Forschung

Forschungsbericht: Ekphrasis-Literatur

Dieser komparatistische Forschungsbereich ist viel zu weit, als dass er in der gebotenen Knappheit dargestellt werden könnte. Während einige Arbeiten mit Lessings Laokoon oder A. W. Schlegels Ästhetischen Briefen beginnen, sehen andere erst Oskar Walzels Schrift zur Wechselseitigen Erhellung der Künste von 1937 als Grundstein des wissenschaftlichen Gesprächs über die Begegnung des Worts mit dem Bilde. Die Kunstgeschichte hatte bereits drei Jahre zuvor, 1934, in Gestalt von Wilhelm Waetzoldts Malerroman und Bildgedicht eine positivistisch gefärbte Einführung des Gegenstands geleistet.

Mein Forschungsbericht beschränkt sich allein auf Arbeiten zur Bildbeschreibung in der erzählenden Literatur; deshalb sei zunächst auf die kunsthistorische und altphilologische Ekphrasisforschung verwiesen. Sie hat eine Fülle fachwissenschaftlicher Arbeiten zu den Schildbeschreibungen der Ilias und der Aeneis hervorgebracht. Besondere Aufmerksamkeit wurde der Ekphrasistradition in der hellenistischen Dichtung zuteil: im Blickfeld standen Dionysios von Halikarnassos, Lukian von Samosata, die Eikones Philostrats, die Progymnasmata Theons von Smyrna und das gleichnamige Werk Nikolaos` von Myra. Die Eikones des Flavius Philostratus regen die Ekphrasisdiskussion noch heute an, schon Goethe hat mit seinem kurzen Aufsatz über Philostrats Gemälde in Kunst und Altertum (1818) dazu beigetragen. Erwin Panofskys Essay Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung der bildenden Kunst, 1932 erschienen, beschäftigt sich unter anderem mit den Bildbeschreibungen Lukians, die ihm Lessing über eine Bemerkung in den antiquarischen Briefen vermittelt. Ein Standardwerk zur Bildbeschreibung in byzantinischer Zeit ist unbestritten Max Friedländers Quellensammlung zu Johannes von Gaza, Paulus Silentiarus und Procopius von Gaza, 1912 in Berlin und Leipzig erschienen. Eine vollständige Bibliographie zur spätantiken und byzantinischen Kunst ist hier nicht am Platze, verwiesen sei aber auf neuere Arbeiten von Maria Boeder zu Sprache und Bild in der spätantiken Literatur von 1996, auf Hans Bernsdorffs Studie zu Ovid aus dem Jahr 2003, Kunstwerke und ihre Verwandlungen, und auf Flora Manakidous Beschreibung von Kunstwerken in der hellenistischen Dichtung von 1993, allesamt mit soliden Bibliographien altphilologischer Forschungsliteratur zur Ekphrasis.

Auch die literaturwissenschaftliche Mediävistik hat Bildbeschreibungen in der mittelalterlichen Literatur inzwischen ausführlich gewürdigt, sich verteidigend gegen die Behauptung, eine mittelalterliche Ekphrasistradition habe es nicht gegeben. Matthias Wandhoff beklagt, das Mittelalter werde in der Forschung als "dunkles Zeitalter" angesehen, "in dem allenfalls noch Dante das Banner der Bildbeschreibung hochgehalten habe". Mit der Ekphrasis im französischen Versepos beschäftigt sich Linda M. Clementes Buch Literary objets d`art von 1992, Ekphrasis in der Renaissancedichtung Italiens untersucht Norman E. Lands The Viewer as Poet von 1994.

Ende der 80er Jahre beginnt ein lebhaftes Fachgespräch über Bildbeschreibungen in der Moderne. Zum französischen, deutschen und englischen Roman des 19. Jahrhunderts ist Einschlägiges erschienen, die poetologischen Einzelfallstudien in Dieterles Erzählten Bildern von 1988 nenne ich als erstes Beispiel. Dieterles Typologie des erzählten Bildes versteht sich als Kritik an Gisbert Kranzens Ordnungsversuch am Bildgedicht. Der wohl einflussreichste deutsche Beitrag ist der von Boehme und Pfotenhauer 1995 herausgegebene Sammelband Beschreibungskunst – Kunstbeschreibung, der kunsthistorische und literaturwissenschaftliche Positionen zum Problem der Beschreibung mit ethnologischen und medizinischen Stellungnahmen vereint. Ein Jahr darauf erscheint, herausgegeben von Peter Wagner, Icons – Texts – Iconotexts, das sich vorwiegend mit englischen und französischen Romanen des 18. und 19. Jahrhundert befasst. "Spielformen literarischer Bildinterpretation von 18. bis zum 20. Jahrhundert" untersucht, mit narratologischem Blick, Monika Schmitz-Evans in Die Literatur, die Bilder und das Unsichtbare von 1999. Ihr Augenmerk richtet sich auf Fragen der wechselseitigen Grenzüberschreitung zwischen Text und Bild, auf Unsichtbares im Text und Unsagbares im Bild. Bildbeschreibungen in französischen, deutschen und englischen Romanen nach 1945 untersucht Christoph Eykmans Über Bilder schreiben, 2003 in Heidelberg veröffentlicht. Nichts ist an dieser Stelle zu sagen über die noch wesentlich reichere Literatur zum Bildgedicht, erneut erwähnt sei die dreibändige Arbeit Gisbert Kranzens von 1973, Das Bildgedicht in Europa, die "Leistungen", "Typen", "Anlässe" und "Rezeption" der literarischen Bildbesprechung darstellt.