah die Erde in die Leere hinein. Ein Engel wurde geschaffen, um die Erde, ein Fels, um den Engel, ein Stier um den Felsen und der Bahamut, um den Stier zu stützen. Viel deutet darauf hin, dass dieser Bahamut die arabische Entsprechung der indischen Kosmosschildkröte sein könnte. Im griechischen Mythos begegnet die Schildkröte zunächst als Rohstoff. Hermes verfertigt die erste Lyra aus einem Schildkrötenpanzer, den er mit Rinderdärmen bespannt. Mit Hermes ist auch ihr zweiter Auftritt im griechischen Mythos verbunden: Chelone ist eine Jungfrau, die, weil sie allein von allen Göttern und Menschen allein bei Zeus' und Heras Vermählung zu Hause blieb, von Hermes in eine Schildkröte verwandelt wurde. Sie wurde dazu verdammt, zeitlebensihr Haus auf dem Rücken zu tragen. Wegen der hohen Eierzahl im Gelege der Seeschildkröte galt diese als Tier der Aphrodite. Bei den Ägyptern galt die Schildkröte als Feindin des Sonnengotts Ra (oder des Horus), dessen Sonnenbarke sie auf ihrem nächtlichen Weg durch die Unterwelt aufzuhalten sucht. Als Wassertier soll sie dem Gott Gun, dem zunehmenden Mond, die Kunst des Deichbaus beigebracht haben. Als Attribut des Gottes Fukurokuju ist die Schildkröte in Japan ein Sinnbild der Weisheit. Eine japanische Legende erzählt, der Fischer Urashima Tarô habe eine Schildkröte gerettet und sei daraufhin mit der Tochter des Drachenkönigs verheiratet worden. Mit dem Regen hingegen brachten die Maya die Schildkröte in Verbindung - das belegen die Schildkrötenköpfe, die ein Gesims am Schildkrötenhaus von Uxmál säumen. Die Schildkröte ist Begleiterin der Muttergottheiten Venus, Astarte und Tara. Der Fuß der Venus Urania ruht auf einer Schildkröte. Apoll nähert sich in Gestalt einer Schildkröte der Dryope, die das schwerfällige Tier in ihren Schoß hebt und es dort in eine Schlange verwandelt sieht. Athene verwandelt sich im Krieg der Götter in eine Schildkröte, um daraus Vorteile für die Schlacht zu ziehen. VI. Schildkrötenkunst. Zwei Conquistadores in Jakob Wassermanns Erzählung Das Gold von Caxamalca streiten sich um eine in Gold ausgeführte Schildkrötenfigur. VII. Schildkröte und Militärtechnik. Die Verteidigungsformation römischer Belagerungstruppen, bei der die Legionäre die Schilde schildartig übereinander legten, wurde als "testudo" bezeichnet. Das Flagschiff des koreanischen Flotte, maßgeblich von Admiral Yi Sun-sin eingesetzt, war gleichfalls einer Schildkröte nachempfunden. Der vordere Teil des Geobukseon hatte die Form eines Drachenkopfes und der hintere Teil die Form eines Schildkrötenschwanzes. VIII. Schildkröte und Philosophie. Zenon von Elea hat die sinnbildliche Langsamkeit in seinem berühmten Schildkröten-Paradox der Schnelligkeit des Achilles gegenübergestellt. Die Schildkröte hat beim Wettlauf Achilles gegenüber einen Vorsprung. Zenon behauptet der schnellfüßige Achilles könnte diesen Rückstand auch einer Schildkröte gegenüber niemals aufholen. Sobald Achilles seinen Rückstand der Schildkröte gegenüber aufgeholt hätte, wäre die Schildkröte immer noch ein Stück weiter. Achilles hätte also diese weitere neu von der Schildkröte inzwischen überwundene Strecke noch vor sich und immer so fort. Im chinesischen Fengshui wird die Schildkröte zum Symbol des Nordens erhoben. Die Schildkröte befindet sich in der jeweils nördlichen Position. Ihre Farbe ist schwarz, ihre Jahreszeit der Winter, ihr Element das Wasser. IX. Riesenschildkröten. Wohl aus arabischen Quellen zieht Konrad Gesner in seinem Thierbuch die Annahme, Meeresschildkröten könnten zu Riesengestalt aufwachsen: zwar seien sie den „irdischen“ in allem gleich, „allein daß sy an etlichen orten sölcher grösse kommend / als bey den Inßlen Tabrobanae / vnd in dem Indianische Meer / daß ein schalen ein gantzes hauß bedeckt / und die eynwoner die selbigen brauchend an statt der schiffen.“ Möglicherweise ist er auf Umwegen an den Bericht des Qazwini gelangt, der in den Wundern der Erde anschaulich von einer Riesenschildkröte berichtet: „Was die Meeresschildkröte betrifft, so ist sie von solch ungeheuerlicher Größe, daß die Besatzungen der Schiffe sie für eine Insel halten. Einer der seefahrenden Handelsleute hat berichtet: Wir entdeckten im Meer eine Insel mit grünen Pflanzen, die aus dem Wasser ragte, und wir landeten dort und gruben Löcher in die Erde, um unsere Speisen zu kochen, und die Insel bewegte sich, und die Seeleute sagten: Kehret zurück, denn es ist die Schildkröte, und die Hitze des Feuers hat sie geweckt, und sie kann unseren Tod bedeuten.“ X. Die Schildkröte als Geschlechtstier. Wenig kann zum Liebesleben der Schildkröte gesagt werden, sieht man davon ab, dass im Kamasutra eine Schildkröten-Stellung beschrieben wird. Uneinheitlich wird die Schildkröte als Symbol für bestimmte Geschlechter angesehen. In China soll Nach Cirlot (A Dictionary of Symbols. New York: 1962, S. 334) „Schildkröte“ ein Tarnwort für Penis, „schwarze Schildkröte“ eines für Zuhälter gewesen sein. Das Wort sei tabuisiert worden und durch die Umschreibung „der dunkle Krieger“ ersetzt worden. Weiter heißt es (Eberhard, W.: Lexikon chinesischer Symbole. Köln 1985), die Schildkröte sei als „König acht“ bezeichnet worden, weil sie es an der achten Tugend, dem Schamgefühl, mangeln lasse. Es gebe, so ein verbreiteter Volksglaube, keine männlichen Schildkröten, weshalb sie sich mit Schlangen paarten. Weiter wird berichtet, dass die Schildkröte in Nigeria und in indischen Erotikhandbüchern mit der weiblichen Scham verglichen worden sei (Malter / Süss: Vom Mythos der Schildkröte. Dortmund: Harenberg, 1991, S. 20). Als weibliches Tier wird die Schildkröte Kulu in Kamerun aufgefasst, in einem bulgarischen Märchen wird ein Mädchen immer wieder zur Schildkröte, die erst erlöst wird, als der Panzer verbrennt (Ebd. S. 20). Wöchnerinnen wurde noch im 19. Jahrhundert gebackene Schildkröte gereicht. Schildkröten als Glückstiere. Wegen ihrer Haltekraft und ihres langjährigen Lebens ist die Schildkröte in China ein Glückstier; das belegt ihr Vorkommen auf Spiegeleinfassungen in der Tangzeit, aber auch ihre Erwähnung im Li Jing.

Schwein

 

Opfergabe an Herakles (Phaedrus: Der Esel und die Ferkel), Schweinegrunzen von einem Possenreißer besser nachgeahmt als von einem Bauerm, der in seinem Mantel ein wirkliches Schwein versteckt hält (Phaedrus: Der Bauer als Kunstspieler), Schweinebesitzer im Picener Gebiet möchte sich aus Geiz um das schlachtfest drücken (Giovanni Francesco Pioggo Fiorentino: Der genarrte Schweinedieb)

Spinne

 

Von der Biene für ihre Faulheit getadelt (Johannes Pauli: Die Spinne und die Biene).

Stechmücke

 

Die mutwillige Stechfliege. In einer Fabel von Phaedrus sticht eine Stechfliege mutwillig einen Kahlköpfigen (Phaedrus: Der Kahlkopf und die Mücke). Die Fliege und die Seuchen. Neben der Biene hat es wohl nur ein Insekt gegeben, dass über das Wohl und Wehe ganzer Völker entschieden hat: die Stechfliege. Malariagebiete werden seit jeher von Hirten und Ackerbauern gemieden, und kaum ein Insekt wurde in der Neuzeit von Forschern und Ingenieuren so heftig bekämpft wie die Anopheles-Arten. Auch unzählige Berühmtheiten waren unter den Toten, wenn die Fliegen stachen: Friedrisch Schillers langes Leiden mag seinen Anfang in einem Mückenstich gehabt haben. Das wohl bedeutendste Projekt, das Fliegen verhindert haben, ist der Bau des Panama-Kanals. Diese Geschichte hat Bertolt Brecht in seinem Filmentwurf Die Fliege untersucht - der Erfolg der Fliege ist zugleich der Misserfolg beschränkter Bürokraten, die bis zuletzt die Rolle der Fliege in der Übertragung des Gelbfiebers und ihren Vermehrungszyklus nicht begriffen hatten. Zuletzt wird der Hauptfigur Major Gorgas nach einem Menschenversuch klar, dass die Fliege eben durch die Säuberung der Gewässer nicht zu besiegen ist: "Sie haßte den Schmutz ebenso wie der Major, Und er hatte ihn ihr entfernt und ihr das Wasser gereinigt! Wütend begann er die Arbeit von neuem. Die Fliege mußte ausgerottet werden. Die Fliege war es, die die Bevölkerung so vieler Landstriche Südamerikas dezimiert hatte. Sie hatte den Bau des großen Panamakanals zu Fall gebracht."

Stier

 

lässt sich von einem Kalb nicht belehren (Phaedrus: Der Stier und das Kälbchen), tötet den hochmütigen Widder, der ihn herausfordert (Burkhard Waldis: Vom Stier und dem Widder)

Taube

 

rettet eine Ameise vor dem Ertrinken und wird dafür von der dankbaren Ameise selbst vor dem Vogelfänger beschützt (Heinrich Steinhöwel: Ameise und Taube)

Totenkopfschwärmer

 

Symbol des Todes, etwa in dem bekannten Thriller Das Schweigen der Lämmer mit Anthony Hopkins; bereits bei Gérard de Nerval (Les papillons, II) ein Vorbote des Unheils: "Voici le sphinx à la tête / De squelette, / Peinte en blanc sur un fond noir, / Que le villageois redoute, / Sur la route, / De voir voltiger le soir." (Dies ist der Totenkopffalter: / Sein weiß gemalter / Schädel auf schwarzem Grund / Die Dörfler vor Angst vergehen, / Wenn sie ihn sehen / Schwärmen zur Abendstund."). In den Vecchi versi Eugenio Montales treibt es einen Totenkopfschwärmer ins Feuer einer Lampe, wodurch das Insekt zum Bild und Beispiel des Todes wird: "Era un insetto ribilie dal becco / aguzzo, gli occhi avvolti come d'una / rossastra fotosfera, al dosso il teschio / umano": "Es war ein schreckliches , spitzmäuliges / Insekt, die Augen rötlich eingekreist / wie Sonnenhöfe, einen Totenkopf / am Rücken".

Wal

 

Wütender Wal demütigt den hochmütigen Provinzhecht (Burkhard Waldis: Von einem Hecht)

Wasserschlange

 

bestraft im Auftrag des Zeus lästerhafte Frösche(Phaedrus: Die Frösche erbitten sich einen König)

Weihe

 

eine Weihe tötet Maus und Frosch, miteinander verbandelt (Martin Luther: Vom Frosch und der Maus)

Widder

 

übermütiger Widder verkleidet sich als Hund, um den Wolf zu erschrecken (Heinrich Steinhöwel: Von Hund, Wolf und Widder), hochmütiger Widder lässt sich mit dem Stier ein und wird getötet (Burkhard Waldis: Vom Stier und dem Widder)

Wolf

 

Wolf als vorgeblich Bestohlener beklagt den Fuchs (Phaedrus: Der Wolf und der Fuchs am Richterstuhl des Affen), Wolf verklagt den Fuchs wegen Majestätsbeleidigung beim Löwen , dieser schindet ihn, weil ihn der Fuchs davon überzeugt, dass zu seiner Heilung ein Wolfsfell notwendig sei (Johannes Pauli: Der Wolf verklagt den Fuchs falsch), Wolf frisst aus reiner Willkür ein Lamm, obwohl es alle Anschuldigen entkräftet (Phaedrus: Der Wolf und das Lamm), zieht die Freiheit reicher Verpflegung in Gefangenschaft vor (Phaedrus: Der Wolf und der Hund, Heinrich Steinhöwel: Der Wolf und der Wachhund), Wolf wird von einer listigen Frau betrogen (UIrich Boner: Von Frauen Trug), entleert, erschreckt durch einen Widder im Hundefell, dreimal seinen Darm, rächt sich am Widder (Heinrich Steinhöwel: Von Hund, Wolf und Widder), wird von einem listigen Esel übertölpelt, den er fressen will (Heinrich Steinhöwel: Von Wolf und Esel), Wölfe schieben Hunde als Grund vor, die Schafe anzufallen (Johannes Pauli: Feindschaft zwiwschen Wölfen und Schafen), Wolf kann erst von geeinigten Jagdhunden überwältigt werden (Johannes Pauli: Die uneinigen Hunde), Wölfe tragen Uneinigkeit zwischen die Hunde und töten sie (Johannes Pauli: Die Wölfe und die Hunde sind von einer Farbe)

Weißling

 

Ein "Gemeiner Weißling" (Titel des Gedichts) gerät bei Carl Spitteler in ein Spinnennetz; der Todeskampf erhebt den "schnöden Wurm" zum Symbol des menschlichen Schicksals.

Wolfsmilchspanner

 

Kein Geringerer als Johann Wolfgang Goethe beschreibt in seiner Studie Über Metamorphose der Schmetterlinge am Beispiel der Wolfsmilchraupe ausführlich die Entwicklung des Tiers von der Larve zur Imago, wobei er auch dessen Anatomie bespricht.

Schmetterling

 

Literatur: I. Der Schmetterling als Seelentier, dessen "Kleid" aus "Morgenduft gewebet"; "die Raupe dieser Erde" wird als Zephir später "in Duft und Tau und Honig" Blüten küssen" (Johann Gottfried Herder: Das Lied vom Schmetterlinge). In einer Erzählung Marcel Prousts erhebt sich die Seele des Bergwandernden wie die rosenfarbenen Schmetterlingen am Wegrain (Leibhaftige Gegenwart). Aufgescheucht von der in die "Belaubung des Himmels" dringenden Seele des Sprechers ist der "grüne Falter" im gleichnamigen Gedicht Georg von der Vrings. Teresa de Jesús versteht im Gleichnis von der Seidenraupe den Tod (die Verpuppung) der Seidenraupe als notwendigen Übergang des absterbenden Leibs in die Unsterblichkeit der Seele. Auch Emilie von Berlepsch vergleicht im Berglied die Seele einem Schmetterling, der dem "himmlischen Äther" zustrebt. Gleichnishaft kommentiert auch Justinus Kerner seine Schmetterlings-Klecksographien: "Aus Dintenflecken ganz gering / Entstand der schöne Schmetterling. / Zu solcher Wandlung ich empfehle / Gott meine fliehende Seele." Mit Blut "betupft" scheinen Conrad Ferdinand Meyer in Das Seelchen die Flügel eines Schmetterlings, der sich als "Seelchen" des Sprechers auf dessen grauem Rock niedergelassen hat. Georg Heym fragt im gleichnamigen Gedicht "Was kommt ihr, weiße Falter, so oft zu mir?". Das Gedicht beginnt und endet mit dem Farbton Weiß - hier nun allerdings als Weiß der Totenaugen verstanden. Noch Hilde Domin beschreibt einen Falter (Indischer Falter) als Seelentier: "In einem alten Mann / der umfällt in Hamburg oder Manhattan / stirbt ein Schmetterling".

II. Der Schmetterling als Symbol der Vergänglichkeit und Vergeblichkeit, als Hauch, berauscht von Himmelblau und Duft ("de lumière et d'azur", 4), der ewigen Gewölben ("voûtes eternelles") zustrebt (Alphonse de Lamartine: Le papillon). Auch Juan Ramón Jiménez sieht im Schmetterling das Symbol eines vergeblichen Festhaltenwollens: ¡Sólo queda en mi mano / la forma de su huída! (Juan Ramón Jiménez: Mariposa de luz). Daneben erscheint der Schmetterling als Sinnbild eines rasch dahinfliehenden Sehnsucht nach dem Frühling, verkörpert in einem malvenfarbigen Schmetterling (Juan Ramón Jimenez: Mariposa malva). Das Motiv des als blauer Schmetterling fliehenden Glücks auch bei Hermann Hesse: "Flügelt ein kleiner blauer / Falter vom Wind geweht, / Ein perlmutterner Schauer, / Glitzert, flimmert, vergeht." (Hermann Hesse: Blauer Schmetterling). Vom kurzen, lustvollen Leben des Schmetterlings in der "Honigwoche" seines Daseins erzählt Jean Paul in einem kurzen Gedicht - nicht ohne in einer Fußnote darauf hinzuweisen, dass die meisten Schmetterlinge keine Mägen hätten (Jean Paul: Wallet nur, ihr hübschen Schmetterlinge). Bei Mörike ist ein Zitronenfalter einerseits ein erotisches Symbol; der Falter erhofft von den Lippen eines Mädchens Honiggaben, andererseits droht ihm, wird die Gabe nicht gewährt, der Tod (Zitronenfalter im April). Ein weißer Falter gibt mit seinem Flügelschlag, der in der Sommerluft verweht, in einem zweistrophigen Gedicht Friedrich Hebbels (Sommerbild) ein Bild der Vergänglichkeit. Auf die Rückkehr einer verlorenen Zeit kindlichen Empfindens hofft der Sprecher in Karl Kraus' Wiedersehn mit Schmetterlingen, wenn er die Rückkehr der Schmetterlinge ersehnt.

IIa. Tod und Sehnsucht. In einer Fabel Leonardo da Vincis (Der Schmetterling und das Licht) wird einem Falter sein Verlangen nach dem Licht zum Verhängnis - er verbrennt an einer Lampe. Berühmter noch ist Goethes Gedicht Selige Sehnsucht aus dem West-Östlichen Divan, dessen "Stirb und Werde" den Schmetterling in die Flammen reißt: "Und zuletzt, des Lichts begierig, / Bist du, Schmetterling, verbrannt." Den Zug zum Tod sieht auch Silja Walter in dem Gedicht Müder Falter: vom Licht versengt, wünscht sich der Falter in die "gute Nacht zurück / Wo die Lichtersehnsucht ausgebrannt." Rilke erkennt in einem französischen Prosagedicht (Farfallettina) im Flug des Falters ins verderblich Heiße der Lampe ein Zurückholen ausgeschöpfter Kraft, die sich Gott als Schöpfer des Schmetterlings gewährt. Im Gegensatz dazu schildert Nikolaus Lenau einen im Meer ertrinkenden Schmetterling, dessen Untergang im zweiten Teil des Gedichts zur Allegorie der Vergeblichkeit menschlichen Strebens wird (Der Schmetterling). Vergleichbar eine Bemerkung aus Robert Walsers Reigen: "Seltsames Spiel des Lebens. Man sieht schneeweiße Schmetterlinge umherflattern: das sind Gedanken, deren Los das Flattern, Ermüden und Stürzen ist."

III. Blumenhaftigkeit. Nachtschmetterling als enger Freund der Blumen ("Blumen sind uns nah befreundet") (Ludwig Tieck: Blumen sind uns nah befreundet). Gérard de Nerval nennt den Schmetterling "fleur sans tige", "Blume ohne Stengel" (Les papillons, I).

IV. Schmetterling als übermenschliche Wesen, Sylphen und Seraphim, als "Wesen gesät in der Verweslichkeit"; als Engel "im Luftgeschäum der Ekstase"; Verbindung von naturwissenschaftlicher Erkenntnis mit theologischer Begrifflichkeit, gedeutet werden die systematischen Namen der Schmetterlinge (Vanessa machaon, Euphrosyne, Lycaon, Palaeno, Acherontia atropos). Seraph wird auch Vanessa antiopa (Babotschka) bei Vladimir Nabokov genannt, der in diesem Falter die "Vision eines nördlichen Birkenhains" erkennt und die "Liebe meiner ewig währenden Jugend" (Vladimir Nabokov: Babotschka).

IVb. Todessymbolik. Als Fieberdämon Huitzli-Poochtzli erscheint der große blaue Schmetterlin in Der blaue Falter in einer exotistischen Erzählung Otto von Taubes; er kreuzt den Weg des Erzählers im Dschungel Paraguays. Der Flügelstaub eines kleinen "löwenhaftigen" Falters brennt als Mal der Schuld an den Fingern des Erzählers in William Goyens Das Pferd und der Tagfalter, nachdem dieser das Insekt mit den Fingern gehalten hat. Als Symbol des Todes und der Schönheit gleichermaßen versteht Gabriel Garcia Lorca den weißgeflügelten Schmetterling in El maleficio de la mariposa, den der Silberfaden der Spinne (el hilo de plata) und die Nachtigall bedrohen: "soy la muerte / y la belleza". In Der Tod des Falters von Virgina Woolf zeigt sich die Erzählerin erschüttert vom Todeskampf eines Schmetterlings und die Macht, die der Tod selbst an einem so zerbrechlichen Wesen beweist. Joseph Brodsky nennt in seinem vierzehnstrophigen Gedicht Schmetterling den Falter als "zerbrechliche Trennwand zwischen / mir und dem Nichts" IVc. Als apokalyptisches Symbol der bis aufs Äußerste gesteigerten Sünde erscheint ein grotesker Falter in der Erzählung Der Falter des heiligen Antonius von Friedrich Schnack: "Er schwebte in Gestalt einer Fledermaus, mit Spitzkopf und schaukelndem Elefantenrüssel. Seine Flügel waren die Riesenschwingen schwarzer Unterweltsfalter, die immerzu über verruchte und verseuchte Gefilde jagen und das Gebräu der seelisch Verwesenden aufsaugen".Allerdings vertreten Schmetterlinge, darunter ein Schillerfalter, auch die göttliche Gegenseite: sie bedeuten dem heiligen Antonius zuletzt in Gestalt eines Schmetterlingsregenbogens den Bund Gottes mit den Menschen. Einen Boten des schönen Todes erblickt auch Nelly Sachs in Schmetterling: "Schmetterling / Aller Wesen gute Nacht! ... welch schönes Jenseits / Ist in deinen Staub gemalt." Nach Friedrich Rückert (Ihr waret Schmetterlinge) steigen die Schmetterlinge vor allen Menschen in den Himmel, wo sie die menschlichen Seelen empfangen: "Euch trägt in gradem Zug / Zum Himmel euer Flug."

V. Schmetterlingsjagd. Von der Schmetterlingsjagd berichtet Nabokov; gejagte Schmetterlinge, getötet mit Naphtalin und Äther: Kleines Nachtpfauenauge, Schwalbenschwanz. Berichtet wird auch der Phantasieflug eines Schmetterlings aus Russland bis nach Amerika. Satire über deutsche Lepidopterlogen und umfangreiche Besprechung lepidopterologischer Werke. Nabokov zeigt sich als kundiger und begeisterter Schmetterlingsforscher, nach dem der Nabokov-Blütenspanner (Eupithecia nabokovi) benannt ist und dessen Leidenschaft für Schmetterlinge biographisch weit zurückreicht. Von der Schmetterlingsjagd auf dem Brauhausberg berichtet auch Walter Benjamin, der sich an Trauermäntel und Admiräle, Tagpgfauenaugen und Aurorafalter erinnert (Walter Benjamin: Schmetterlingsjagd). Vom Raub eines Nachtpfauenauges unter sammelnden Jungen lässt Hermann Hesse den Heinrich Mohr in Das Nachtpfauenauge berichten - die Erzählung des längst erwachsenen Freundes entspinnt sich an einem Gelben Ordensband aus der Sammlung des Erzählers (Hermann Hesse: Das Nachtpfauenauge).

VI. Leichtlebigkeit. Als leichtlebiger, von keiner Staatsgewalt zu bändiger Gesetzesbrecher erscheint der Schmetterling in einem Gedicht von Gustav Januš: er wird, weil er sich versehentlich auf das Moped eines Polizisten gesetzt hat, "arretiert" (Gustav Januš: Metulj). Auch Emily Dickinson warnt davor, einem Schmetterling (als Bild der Ungewissheit) Fesseln anzulegen: "Nor try to tie the Butterfly" (Go not too near a House of Rose). Bei Salomon Gessner wird die leichtsinnige Belinde vom Sprecher mit einem Schmetterling verglichen: "ihr Kleid ist nicht so schön wie deine Flügel, aber gedankenlos ist sie wie du." (Als ich Daphnen auf dem Spaziergang erwartete).

VII. Bedrohtes Genie. Als verwandelte Schneeprinzessin erscheint ein Apollofalter bei Guido Gozzano (Guido Gozzano: Dall'Epistola VIII: Del Parnassus Apollo). Einem Apollofalter vor dem dunklen Hintergrund einer Kluft hat auch Ludwig Uhland ein Epigramm gewidmet: "Göttlicher Alpensohn, sei huldreich uns Epigrammen! / Über der nächtlichen Kluft flatterst du, spielend im Glanz." (Ludwig Uhland: An Apollo, den Schmetterling).

VIII. Erotisches Symbol, Liebessymbol. Bei Gabriele d'Annunzio bringen zwei weiße Schmetterlinge das Gespräch des Paars Paolo und Galatea auf einen Vierzeiler von Gautier; schließlich erzählt der Jüngling Paolo der Galatea eine ziemlich eindeutige Fabel von einer Blüte und einem Schmetterling - gemäß den Genera der Nomen Oncidium und Farfalla ist der Schmetterling hier weiblich, und die Blüte männlich. Ein anschließender Besuch im Zoo birgt eine Enttäuschung: über dem Oncidium flattert lediglich ein Papierschmtterling (Der Schmetterling und die Blume). Ein Gedicht von Rilke lässt einen erhitzten Schmetterling an einer Wasserrose scheitern, die bei Anbruch der Dunkelheit die Blüte schließt (Falter und Rose). In einem Märchen Hans Christian Andersens verschmäht ein hochmütiger Schmetterling alle Sommerblüten und endet auf einer Nadel im Raritätenkasten, mit der er sich verheiratet sieht (Der Schmetterling). "Purpurne Bogen" trägt ein Schmetterling in einem Gedicht von Paul Scheerbart (Du, Falter, sag an) vom Kuss einer schönen Frau - den Sprecher erschreckt er dagegen mit seinem "stachlichen / Hexenbart". Ein Gedicht Théophile Gautiers verkörpert die Seele des Sprechers als Schmetterling, der die Rosen unberührt lässt und den Lippen der Geliebten entgegenstirbt: "J'irais à vos lèvres mi-closes, / Fleur de mon âme, et j'y mourais." (Les papillons). Ein Symbol der Liebe ist der Schmetterling auch bei Petrarca. Im Sonett CXLI des Canzoniere zieht die Süße der Augen der Geliebten den Sprecher wie die Blüte einen Schmetterling an. Ein eher unerwartetes Bild für die Liebe findet William Carlos Williams in Prelude to Winter: "The moth under the eaves / with wings like / the bark of a tree, lies / symmetrically still - // And love is a curious / soft-winged thing / unmoving under the eaves / when the leaves fall."

IX. Prahlerei. Eins der seltenen Exemplare prahlerischer Schmetterlinge erzählt Rudyard Kipling: ein Schmetterling prahlt vor seiner Frau, er könne durch bloßes Aufstampfen mit dem Bein den Palast Suleiman-bin-Daouds zum Einsturz bringen. Durch vier Dschinnen lässt der Herscher die Prahlerei tatsächlich ins Werk setzen, was dem Schmetterling und dem Märchenherscher gleichermaßen die Achtung ihrer Frauen verschafft (Der Schmtterling, der aufstampfte). Das leichtlebige Liebesspiel der Schmetterlinge beschreibt Victor Hugo in Vere Novo: der Sprecher erblickt im umherflatternden Schmetterling einen Liebesbrief ("billet doux"). Als Liebesbrief an die Adresse einer Blüte erscheint der Schmetterling in einem Zweizeiler Jules Renards: "Ce billet doux plié en deux cherche / une adresse de fleur." (Le papillon). Als Liebesbote besucht den Sprecher ein safranfarbener Falter am Hauptplatz von Dinard in einer Skizze von Eugenio Montale (Schmetterling von Dinard). Als "Traumgaukelding" bezeichnet der Sprecher Robert Musils in Heimweh das Bild der Geliebten, das ihm zwei taumelnde "gelbe Schmetterlinge" aufsteigen lassen. Auf der Hand der Sprecherin in Falter von Corinna Bille lassen sich deren zwei Männer und drei Geliebte in Gestalt von Schmetterlingen nieder. X. Anatomie. Eine große Ausnahme in der bildhaften Verwendung des Schmetterling als Symbol vergleicht Christoph Wilhelm Aigner den Querschnitt des Rückenmarks in seiner Form dem Schmetterling mit geöffneten Flügeln (Im Querschnitt).

XI. Schmetterlingstraum. Zhuangzi, der nach Laozi bekannteste Vertreter des Daoismus im alten China, berichtet von Zhuang Zhou, das er eines Tages aus dem Traum erwacht sei, ein Schmetterling zu sein mit der Frage, "ob Zhuang Zhou geträumt hat, dass er ein Schmetterling sei, oder ob der Schmetterling geträumt hat, dass er Zhuang Zhou sei" (Schmetterlingstraum). Diese berühmte Episode hat vielfach Eingang in die daoistische Tuschmalerei gefunden. Auch der japanische Lyriker Matsuo Basho spielt damit, wenn er einen träumenden Schmetterling auffordert: "Erwache doch / und sei mein Bruder.". Von weißen Schmetterlingen von der Größe einer Taube erzählt Gottfried Keller in seinem Traumbuch - der träumende ertappt sich beschämt bei dem Gedanken, einen der Falter als Zimmerdekoration zu fangen (Traumbuch, 2.2.1848). Eine Seelenreise als Schmetterling legt Wilhelm Buschs lyrisches Ich in Der Traum zurück: er stirbt am Pfeil eines unheimlichen Jägers. In Rafik Schamis Erzählung Fatima Oder die Befreiung der Träume befreit die junge Fatima die Träume der Menschen, die in Gestalt von Schmetterlingen vom Herrn eines Zauberschlosses gefangengehalten werden.

XII. Wissenschaft. Ein Musterbild der Schönheit, die selbst unter dem Vergrößerungsglas bestehen kann, sieht Georg Christoph Lichtenberg im Schmetterlingsflügel - eine Aufstellung der Verteilung der Farbpunkte auf dem Flügel eines Falters setzt den Leser über die mathematischen Grundlagen dieser Schönheit in Kenntnis (Vergleichung der Malerei auf einem Schmetterlingsflügel). Eine Studie über die Raupe des Wolfsmilchspanners (Über Metamorphose der Schmetterlinge am Beispiel der Wolfsmilchraupe) hat Johann Wolfgang Goethe angestellt.

XIII. Verwandlung. Die Metamorphose des Schmetterlings lädt zu einer reichen Symbolik der Wandlung ein, die christliche Deutungen trägt (Auferstehung) aber auch allgemein menschliche Veränderungen abbildet. Guillaume Apollinaire sieht die emsige Raupe als Symbol des werdenden Dichters, der sich nach harter Arbeit in die Höhe der Kunst erhebt (La Chenille). In einer Skizze Abe Kobos verpuppt sich der Erzähler: ein roter Seidenfaden umwindet ihn scheinbar selbsttätig (Der rote Kokon).

Kunst: Raupe, Falter und Puppe auf der Pictura eines Emblems von Balthasar Anton Dunker, auf dem Rahmen steht: "non tota perit" - 'Sie [die Seele] wird nicht ganz zunichte". Dekorativ eingesetzt von Andy Warhol: Butterflies. Die Schwebende Psyche Wilhelm Tischbeins hat Schmetterlingsflügel, ebenso der fettwanstige Amor in Honoré Daumiers Amor et Psyche. Justinus Kerner hat die Symmetrie der schmetterlingsflügel in zahlreichen Kleksographien verarbeitet. Gerippe, die aus Arkadengängen dem Sturm der Nachtfalter auf eine Gaslaterne zuschauen, zeigt Max Ernsts Gerippe und Nachtfalter. Das Motiv der das Licht umtanzenden Motten findet sich in emblematischer Kunst häufig - darunter steht dann etwa eine Subscriptio wie diese: Brevis et damnosa voluptas (Das Vergnügen ist kurz und verderblich).

 

Ziege

 

In einer Fabel des Phädrus wird die Ziege vom Löwen um ihren Jagdanteil betrogen (Phaedrus: Die Kuh, die Ziege, das Schaf und der Löwe).

Zitronenfalter

 

Einen Zitronenfalter beschreibt Gerhart Hauptmann in Falter im Schnee: der Sprecher findet den erstarrten Falter an einem Wacholder und trägt ihn nachhause; dort , in der Hand erwärmt, erhebt er sich und flieht in die tödliche Winternacht: "Nie war die Freiheit näher beim Verderben! / Nie war die Wonne näher bei dem Wehe! / Nie war der Frühling näher bei dem Schnee! / Nie war das Leben näher bei dem Sterben!". Ein Zitronenfalter ("Zitronenling") erhebt sich, bereits totgeglaubt, in der kurzen Erzählung Ein Schmetterling von Else Lasker-Schüler in den Himmel, als "Vorwunder des Jüngsten Tages".

Kontext